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Alexander Borell Kommentar

Contax 137 MD Quartz

Der Superlativ von Yashica

Das Eigenschaftswort "schön" heißt im Komparativ "schöner", und "am schönsten" ist der Superlativ. Ich halte die Contax 137 MD Quartz für die schönste Kamera, die ich je in den Händen hielt. Dabei verstehe ich schön nicht nur als Qualitätsbegriff für die Yashica-Designer, sondern zu "schön" gehört für mich auch technische Perfektion und wohlüberlegte Handlichkeit.

Einen ersten Schritt, alle Kameras mit Schnellschalthebel museumsreif zu machen, hat Konica mit der FS-1 getan. Yashica ging noch einen Schritt weiter: diese Contax 137 hat alles, was sich ein Fotograf - sei er es aus Hobby oder beruflich - wünscht. Erstaunlich natürlich, wie man in ein fast "normale" Kleinbildkamera Motor und vier Batterien hineingebaut hat, so daß sie kaum größer ist als eine Kamera, der beides fehlt. Noch erstaunlicher, wie man es bei Yashica verstanden hat, genau da hin, wo man es braucht, alles das zu plazieren, was zur Bedienung diese Kamera nötig oder erwünscht ist. Das Relikt aus grauer Vorzeit, de "Schnellschalthebel" - mir schon seit Jahren im wahrsten Sinn de Wortes ein "Dorn" im Auge - nicht mehr benötigt wird, konnte man statt dessen einen Universalhebel dort anbringen, der folgende Funktionen steuert: Batterietest (grünes Licht) Aus- und Einschalter (rotes Licht wenn die Kamera unter Strom steht und - besonders erfreulich an diese Spitzenkamera: AE-Lock, was soviel heißt wie "Festhalten der gemessenen Belichtungszeit". Womit auch bereits geklärt ist, daß es sich bei der Contax 137 um einen Zeitautomaten (Blendenvorwahl!) handelt. Da die neueste Spitzenkamera auf dem Weltmarkt, die Nikon F3, auch "nur" ein Zeitautomat ist, braucht sich die Contax 137 nicht zu schämen, daß sie keine Doppel- oder Mehrfachautomatik besitzt.
In der Mitte dieses Zentralschalters lösen wir aus, sanft wie man das gewöhnt ist, seit es den Namen Contax wieder gibt. Diesmal aber, im Gegensatz zur Contax RTS, gegen Fehlauslösen gesichert. Direkt daneben ein kleinerer Hebel, so recht für den Daumen gemacht, der die Motorfunktionen steuert: Auf "S" gibt das ein Einzelbild, auf "C" schaltet der Motor auf Serie und löst solange ungefähr 2 Bilder pro Sekunde aus, wie man den Auslöser drückt, und auf "ST" wird der Selbstauslöser aktiviert; er blinkt natürlich rot, auf der Kamera und an deren Frontseite.
An einem Schaltrad auf der linken Kameraseite wird die Filmempfindlichkeit eingestellt (ASA 12-3200) und die Belichtungskorrektur über vier Blendenstufen betätigt. Mittels eines Knebels wählt man die "B"-Stellung des Verschlusses sowie "X" für Fremdblitze und "auto", womit die Kamera auf ihre Automatik geschaltet ist.
Das ist eigentlich schon alles, mehr brauchen Sie nicht unbedingt über diese Kamera zu wissen, um mit ihr perfekt fotografieren zu können, und das spricht für sie mehr, als viele Seiten komplizierter Erklärungen (trotzdem ist das umfangreiche Bedienungsheft sehr verständlich abgefaßt).

