← Zurück

Artikel

2004

Kameratechnik

Automatische Entfernungsmessung und Scharfeinstellung: Bei Polaroid hat man das perfekteste System

Polaroid: Messen wie die Fledermaus

Mittels Schall Entfernungen messen, das war eine Idee, die Conrad Biber, ein gebürtiger Züricher der seit 1959 bei Polaroid tätig ist, schon lange Zeit mit sich herumtrug. Das Projekt „Bat-Ray" („Fledermaus-Strahlen") war nicht offiziell genehmigt und der allgewaltige Firmenboss Dr. Land warf Biber buchstäblich zur Türe hinaus, als er ihm 1967 den ersten Prototyp vorführte.
Biber, seinem Namen in puncto Fleiß und Beharrlichkeit alle Ehre machend, ließ nicht locker und wagte einen zweiten Versuch. 1976 wurde das System genehmigt, seit einem Jahr wird es in Serie produziert.
So wie Fledermäuse unhörbare, spitze Schreie ausstoßen und mit ihrem komplizierten Hörsystem den Schallreflex empfangen, der von einem Hindernis reflektiert wird, arbeitet auch das Sonar-System in den Polaroid-Kameras. „Sonar” steht für „SOund NAvigation and Rangefinding-System”. Die Kamera sendet durch die wabenförmige Schallöffnung einen hochfrequenten Ultraschallimpuls aus, der vom Objekt reflektiert wird. Die Elektronik „horcht” dann, wann der Schall wieder am Empfänger eintritt und berechnet die Laufzeit. Diese wiederum ist Grundlage für die Anweisung der Elektronik an den Stellmotor am Objektiv. Der ganze Vorgang läuft innerhalb von wenigen Tausenstelsekunden ab. Der Impulston ist so hoch, dass er weder von Mensch noch von Tier wahrgenommen werden kann. Böse Zungen, die behaupten, dass Hunde den Pfeifton als schmerzhaft empfinden und aufjaulen, entbehren jeder Grundlage! Ganz abgesehen davon, dass die Signale nur bis zu einer maximalen Entfernung von ca. 10 Metern wirksam sind, was aber zur Scharfeinstellung ausreichend ist.

Funktionsablauf der Polaroid-Sonar-Fokussierautomatik

Nach der Betätigung des Auslöseknopfes läuft ein komplizierter Elektronik-Prozess ab: zunächst erzeugt ein elektroakustischer Messwertwandler das Ultraschallsignal (ca. 50 - 60 kHz), das mit einem Abstrahlwinkel von ca. 15 Grad ausgesendet wird. Zur gleichen Zeit liefert ein Taktgeber Impulse an einen Speicher, der 128 quartzgesteuerte Positionen enthält. Sie stellen den messbaren Entfernungsbereich dar. Der Taktgeber stoppt, sobald das vom Motiv reflektierte Ultraschallecho empfangen wird. Die von der Elektronik gezählten Stufentakte werden über Digital- und Analogschaltkreise zu einem Steuerbefehl umfunktioniert, der Motor-Stromkreis schließt sich und der Stellmotor läuft bis zur vorprogrammierten Stelle. Erst wenn der Servomotor die Frontlinse des Objektives in die endgültige Position gebracht hat und zum Stillstand gekommen ist, öffnet sich der Verschluss zur - wiederum automatisch gesteuerten - Belichtung. Der ganze Vorgang benötigt weniger als 200 Millisekunden.
Der 15-Grad-Messwinkel erfasst etwa zehn Prozent der Bildfläche und liegt exakt in der Bildmitte. Die Auswertung tausender von Fotos zeigte, dass dies für die Mehrzahl aller Aufnahmen die richtige Entfernungseinstellung ergibt. Im Spiegelreflex-Modell SX-70 kann die von der Automatik gefundene Einstellung zudem noch durch den Sucher überprüft werden.
So ganz einfach, wie das alles klingt, ist es allerdings nicht. Eine Unzahl von Faktoren und möglichen Fehlerquellen mussten einkalkuliert werden, um dem System zum Erfolg zu verhelfen. Reflektiert etwa der weiche Pulli eines Modells den Schall genauso wie eine Betonfläche? Wie sieht es bei Witterungseinflüssen aus (Regen, Schnee, Wind, Fremdgeräusche etc.)?
Es gibt allerdings Aufnahmesituationen, bei denen das Sonar-System falsche Werte ermittelt: befindet sich zwischen der Kamera und dem Aufnahmeobjekt eine Glasscheibe, ein Gitter oder ein Maschendraht (Tiere im Zoo!), so stellt die Kamera auf dieses Hindernis scharf ein. Gleiches gilt, wenn der Signalton aus einem bestimmten Winkel auf eine glatte Fläche trifft. In diesem Fall wird er abgelenkt. Um diese Fehler vermeiden zu können, lassen sich beide Sonar-Kameras auch manuell einstellen.

{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}