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Artikel
2004
Oldtimer
Streifzug durch die Welt der KB-Kameras
Bevor wir uns heute den „Oldies" zuwenden, lassen Sie mich an dieser Stelle Ihnen, liebe Leser, zum bevorstehenden Jahreswechsel meine besten Wünsche für ein erfolgreiches 1979 übermitteln. Erfolg heißt vielleicht für Sie auch, daß Sie im Neuen Jahr die Kamera finden, die Sie für Ihre Sammlung schon lange suchen. Um eine Sammlung aufzubauen und zu pflegen bedarf es auch einiger Grundkenntnisse. Ich habe mich bei der Gestaltung meiner Kolumne stets bemüht, eine möglichst vielseitige Übersicht der verschiedenen Kameratypen zu bieten. Gleichzeitig habe ich Ihnen hoffentlich einige der eben erwähnten Grundkenntnisse vermittelt. Es genügt eigentlich nicht, nur zu wissen, wann und von wem ein Modell hergestellt wurde, sondern es war mein Bestreben, Ihnen etwas „Background” zu liefern. Interessant wäre es nun für mich zu wissen, ob Sie, liebe Leser, spezielle Wünsche in puncto Konstruktionstypen (z. B. Kleinstbildkameras) oder bestimmte Kamera-Modelle haben, die ich bisher noch nicht vorgestellt habe. Dementsprechend würde ich meine Kolumne für 1979 planen und gestalten. Zögern Sie nicht, schreiben Sie mir ruhig Ihre Wünsche, ich bin für Anregungen u. Hinweise auf-geschlossen. Hier meine Anschrift: Postfach 1148, 8901 Kissing.
Nun zu unserem heutigen Thema, den Kleinbildkameras. Zwischen 1930 und 1933 wurde in der Entwicklung der Aufnahmeformate nach unten mit 24 x 36 mm ein endgültiges Ziel erreicht. Dazu trugen die Firmen Leitz mit ihrer Leica und Zeiss Ikon mit ihrer Contax bei. Heute wollen wir uns aber nicht mit Leicas u. Contax-Kameras befassen, sondern uns andere Kleinbildkameras der 30er und 40er Jahre näher betrachten. Kamerasammler dieses Formats werden sicher das eine oder andere Stück interessant finden und mehr darüber wissen wollen.
LANGE JAHRE IN DER SCHUB-LADE: DIE CASCA
Eine der interessantesten Kleinbildkameras ist und bleibt die „Casca" der Münchner Firma Steinheil. Die Pläne für die Casca waren bereits während des Krieges im Werk ausgearbeitet worden, aber dann kam es nicht mehr zur Produktion.
Als es dann im Jahre 1945 mit dem Wiederaufbau begann, lag dieser erste Entwurf der Casca wieder vor (bis dahin hatte die neue Kamera noch keinen Namen). Im Protokoll der Geschäftsführerbesprechung vom 26. 9. des Jahres wird die Produktion ins Auge gefasst: „Es wird mit allen Mitteln angestrebt, die Lieferung von 500 Stück im Dezember zu ermöglichen”.
Die Kamera wurde Casca getauft (nach den ersten Buchstaben der Fa.: C. A. Steinheil Camera). Aber die Herren von Steinheil waren zu eilig. Innerbetriebliche Umstände und Patentschwierigkeiten mit der Fa. Leitz, wegen des Casca-Schlitzverschlusses, verzögerten die Produktion bis Ende 1948. Doch dann war sie da - eine Kleinbildsucherkamera mit auswechselbaren Objektiven in Kugel-Bajonettfassung und Schlitzverschluss, mit Zeiten von 1/125-1/1000 sec. Ihr optischer Sucher mit einer Verkleinerung von 2/3 war abgestimmt auf Objektive mit 5 cm Brennweite. Bestückt war die Casca (später wurde sie Casca 1 genannt) mit dem vergüteten Steinheil Culminar 1:2,8/50 mm Objektiv. Nach meinen Recherchen wurden zum Jahresende 1948 in einer ersten Serie weniger als 500 Kameras gefertigt. In der 2. und letzten Serie, die im Frühjahr 1949 vom Band ging, wurden weniger als 1000 Kameras hergestellt. Also nicht nur wegen der geringen Stückzahl ist sie ein begehrtes Sammlerstück; die Casca kostet heute ca. DM 350,- bis 400,-. Wie gesagt, die erste Steinheil-Nachkriegskamera hieß Casca; bei der zweiten Fertigungsserie aber Casca 1. Wahrscheinlich weil die Casca II schon auf dem Reißbrett fertig war; denn bereits im Frühjahr 1949 stellte Steinheil in New York die neue Casa II der Fotowelt vor.
