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Artikel

2004

Oldtimer

Kleinkameras als Geheimkameras

„Das Photographieren auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen ist zulässig. Ebenso nach Paragraph 20 des l Gesetzes vom 9. 1. 1907 die Vervielfältigung von Werken, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen befinden. Es ist jedoch zu beachten, dass auf Grund der ordnungspolizeilichen Vorschriften das Photographieren unter Strafandrohung unzweifelhaft in gewissen Fällen von der Polizeibehörde verboten werden kann. So könnte ein Photograph auf einer belebten Straße zwar nicht durch sich allein, wohl aber durch eine Korona von Neugierigen ein Verkehrshindernis bilden. Es kann daher der Photograph, der mit seinem Stativapparat auf dem Potsdamer Platz in Berlin Anstalten zum Photographieren macht, durch die Polizei gegebenenfalls daran gehindert werden, und, wenn er sich den polizeilichen Anordnungen nicht fügt, in Strafe genommen werden." So kam der Wunsch auf, ohne lange Vorbereitungen, ohne Belästigungen und ohne Aufsehen zu erregen, spontan fotografieren zu können. Und aus dieser Erwägung heraus entstanden die so genannten „Detektiv-Apparate", Fotoapparate, die aufgrund ihrer Größe „fast" unauffällig blieben.

Der Gebrauch der Detektiv-Apparate entwickelte sich rasch zu einer Art von fotografischem Volkssport und man muss staunen, was die Fotoindustrie vor 75-85 Jahren alles austüftelte, um diesen angestrebten Zweck zu realisieren. Es gab die unmöglichsten Konstruktionen und es gab die unmöglichsten Gegenstände, die in einen Fotoapparat „umfunktioniert" wurden.

Die Kameraindustrie versuchte immer wieder, sich etwas Ausgefallenes auszudenken. Ich habe sieben unauffällige kleine und versteckte Kameras heute für Sie ausgesucht und ich beginne mit einer japanischen Kleinstbildkamera.

EINE KLEINSTBILDKAMERA MIT VIEL TECHNIK AUS JAPAN

„Noch bequemer!", „Noch schneller!" - das waren die an den Konstrukteur gestellten Bedingungen. Und so entstand im Jahre 1957 die „Golden-Steky", ein Produkt der Ricoh Optical Company, Japan. Diese Kamera, die entsprechend ihrer Größe (75 x 42 x 29 mm) und aufgrund des verwendeten Filmmaterials zu den Kleinstbildkameras zählt, wies aber in der Technik Merkmale der 24 x 36 mm-Kameras auf. Beginnen wir mit einer auf von 1/50, 1/100, 1/200 sec + B. Mit einem Gewicht von 200 Gramm und einem Negativformat von 10 x 14 mm auf 16-mm-Kassettenfilm bot die Golden Steky enorm viel an Technik. Sammlerwert: ca. DM 130,-.Aufzählung. Zunächst wäre der Schnellschalthebel zu erwähnen. Wenn man es überlegt, kann man alle Miniaturkameras an einer Hand abzählen, die einen Schnellschalthebel besaßen. Dazu kommt eine Doppelbelichtungssperre. Ferner ein großer optischer Sucher mit einem eingespiegelten Leuchtrahmen, der den Ausschnitt für das Teleobjektiv zeigt, Das Normal-Objektiv ließ sich auswechseln gegen das Steky-Tele 1:5,6/40 mm (s. Abb.). Ein eigenes Weitwinkel-Objektiv wurde seinerzeit angekündigt, meines Wissens nach jedoch nie herausgebracht. Die normale Ausstattung bestand aus einem Fix-Focus Riken Stekinar 1:3,5/25 mm Objektiv. Die Golden Steky war außerdem synchronisiert und wies Verschlusszeiten

DIE MYCRO III A, EINE UNTER TAUSENDEN

Donnerwetter - habe ich mir gedacht, als ich einen Prospekt der Mycro III A Kamera durchlas. Superlative über Superlative! Zuerst wird die Optik beschrieben mit Sätzen wie: Dieses 1:4,5 Objektiv besitzt ein solch superbes Auflösungsvermögen, dass Vergrößerungen bis Postkarten - oder noch größer - ohne Leistungsabfall gemacht werden können.

