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Artikel
2004
Der Alexander Borell-Kommentar
Canon AF35M
Ein Scherzo für vier Automatiken
Autofokus-Entfernungsmessung mit Infrarotstrahl, Belichtungsautomatik, Blitzautomatik und dazu noch motorischer Filmtransport - vorwärts und am Filmende wieder zurück in die Patrone. Toll einfach - einfach toll!
In Color Foto 1/80 hat L. A. Mannheim schon über diese neue Wunderkamera von Canon einen technisch ausführlichen Vorausbericht gegeben. Diese Kamera ist es aber wert, drei Monate später einen Praxis-Kommentar zu bekommen. Sie ist nämlich eine Universalkamera, die nur eins nicht kann: unter Wasser fotografieren.
Sie misst das Licht und bildet daraus automatisch die günstigste Zeit/ Blendenkombination, von'/8 Sekunde bei Blende 2,8 bis zur '/500 Sekunde bei Blende 16. Reicht das vorhandene Licht nicht aus, leuchtet es im Sucher rot, dann schaltet man die Blitzautomatik ein. Der Blitz ist natürlich eingebaut, seine Energie reicht von 0,9 bis 5 Meter, was für normale Bedürfnisse voll ausreicht. Diese zwei Automatiken sind bekannt, die dritte ebenfalls, aber nicht in der Art, wie Canon das gelöst hat: die Entfernungseinstellung mittels eines Infrarot-Strahles. Beim Auslösen wird ein solcher Strahl ausgeschickt, er wird vom Motiv reflektiert, und seine „Laufzeit", die präzise gemessen wird, steuert die Entfernungseinstellung. Das hat gegenüber anderen E-Mess-Automatiken, die auf optimalen Kontrast messen, den Vorteil, dass auch völlig kontrastlose Motive richtig angemessen werden, sogar in stockfinsterer Nacht. Es gibt keine andere Kamera, mit der Sie so schnelle Schnappschüsse bei allen Lichtverhältnissen anbringen können. Und damit eröffnet sich auch dem weit fortgeschrittenen Vierobjektive-Fotografen eine ganz neue fotografische Möglichkeit, die mit etwa DM 350,- weniger kostet, als ein fünftes Objektiv.
Sensationell aber scheint mir die vierte Automatik zu sein: der eingebaute Motor, bzw. Winder, der nach jedem Schuss den Film automatisch weiterschaltet. (Und auf Knopfdruck ebenso elektrisch den ganzen Film wieder in seine Patrone rückspult!)
Wie klein diese Kamera ist, sehen Sie auf dem Foto, sie wiegt nur ca. 400 Gramm mit den beiden Batterien, Standard-Batterien, die es inzwischen überall auf der Welt gibt. Und da fragte ich mich: warum kann dies alles nicht endlich auch eine normale SLR-Kamera? Und damit sind wir schon wieder beim eigentlichen Praxis-Thema.
Ich halte mich für einen völlig normalen, unverbauten Hobby-Fotografen; viele Jahre Praxis bestätigen mir das immer wieder. Daher gehe ich fast nie fehl in der Annahme, was mir gefällt, was mich freut, das gefällt und freut auch Tausende andere Hobby-Fotografen. Wir freuen uns an guter Technik, wir wollen hin und wieder was Neues, - auch wenn's das Alte noch lange täte, wir sammeln „Ausrüstung" und Möglichkeiten, bis wir soviel davon haben, dass es mit dem Spaß am Fotografieren vorbei ist. Fotografieren wurde zur Arbeit. Dann veranstalten wir eine Renaissance, verkaufen alles und fangen mit einem anderen System, endlich dem „richtigen", von vorne an. Und allen denjenigen, denen es so geht, wird es auch mit der Canon AF 35 M so gehen wie mir: man verliebt sich sofort in diese Kamera, man experimentiert mit ihr, man ist überrascht von den technisch so hervorragenden Aufnahmen und man entdeckt die Fotografie ganz neu, eine total unbelastete, vergnügliche Art des Bildermachens. Und man wundert sich - wenn man's vielleicht auch nicht laut ausspricht - wozu man bisher so viele Kameras, Objektive, Blitzgeräte usw. gebraucht hat. Das geht doch alles mit der AF 35 M auch, nur viel leichter, mit oft noch besserem Ergebnis.
Natürlich, ich weiß - Sie stellen am Schärfentiefen-Ring den Bereich ein, in dem Ihre Kinder oder Ihre Tiere spielen - aber mit der AF 35 M geht's schneller und einfacher. Sie können bei Porträts auf Ihr 85er nicht verzichten - gewiss, aber haben Sie in Ihrem Leben nicht schon genug langweilige Portraits fotografiert? Wie wär's jetzt mal mit dem blitzschnellen Schnappschuss eines quicklebendigen Gesichtes? Ich komme mir mit der AF 35 M z. Z. noch vor wie jemand, dem auf einer schwierigen Bergtour der Rucksack abhanden gekommen ist: man steigt so herrlich erleichtert und genießt die Schönheit ringsum.
Zur Zeit? Gewiss, wir werden nicht ausschließlich bei der AF 35 M bleiben, wir holen uns später wieder unsere Möglichkeiten. Aber auch dann noch werden wir hin und wieder zu unserer AF 35 M greifen und mit ihr Aufnahmen machen, die wir anders kaum auf den Film kriegen würden.
Und schließlich können wir sie jemandem schenken, den wir gern mögen und der bisher Angst vor dem Fotografieren hatte, wenn er von ASA-Zahlen, Schärfentiefe, Brennweite, Bildwinkel und Schnittbildentfernungsmesser hörte. Und diese Menschen - inzwischen selber Hobby-Fotografen geworden - verstehen dann auch nach einiger Zeit, warum wir nun wieder ganz unbedingt einen 400er-Achromaten brauchen. Die englische Bedienungsanleitung zur AF 35 M ist übersichtlich, knapp und ab 6 Jahren aufwärts jedermann verständlich. Hoffentlich wird das im Deutschen nicht verschlimmbessert.
Und noch etwas ist ganz sicher: Niemand wird zur AF 35 M ein „Kamerabuch" schreiben, weil man keines dazu braucht.
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