CASCA II - TEURER ALS DIE LEICA-NACHFOLGER DER CASCA
Und etwas später erregte diese Kamera auch auf der Hannover-Messe ebenso großes Aufsehen. Laut Pressemitteilungen der Zeit stellte die Casca II „eine der ersten wirklichen Nachkriegs-Neuerscheinungen großen Stils auf dem Gebiet der deutschen Kleinbildkameras dar." Wie anders war die Casca II? Zuerst wurden die Verschlusszeiten erweitert von 1/1000 - 1/2 sec. Dann erhielt sie eine Blitz-Synchronisation (in der Bodenplatte eingelassen). Am wichtigsten aber war der neue eingebaute E-Messer. Sämtliche Wechselobjektive (35, 85, 135) waren mit dem E-Messer gekuppelt. Eine andere Neuerung war, dass die 85+135-mm-Bildausschnitte im Sucher eingespiegelt erschienen. Hier eine Information, die nur wenige „Insider” wissen: Es gab ein 2. Normalobjektiv, außer dem Culminar 2,8/50, ein Quinon 2/50 mm. Eine Casca 11 mit letzterem Objektiv dürfte zu den größten Seltenheiten der Nachkriegszeit zählen. Ende September 1949 wurde die Casca II ausgeliefert: Preis DM 630,-! (Vergleich = Leica IIIc = DM 565,- m. Elmar). Ab März 1950 hat sie nur noch DM 540,- gekostet und ab 1. 9. des Jahres war sie vom Markt total verschwunden. Ihr Sammlerwert liegt immerhin derzeit bei ca. DM 300,
AUS DEM HAUSE DURST: DIE DUCA GAB ES AUCH IN WEISS!
Eine außergewöhnliche Nachkriegskamera stellte die „Duca" dar. Außergewöhnlich zuerst von der Form her und z. T. auch von der Technik her. Die 24 x 36 mm-Duca wurde von der italienischen Firma Durst (bekannt für ihre Vergrößerungsgeräte) im Jahre 1946 hergestellt. Damit war sie eine der ersten Kameras, die nach dem Krieg auf den Markt kam. Der Kameranamen wurde vom Firmennamen Durst Camera abgeleitet. Benutzt wurden Agfa Karat Filmkassetten für 12 Aufnahmen. Objektivmäßig gab es 2 Versionen: das Meniskus Ducar 1:11/50 mm, ferner den Achromat 1:11/50 mm. Der Schleuderverschluss erlaubte nur 1/30 sec und B, war aber synchronisiert, um blitzen zu können. Interessant an der Duca war nicht nur ihre gewölbte Filmbahn, sondern auch ihr Schnellschalthebel, den man nur mit einem Finger betätigen konnte. Verkauft wurden insgesamt 50.000 Ducas in Serien zu 10.000. Der Sammler muss wissen, dass es sie in schwarzer, brauner und blauer Hammerschlag-Lackierung gab; in kleiner Auflage sogar in rot und weiß. Die Produktion musste im Jahre 1950 eingestellt werden, weil keine Filme und Spulen im Handel zu erhalten waren. Sammlerwert: ca. DM 150,-.