Die Anpreisungen gehen aber noch weiter: Es wurde sogar damit geworben, dass bei keiner anderen Kamera der Welt so viel verschiedenes Zubehör zur Auswahl stünde, wie bei der Mycro III A. Man muss daher annehmen, dass die Hersteller der Mycro noch nie etwas von der Exakta Varex und ihrem Zusatzgeräte-Programm gehört haben.

Tatsache ist, dass als Zubehör lediglich Filter, ein Spezial-Vergrößerungsgerät und ein Spezial-Stativ für die Mycro III A zur Verfügung standen. Aber das war auch wirklich alles und es war keineswegs mehr, als andere Kleinstbildfabrikate an Zubehör boten. Die Mycro III A ist ein typisches Beispiel der Kleinstbildkameras, die zu Tausenden in den 50er Jahren aus Japan exportiert wurden. Hier einige technische Details: Verschluss mit Zeiten von 1/25, 1/50, 1/100 sec., Mycro Filmmaterial für 10 Aufnahmen 14 x 14 mm auf 14-mm-Rollfilm. Hergestellt wurde die Mycro III A im Jahre 1950 von der Mycro Camera Company in Tokio. Der Sammlerwert heute ca. DM 180,-.

DIE „SEPTON PEN" - KAMERA IM FÜLLFEDERHALTER

Wenn Sie, lieber Leser, meine Oldtimer-Kolumne schon längere Zeit verfolgen, dann wissen Sie vielleicht, dass ich schon einmal über eine Kleinstbildkamera in Form eines Füllfederhalters berichtet habe (COLOR FOTO, März 1977). Es handelte sich um die Stylophot Kamera - ein französisches Fabrikat. Sehen wir uns eine ähnliche Kamera japanischer Herkunft an. Sie heißt „The Septon Pen Camera" und wurde von der Firma Harukawa produziert. In vielen Beziehungen unterscheidet sich die Septon Pen Camera von der Stylophot. Das Filmformat war zuerst anders: 8-mm-Film wurde verwendet. Dann das Aufnahmeformat: Man konnte 10 Aufnahmen im Format 10 x 13 anfertigen. Die Septon Pen Camera in der Größe 3,7 x 14 x 3,8 cm und einem Gewicht von nur 109 Gramm wurde wie die Stylophot in Bakelit gebaut. Sie besaß wie die Stylophot ein Bakelit-Gehäuse und einen optischen Sucher. Außerdem war eine abnehmbare Rückwand zum leichteren Filmeinlegen vorhanden. Die Optik an der Septon Pen war ein 20 mm „Septon"-Objektiv mit der - für Kleinstbildkameras damals enormen - Lichtstärke von 2,8. Der Verschluss war allerdings beschränkt auf 1+B. Die Septon Pen Camera ist mit dem Jahr 1959 zu datieren. Viele Exemplare wurden jedoch nicht hergestellt, so dass sie relativ selten auf dem Markt zu finden ist. Ihr Sammlerwert beträgt ca. DM 250,-.

Die Expo-Kamera spielte in der Entwicklung der Amateurfotografie in Deutschland keine große Rolle. Dafür aber ihre „Nachfolgerin", die „Ticka" Taschenuhr-Kamera. Geschichtlich gesehen beginnt der Erfolg der Ticka mit folgender Pressemitteilung aus dem Jahre 1906: „Die Fabrikation der Rollkamera in Form und Größe einer Taschenuhr', DRP 173567, hat für Europa die Firma Hougthon Ltd. - London übernommen und bringt diesen, aus Amerika kommenden daselbst in kurzer Zeit unter dem Namen ,Expocam-Detectiv-Kamera' zahlreich verbreiteten Apparat unter der Benennung "Ticka"-Taschenuhr-Kamera in den Handel. Den Alleinverkauf für Deutschland, Österreich-Ungarn, Balkanstaaten und die Schweiz hat die Firma H. Meyer-Frey, Frankf./M., übernommen. Der Preis dieser praktischen Kamera ist 12.50 M., die Filmspule für 25 Aufnahmen kostet 1.20 Mark."