Selbstverständlich hat die Contax 137 noch mehr, was ein Fotografenherz erfreut.
Da ist vor allem der Sucher, der in seiner sauberen Klarheit ein echter Finder ist, und der zusätzlich noch über die Belichtungszeit (mit roten Leuchtdioden!) ebenso informiert, wie über die gewählte Blende, die Blitzbereitschaft bei Verwendung des Spezialblitzers TS 20, über Unter- und Überbelichtung, sowie über die gemachten Bilder!
Eine Taste am Objektiv schließt die Blende auf den gewählten Arbeitswert (auch das gehört zu einer Spitzenkamera) und schließlich zeigt ein Signal an der Kamerarückwand an, daß der Film transportiert wird, bzw. beim Rückspulen, daß er zu Ende ist. Diese Anzeige ist so raffiniert gelöst, daß sie eigentlich extra erwähnt werden muß: Das einem Telefon-Schauzeichen ähnliche Anzeigensignal wird nicht direkt mechanisch betätigt, sondern kontaktlos durch die magnetisch gemachte Film-Andruckrolle bewegt. öffnet man dann die Rückwand (konventionell durch Hochziehen der Rückspulkurbel) so ist der Filmanfang noch nicht in der Patrone verschwunden. Es gibt noch einen weiteren Blitzkontakt im Kameragehäuse für Fremdblitze, der Contax-Blitz wird über die Kontakte im Sucherschuh vollautomatisch gesteuert, die nötige Blitz-Lichtmenge mißt die Contax 137 über den Reflex des eingelegten Films. Das Belichtungsmeßsystem ist, laut Yashica, "mittenbetont gemittelt" - Gott weiß, was das ist, aber es hat bei mir mit mehreren Filmen in den verschiedensten fotografischen Situationen gestimmt. Mit den Einschränkungen natürlich, die jede Automatik mit sich bringt. Ober den Memory-Lock ist jede manuelle Einstellung möglich. Und noch etwas, was Yashica offensichtlich selber nicht wußte: in der Bedienungsanleitung wird nämlich empfohlen, bei Stativaufnahmen wieder mit der elenden "Augenmuschel" das Sucherokular abzudecken, um den Einfluß von Fremdlicht zu vermeiden. Das ist überflüssig und verwirrt nur. Man mißt bei voller Sonne im Rücken die Zeit, hält sie mit dem Zentralschalter fest und es gibt keinen Fremdlichteinfluß.
Der Meßbereich ist groß, er reicht von Lichtwert 0 bis 18 bei 21 DIN-Film und mit dem Standardobjektiv 1,4. Die gemessenen Belichtungszeiten reichen von 11 (elf) Sekunden bis zur 1/1000 s. Vier normale 1,5-VoltMignon-Batterien sorgen für den nötigen Strom, man braucht nirgendwo noch extra eine kleine Knopfzelle zu installieren. Sie reichen, trotz Motor, Verschluß und Belichtungsmessung und trotz der diversen Illuminationen für ca. 50 Filme aus, mit den NC-Akkus für etwa 30. Wiederaufladbare NC-Akkus sind übrigens nicht nur für sparsame Zeitgenossen gedacht, sie bringen auch noch dann genügend Energie, wenn bei Minustemperaturen die üblichen Alkali-Mangan-Zellen zu streiken beginnen.
Natürlich paßt fast alles bisherige Contax-Zubehör. Ein Wechseln der Sucherscheiben - wie bei der Contax RTS - ist allerdings nicht möglich, das bleibt wohl einem Nachfolger der RTS vorbehalten?!

So ist diese Contax 137 MD Quartz ... ach ja, sie wird natürlich ebenso wie ihre Schwester, die 139 Quartz, von einem schwingenden Quarz in höchster Präzision gesteuert, fast die Traumkamera schlechthin (ich weiß, daß man im Deutschen "Quarz` schreibt, aber sie heißt nun einmal "Quartz", wie ein Mayer auch nicht Meier heißt). Und ich weiß ganz genau, warum ich diesen Superlativ "die Schönste" nicht noch einmal zur "Allerschönsten" gesteigert habe, denn ein paar kleine Härchen sind doch noch in der Suppe, die man aber übersehen kann. 

1 Sie haben sicherlich schon ein Fieberthermometer gesehen: eine Quecksilbersäule zeigt an einer Zahlenskala die Temperatur präzise an. Was würden Sie von einem Thermometer halten, in dem zwar die Meßsäule vorhanden ist, nicht aber die Temperaturgrade? Wäre doch was für das "Musäum" des bayerischen Komik-Philosophen Karl Valentin. Was aber ist an einer Kamera anders, wenn man bei schlechtem Licht zwar Leuchtdioden erkennt, nicht aber die Zahlen der Zeitenskala? Es scheint völlig unmöglich, diese Abstrusität japanischen Kamerakonstrukteuren zu erklären. Mit einer Ausnahme: bei Canon hat man's gewußt und in der A-1 gekonnt.

2 Die Film-Aufwickelspule! Bei der Contax hat sie wenige Schlitze und verhindert das Filmeinspulen eher, als es zu fördern. Schon ohne Handschuhe ist das ein Geduldspiel. Daß es auch anders geht, ist längst bekannt, z. B. bei der Pentax, noch besser bei der Konica FS- 1.

3 Am ersten Tag, bei strahlendem Sonnenschein, schaltete ich unterwegs die Contax 137 ein und ... war entsetzt! Schon kaputt, kein rotes Licht! (Der bayerische Fluch dauerte 38 Sekunden!) Dann ein letzter Blick durch den Sucher: die kleinen Dioden leuchteten! Totale Verwirrung. Bis ich draufkam: man sieht im prallen Sonnenlicht die rote Diode nicht leuchten! Grün -wie z. B. beim Batteriecheck - sieht man, ich hab's ausprobiert. Frage an Yashica: Könnte man das nicht ändern? Wäre doch auch logischer, denn "Grün` bedeutet doch auch in Japan "freie Fahrt`, Rot hingegen Stop. Jedenfalls: Wenn Kameras, die völlig intakt sind, aus sonnigen Ländern künftig zur "Reparatur" eingeschickt werden, weiß Yashica jetzt warum.

4 Die "mittenbetonte, gemittelte" Belichtungsmessung! Einer Kamera, wie dieser wundervollen Contax 137 sollte man eine präzis definierte Messung zugestehen, und wenn das schon nicht so perfekt wie bei der Leica R3 möglich ist (Kostengründe), sollte man sich das System von Nikon einmal näher betrachten.

A propos Kosten: die Contax 137 MD Quartz, mit 1,7er Planar, wird so etwa DM 1000,- kosten. Das ist kein Geld für eine so perfekte Kamera, über die man sich immer wieder neu freut, wenn man sie in die Hand nimmt. Fischen Sie also die paar Härchen aus dieser Suppe, sie schmeckt trotzdem köstlich.

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