SEIT 1931 AUF DEM MARKT: BEIRA - AUS 3 x 4 WURDE 24 x 36
Verfolgen wir einmal die Geschichte einer kleinen Kamera, die - obwohl 8 Jahre lang auf dem Markt - sehr schwer zu finden ist. Es handelt sich um die „Beira". Diese Kamera, mit dem Format 3 x 4 cm, tauchte 1931 auf der Leipziger Frühjahrsmesse zum ersten Mal auf. Angeboten wurde sie unter den Namen „Beika” = Beier Kamera. Als Hersteller zeichnete die Firma Woldemar Beier Kamera Fabrik, mit Sitz in Freital/Sachsen. Auf der Messe hob man 2 technische Details der Beika hervor: Einmal die Tatsache, dass man unperforierten Kinofilm benutzte, zum anderen, dass man die Aufnahmen einzeln abschneiden und extra entwickeln könne. Erst im Laufe des Erscheinungsjahres wurde der Kameraname in „Beira” umgeändert. 3 Jahre später (1934) berichtete die Fachpresse: „Infolge der vielfachen Schwierigkeiten bei der Beschaffung des unperforierten Kinonormalfilms ist die Herstellerfirma ebenfalls auf perforierten Film übergegangen.”
Zu diesem Zeitpunkt konnte der Käufer die Beira mit nachstehender 50-mm-Objektivauswahl erwerben: Cassar 2,9, Xenar 3,5, Dialytar 2,7 und Xenar 2,9. Im Jahre 1935 folgte das Modell II der Beira. Ergänzt wurde dieser Apparat durch einen Prismensucher namens „Okula” (6-fache Vergrößerung) sowie einen gekuppelten Entfernungsmesser, der den praktischen Nutzen der Beira bedeutend erhöhte. Das Negativformat wurde von diesem Zeitpunkt an in 24 x 36 mm geändert. Ab 1936 finden wir die Beira auch mit dem Leitz Elmar 3,5/50 mm ausgestattet. Der Sammlerwert der Beira liegt in etwa zwischen DM 300,- bis DM 400,-.
SUPER NETTEL - EIN BEWUSST GEWÄHLTER KAMERA-NAME
Ab 1932 war die Contax auf dem Markt. Es gab eine große Anzahl von Fotoamateuren, die sich zwar die Vorzüge der damaligen Kleinbildkamera in Bezug auf Handlichkeit und Schnelligkeit zunutze machen wollten, aber die enorme Vielseitigkeit der Contax nie ausnutzen konnten. Für diese Gruppe von Amateuren konstruierte Zeiss Ikon 1934 eine neue Kleinbildkamera: Die „Super Nettel".
Aber der Name Nettel kam nicht von ungefähr - er wurde bewusst gewählt. Denn, die altbekannte Nettel der 20er Jahre galt als die klassische Reporterkamera überhaupt. Dank ihrer ausgezeichneten konstruktiven Eigenschaften wie zuverlässige Spreizenkonstruktion, Stabilität, ferner Schlitzverschluss und universelle Verwendbarkeit, wurde sie zu einem Begriff. Zeiss Ikon wollte das zugrunde liegende Konstruktionsprinzip der Nettel mit den neuesten Erkenntnissen der Kameratechnik verbinden, um so eine moderne Reporter-Kleinbildkamera zu schaffen.
Als Entfernungsmesser wurde der Dreh-Keil von der Super Ikonta übernommen. Von der Contax nahm man den Metall-Schlitzverschluss (1/5 -1/1000)
Neuartig für eine Kleinbildkamera war, dass das Gehäuse durch einen aufklappbaren „Laufboden” - also Objektivvorderteil und Balgen - vor Staub und Beschädigungen schützte.
Im Einführungsjahr konnte man die Super Nettel entweder mit dem Tessar 3,5/50 mm oder 2,8/50 mm erwerben. Ab Anfang 1935 gab es sie auch mit einem Zeiss Triotar 1:3,5/50 mm Objektiv. Sammlerwert: Je nach Ausstattung und Zustand zwischen DM 350,- bis DM 450,-.