Und mit genannter Filmspule (im Grunde war es eine Doppelkassette) konnte man 25 Aufnahmen machen, im Briefmarken-Format, wie es damals hieß. Und immerhin war man in der Lage, die Abzüge bis zu 6 x 9 cm zu vergrößern. Hierzu lieferte die Firma Houghton einen eigenen Ticka-Vergrößerungs-Apparat zum Preise von 5 Goldmark. Eine interessante Variante dieser Kleinstbildkamera der Jahrhundertwende ist die Ticka mit Ziffernblatt. Sie sieht genauso aus, wie die abgebildete Ticka, aber an Stelle des gravierten Monogramms besitzt sie ein Ziffernblatt. Dieses Ziffernblatt war aber nicht nur zur Zierde da, es war auch ausgeklügelt und als Gedächtnisstütze gedacht. „Die Zeiger stehen beständig auf 7 Minuten nach 10 Uhr und geben gleichzeitig den Winkel an, bis zu welcher äußersten Ausdehnung man mit der „Ticka" Aufnahmen machen kann, erübrigen damit also einen Sucher." Der Sammlerwert beträgt heute: ca. DM 400.-.

GEHEIMKAMERAS IN DER TASCHENUHR

Geheim wird wohl immer nur das sein, was nur einer weiß. Es ist daher nicht verwunderlich, dass wir das Bestreben, sozusagen geheim zu fotografieren, weit zurückverfolgen können. Wir überspringen aber viele große „Geheimkameras" der Zeit vor 1900 und kommen gleich zu den Geheimkameras im Taschenformat, die eine Vorstufe (wenn auch kurzfristige) zu den erfolgreichen Bemühungen bilden, einen Fotoapparat so klein und handlich wie möglich zu konstruieren.

Eines der Dinge, die auch für fotografische Zwecke umgestaltet wurden, war eine Taschenuhr. Die erste populäre Version dieser Idee ist die Lancaster Watch Camera, hergestellt im Jahre 1886 von der Firma J. Lancaster in Birmingham. Wer die Lancaster Watch Camera (wenigstens von der Abbildung her) kennt, weiß, dass ein teleskopartiger Auszug benutzt wurde, um die Entfernung des Objektivs zur Platte herzustellen. Die nächste Version der Uhrenkamera dachte sich der Amerikaner Magnus Niell aus; im Jahre 1904 ließ er eine „Rollkamera, deren Gehäuse die Form einer Taschenuhr hat" patentieren. Sein Werk - die Expo (links im Bild)-wurde ab 1905 von der neugegründeten Firma Expo Camera Company in New Work gefertigt. Die Expo nahm 17,5-mm-Film in einer Kassette auf und 25 Aufnahmen konnte man damit „schießen". Die Optik verbarg sich im Uhrenaufzugsknopf; beim Spannen des Verschlusses musste man den „Objektivdeckel" aufsetzen, sonst war der Film belichtet. Die Entfernungseinstellung fiel weg, da die Optik Fix Focus war und die relative Lichtstärke 1:16 betrug. Das erleichterte das unbeobachtete Fotografieren, weil nur wenige Handgriffe zu tun waren. Als Zubehör gab es einen aufsteckbaren Brillantsucher (nicht abgebildet). Der Sammlerwert der Expo liegt bei ca. DM 500,

