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Artikel
2004
Der Alexander Borell-Kommentar
Die neue Kodak Disc - Teil 1
Eine Kamera für uns.
Wieder einmal geht ein interessanter Impuls für die Fotografie von Kodak aus. Mit der Kodak Disc wird ein System angeboten, das den Hobbyfotografen wie auch den Foto-Finishern etwas völlig neues in die Hand gibt. Welche Auswirkungen dieses neue System auf die Hobbyfotografen und auf ihre Bilder hat, beschreibt Alexander Borell in zwei Folgen.
Kurz nach der Vertreibung aus dem Paradies sagte der Liebe Gott zu seinem gelben Leibriesen; indem er zur Erde hinab deutete "Die Kerle da unten können sich überhaupt nichts merken. Dauernd schmieren Sie ihre Erinnerungen an die Wände ihrer Höhlen. Geh' mal hinunter und mach's ihnen leichter." "Yes", sagte Mr. Eastman, nannte sich drunten Kodak und brachte der Menschheit das Fotografieren bei. Und so ist es bis auf den heutigen Tag geblieben.
War's 1888 die erste Kodak mit Rollfilm, statt umständlicher Glasplatten, war's 1963 eine Kassettenkamera, war's 1973 die Pocket-Fotografie: Immer stand die Hilfsbereitschaft des Gelben Riesen mit Gottes Auftrag dahinter: Ihr drückt nur auf den Knopf, alles andere erledigen wir.
So ist eine Welt voller Fotografen entstanden, oder mindestens von Kamerabesitzern, von denen mehr als die Hälfte gar nicht fotografieren mag, am wenigsten mit den Pockets. Das liegt daran, daß manche nicht präzise belichten, manche verwackeln ihre Aufnahmen, einige haben zwischendurch überhaupt keine Bilder auf dem Film und schließlich können welche die Entfernung nicht richtig einstellen. Das muß anders werden, sagten Gott und Kodak, und so schuf man wieder einmal ein völlig neues System: eine neue Kamera, einen neuen Film, eine neue Emulsion und eine neue Labortechnik. Und eins garantiere ich Ihnen: mit der neuen Kodak Disc fotografieren Ihre vierjährigen Zwillinge genausogut, wie Sie.
Letztere Tatsache war der Grund dafür, daß wir uns bei einer Redaktionskonferenz ernsthaft überlegten, ob wir - für eine Elite von Hobby-Fotografen schreibend - diese Disc überhaupt kommentieren sollten, diese Welt-Knips-Kamera.
Wir tun es. Wir tun es nicht, um Kodaks Umsatz zu steigern, sondern weil uns die ersten Discs, mit denen wir fotografieren konnten, so riesigen Spaß gemacht haben und uns so mächtig imponieren.
Bisher fotografierten wir auf einen langen, aufgerollten Film, sei's in Papier gewickelt, in Patrone gespult oder in Pocketkassetten konfektioniert.
Der neue Disc-Film ist - in 15 Einzelnegativen - in eine runde Scheibe eingelassen. Der Filmträger ist stabil und liegt daher - auch dank des kleinen Formats 8 x 10,5 mm - völlig plan.
Die Emulsion (24 DIN) ist, laut Kodak, die schärfste, die es je gab.
Und die ganze Scheibe liegt in einer flachen Kassette, von der man gut fünf Stück in eine Hemdentasche stecken kann, um mit 75 Negativen ausgerüstet zu sein. Was aber wäre die schönste Scheibe, der schärfste Film, wenn er - wie das bei Pocket so häufig geschieht! - von einem Labor verhunzt werden kann?
Dem hat Kodak einen Riegel vor-geschoben, der die Labors, wollen Sie künftig Disc-Jockeys werden, etwa eine Million Mark kostet; für Maschinen nämlich, die zur Weiterbearbeitung der Scheiben nötig sind. Der Vorteil für uns liegt darin, daß die Verarbeitung der Scheiben bis zum fertigen Bild nicht mehr von Menschenhand erfolgen muß. Folglich gibt's keine falsch geschnittenen, zerkratzten oder verwechselten Filme mehr für den Disc-Fotografen. Sie schicken nur Ihre belichtete Scheibe an Ihr Labor und geben die gewünschte Bildgröße an: 9 x 11,5 cm, 10 x 13 cm oder 13 x 18 cm; darunter oder darüber geht nichts.