SUPER NETTEL MIT NEUEM GE-SICHT, ANDERER AUSSTATTUNG
Als Zeiss Ikon eine verchromte Version der Super Nettel präsentierte, wurde die erste Version Super Nette! 1 getauft, die verchromte Nachfolgerin nannte man Super Nettel II.
Wie ihre Vorgängerin, stellte sie eine 24 x 36-mm-Kamera, mit derselben hoch stehenden technischen Verarbeitung wie die Contax dar; nur war sie infolge Beschränkung auf ein Objektiv, einfacher im Bau und deshalb auch entsprechend niedrig im Preis. Bei der Super Nettel II (hier abgebildet im geschlossenen Zustand) wurden die freiliegenden Metallteile und der Laufboden verchromt - das war der Hauptunterschied zwischen der Super Nettel 1 und 11.
Außerdem bekam man sie nur mit dem Zeiss Tessar 2,8/50 mm Objektiv zu kaufen. Während die Super Nettel 1 ja nach Objektivausstattung zwischen RM 165,- und RM 220,- zu haben war, kostete die Super Nettel II RM 250,- (Preise von 1936). Es war aber nicht unbedingt der niedrige Preis, der bei de Super-Nettel-Serie zum Kauf anregte. Die Herstellerfirma hatte bei der Kamera auch an Kleinigkeiten gedacht. Es fing z. B. schon bei einem Vorsatzfilter an, das man bei geschlossener Kamera aufgesteckt lassen konnte; ferner gab es sogar einen Plattenadapter für Aufnahmen auf Platten 3 x 4,5 cm.
Die Super Nettel 11 ist relativ selten zu finden - allein auf den letzten neuer Petzold-Photographica-Auktionen tauchte sie nicht einmal auf. Sammlerwert: DM 600,-.
Wenn diese Kamera auch schwer zu finden ist, sollte jeder Sammler um so hartnäckiger danach suchen - e: lohnt sich auf jeden Fall!
MIT WECHSELOBJEKTIVEN: SUPER NETTEL III - ALIAS NETTAX
Im Jahre 1936 überraschte Zeiss Ikon die Fotowelt mit einer neuartigen Kleinbildkamera. Es war die Super Nettel III, später „Nettax" genannt. Schon äußerlich hatte sie kaum eine Ähnlichkeit mit der Super-Nettel. Zeiss Ikon ging mit dieser Kamera, die auswechselbare Objektive besaß, neue Wege in der Kamerakonstruktion. Das bedeutete, die Drehkeile waren fest mit dem Objektiv verbunden, statt fest mit der Kamera. Durch dieses Konstruktionsprinzip wurde ein kostenspieliger Einbau des Übertragungsmechanismus ins Gehäuse vermieden. Die Objektiveinstellung wurde mit einem Hebel vorgenommen, dessen Weg für den gesamten Einstellbereich kurz gehalten wurde, um die Einstellgeschwindigkeit zu erhöhen. Folgende Objektive gab es zur Nettax: Tessar 1:3,5/50 mm, Tessar 1:2,8/50 mm, Triotar 1:4/85 mm, Triotar 1:5,6/105 mm. Für den Nettax-Besitzer, der Weitwinkel-Aufnahmen machen wollte, bot sich folgende Möglichkeit: Das Tessar 1:8/ 28 mm Objektiv - normalerweise für die Contax gedacht - konnte in Verbindung mit einem Zwischenring, an der Nettax verwendet werden. Alle Objektive besaßen Außenbajonette, ähnlich wie bei der Contax. Wenn wir bedenken, dass bereits im Jahre 1936 die Nettax über mehrere Objektive verfügte, können wir ihren hohen technischen Stand erstermessen. Die Nettax befand sich zwei Jahre im Handel - sie zählt nicht nur zu den seltensten Zeiss-Ikon-Kameras, sondern zu den seltensten Kleinbildkameras überhaupt. Sammlerwert: ca. DM 800,-.
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