EINE UNGEWÖHNLICHE KAMERA AUS DEUTSCHLAND

Die ständige Verbesserung des Filmmaterials begünstigte die Konstruktion verschiedenster Kleinbildkameras. Eine der ungewöhnlichsten ihrer Bauart war eine deutsche Erfindung: Die „Cambinox" der Optischen Werke J. D. Möller in Wedel/ Holst. Die Geschichte der Cambinox beginnt im Jahre 1954 mit einem Patent unter der Nr. 957362 - „Mit einem Photoapparat kombiniertes Doppelfernrohr". Als Erfinder wurden die Herren Alfred Möller und Friedrich Klein genannt. Die Cambinox vereinigt drei Geräte in sich: Ein Fernglas, einen Fotoapparat und eine Telekamera. Sie wurde erstmalig im Jahre 1954 in den Handel gebracht, und zwar unter dem Namen „Fotofeldstecher". Der Name ergab sich aus folgender Kombination: Cambinox = Kamera + Fernglas (Camera-Binocle). Die Form der Cambinox wurde „in die Hand hinein konstruiert". „Unter Berücksichtigung der Anatomie der Hand wurde eine Form entwickelt, deren Griffigkeit das Gefühl des Verwachsens mit der Cambinox auslöst und die wichtigsten Griffelemente, wie Auslöser und Aufzugsknopf, mit spielender Selbstverständlichkeit bedienen lässt."

Ehe ich zur Kamera-/Fernglas-Technik komme, muss ich eines erläutern: Es gab nicht nur eine Cambinox. Das erste Modell (seltener) fertigte man in den Jahren 1954 bis 1956. Es ist u. a. von dem Nachfolgemodell darin zu unterscheiden, dass es nicht synchronisiert ist. Außerdem sind die Schlitzverschlusszeiten anders, nämlich '/30 bis 1/1000 sec + B. Das erste Modell nahm perforierten oder unperforierten 16-mm- (Adox KB 14) Film in einer Doppelkassette für 20 Aufnahmen im Format 10 x 14 mm auf. Das Nachfolgemodell nahm nur unperforierten Film auf. Der wesentlichste Unterschied: Das erste Modell besitzt eine 8-fache Vergrößerung, das zweite Modell hat dagegen eine 7-fache Vergrößerung. Das zweite Modell der Cambinox (s. Foto), von dem es zwei Versionen gab, erschien im photokina-Jahr 1956 und erregte solch großes Aufsehen, so dass bis Ende 1957 längere Lieferfristen entstanden. Die zwei Versionen des zweiten Modells lassen sich leicht auseinanderhalten. Die Ausführung „N" besitzt 2 Messokulare mit Außenablesung - die Ausführung „S" besitzt ein Okular wie bei Ausführung „N" und ein Messokular mit Strickplatte zur Erhöhung der Messgenauigkeit sowie Innenablesung, wahlweise für das rechte oder linke Auge. Da wir gerade bei dem Kamerateil sind, hier einige technischen Details: Die Aufnahme-Optik (Idemar) besaß eine Brennweite von 90 mm mit der Lichtstärke 1:3,5, war aber auswechselbar (Bajonettfassung) gegen Objektive mit kleinerem oder größerem Bildwinkel. Die drei Zusatzobjektive waren: 3,5/35 mm (28xGRADx Bildwinkel), 3,5/135 mm (7,5xGRADx Bildwinkel) und 3,5/180 mm (5,4xGRADx Bildwinkel), gegenüber 11xGRADx Bildwinkel bei dem 90-mm-Standardobjektiv.

Das Fernglas diente beim Fotografieren als Entfernungsmesser für die Kamera und als Sucher für die 90er- und 135er-Objektive.

Beim zweiten Modell der Cambinox wurden die Metallschlitzverschlusszeiten geändert. Ab 1956 war es möglich, mit der Cambinox zwischen '/30 bis 1/800 sec zu belichten. Die Filme zur Cambinox wurden in Doppelkassetten geliefert, so dass nach ihrer Belichtung eine Rückspulung nicht erforderlich war. Eine weite Verbreitung fand die Cambinox nicht, obwohl sie fast 9 Jahre angeboten wurde. Ein entscheidender Grund dafür dürfte wohl auch in dem relativ hohen Preis von DM 984,- zu sehen sein. Es wurden ca. 3.000 „Fotofeldstecher" gefertigt. Heute muss man für diese Rarität ca. DM 700,- bis DM 800,- ausgeben.

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