Es ist rein technisch überzeugend, daß ein solches System bessere Resultate liefern muß, als Pocket.
Und nun zur Kamera
Es ist klar, daß eine Kamera für diese flache Scheibe ebenfalls sehr flach sein kann. Etwa 20 bis 30 mm sind sie dick, diese vier Modelle, die sich nur wenig voneinander unterscheiden, in der Aufnahmeleistung überhaupt nicht.
Man hat mir das Modell 4000 geschickt (links im Titelfoto!) und das dürfte wohl auch der Renner werden, bei einem Preis unter 200 DM. Was kann diese Kamera für Ihr Geld? Sie klappen also die verriegelte Rückwand auf, legen Ihre Disc ein, verriegeln, blicken durch den Sucher und sehen nichts, weil Sie nämlich erst noch einen kleinen Hebel auf der Frontseite der Kamera nach rechts schieben und einrasten lassen müssen. Nun sind Sucher und Objektiv frei, Sie sehen Ihr Motiv in dem vorbildlichen Leuchtrahmensucher und drücken vorn auf den Auslöser. Ist das Licht hell, sehen und hören Sie praktisch gar nichts, nur ein Schnurren deutet an, daß die Aufnahme gemacht und die Scheibe zum nächsten Negativ transportiert ist. Bei schlechtem Licht oder in Innenräumen schaltet sich automatisch der eingebaute Blitz hinzu. Das Zählwerk an der Kamerarückseite setzt Sie in Erstaunen: ehe Sie es sich versehen, haben Sie schon die 15 Aufnahmen verschossen. Das ist es, was Kodak will, aber nach einiger Zeit werden Sie mit der Disc ebenso überlegt auf den Auslöserdrücken, wie Sie das jetzt vermutlich auch tun. Nun werden Sie sich wahrscheinlich ausrechnen, wie viele Batterien das kosten mag: elektronisch das Licht messen, den Verschluß und die Blende steuern (von 1/200 Sekunde bei Blende 6,0 bis 1/100 Sekunde bei Blende 2,8), den Blitz speisen und den Film transportieren - eine ganze Menge Funktionen. Nun, auch das ist neu und überraschend: Kodak verkauft die Disc (mit Ausnahme des billigsten Modells 2000) mit fünf Jahren Garantie auf Kamera u n d Batterie, die Sie gar nicht auswechseln können. Ich frage mich, wann wird uns Kodak auch Batterien für unsere SLR-Kameras verkaufen, die so lange so viel leisten?
Das Modell 6000 hat zusätzlich ... nein, es muß zuerst noch über das Objektiv gesprochen werden. Es ist nämlich ein Objektiv 2,8 aus hochwertigem optischem Glas, mit Fixfokus. Das heißt, es zeichnet von 1,2 Meter bis unendlich alles scharf. Beim Modell 6000 und 8000 können Sie zusätzlich noch eine Linse für den Nahbereich schalten, dann können Sie auch von 0,5 bis 1,2 Meter fotografieren. Und zusätzlich hat das Spitzenmodell 8000 einen Deckel - wodurch es etwas dicker wird, aber dafür haben Sie eine Digital-Uhr mit Wecker drin, damit Sie Ihr Motiv nicht verschlafen.
Und so was soll nicht für die ernsthaften Leser einer ernsthaften Foto-Fachzeitschrift interessant sein? Ich glaube doch. Denn erstens macht die Disc enormes Vergnügen; zweitens wird man sie - weil die einzige wirkliche "Pocket"-Kamera - unbedingt dann in der Tasche haben wollen, wenn die "Große" mit Objektiven mal zu Hause bleibt.
Soviel über System, Kamera und Film. Ich habe einige Scheiben belichtet und werde Ihnen im nächsten Heft - God save Kodak! - zeigen, was aus diesen Disc-Scheiben geworden, bzw. nicht geworden ist.
Mit der Anschaffung einer Kodak-Disc werden Sie wohl noch bis zum Herbst warten müssen; wer Ihnen etwa vorher eine anbieten sollte, schickt Ihre Filme in die USA zur Bearbeitung.
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