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Artikel

2004

Kleinbild-Kompaktkameras

Allzeit bereit

Die Kleinbild-Meßsucherkamera mit vielseitigem Zubehör scheint auszusterben, während Kleinbild-Sucherkameras im Taschenformat einen Boom erleben. Grund genug für uns, zehn dieser "Minis" einmal genauer anzuschauen und ihre Ausstattung zu vergleichen.

Mit der Einführung des Kodak-Disc-Systems dürfte die Epoche der einfachen Pocketkameras wohl zu Ende gehen. Es etabliert sich eine neue Generation der "Überall-dabei-Kameras" auf dem Markt, die überaus bedienungsfreundlich sind und die qualitativ den Ansprüchen für Erinnerungs-Albumbilder durchaus genügen werden. Andererseits wird es auch dieses Kleinstformat nicht mit der Qualität von Kleinbildfilmen aufnehmen können, ganz abgesehen davon, daß bislang weder Schwarzweiß- noch Diamaterial für Disc-Kameras angeboten wird.
So bleibt für Fotografen, die sich einerseits nicht mit Größe, Gewicht (und vielleicht auch Technik) einer KB-Spiegelreflex abmühen, andererseits aber auch nicht auf Qualität und Typenvielfalt des Kleinbildmaterials verzichten wollen, nur der Griff zu einer jener Kleinbild-Sucherkameras, die sie gewichtsmäßig nicht belasten, ihnen aber - gemessen an Gewicht und Größe - bereits einiges an Möglichkeiten bieten können.
In diesem Erfahrungsbericht werden zehn dieser Winzlinge vorgestellt, wobei ausdrücklich zu vermerken ist, daß kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird. Einen Überblick bietet Ihnen das COLOR FOTO SPEZIAL-Heft "Sucher- und Pocketkameras", das im November letzten Jahres erschien und in dem Sie auch alle interessanten technischen Daten der 10 vorgestellten Kameras über-sichtlich aufgelistet finden.
Die - um es noch einmal zu sagen: subjektive - Wahl fiel auf folgende Kamera-Modelle: Agfa compact - Chinon Bellami - Cosina CX-2 - Mamiya U - Minox 35 GT - Olympus XA und XA-2 - Ricoh FF-ls - Rollei 35 SE - Voigtländer Vito C.
Natürlich unterscheiden diese Kameras sich in Größe und Gewicht - ich gehe darauf aber bewußt nicht weiter ein. Ich bin der Meinung, daß Millimeter und Gramm beim Kamerakauf nur dann ins Kalkül gezogen werden sollten, wenn es darum geht, eine umfangreiche Ausrüstung für eine Expedition zum Nanga Parbat oder den Quellen des Nil zusammenzustellen, nicht aber dann, wenn es um Kameras geht, die ohnehin nur ein Drittel oder die Hälfte dessen auf die Waage bringen, was eine normale Spiegelreflexkamera wiegt. So soll zu diesem Thema nur noch erwähnt werden, daß bei keinem der Prüflinge Größe und Gewicht Anlaß dazu geben, die Kamera zuhause zu lassen und aufs Fotografieren zu verzichten.
Wenn es ums Aussehen geht, so ist den Kleinen billig, was den Großen schon lange recht ist: sie präsentieren sich in modischem "Profi-Schwarz". Wer auf die nun fast schon nostalgische Verchromung nicht verzichten möchte, muß (bezogen natürlich auf diese Auswahl) zur Rollei greifen oder zur Mamiya U, die auch in einer ganz chromfarbenen Version angeboten wird.
Während das Objektiv der Rollei durch einen der üblichen Objektivdeckel geschützt wird, den man (wenn man ihn nicht gleich verliert) sicher etliche Male auf dem Objektiv beläßt, wenn man fotografiert und dann die Schuld an den sehr dunklen Dias beim Belichtungsmesser sucht, werden die Objektive der anderen neun Test-Kameras durch ins Gehäuse integrierte Abdeckungen geschützt. Solange diese Abdeckungen geschlossen sind, sind die Kameras ohne Strom, die Auslöser sind gesperrt und verdorbene Bilder sind dadurch folglich nicht zu erwarten.
Es würde zu weit führen an dieser Stelle aufzulisten, wie unterschiedlich diese Objektivabdeckungen ausgefallen sind. Erwähnenswert sind die Ausführungen von Agfa und Olympus. Bei der Agfa wird, stellt man den Zentralschalter auf "ON" der Sucher freigegeben, die Deck-platte vor dem Objektiv schwingt zur Seite und das Objektiv wird motorisch (begleitet von einem surrenden Geräusch) in Aufnahmeposition gefahren. Die Olympus-Lösung scheint deswegen erwähnenswert, weil hier Objektivabdeckung sowie die Abdeckung von Sucherein- und -ausblick kombiniert sind.

So unterschiedlich die Möglichkeiten sie zu schützen ausfielen, so ähnlich sind sich die Objektive: es handelt sich um gemäßigte Weitwinkel mit Brennweiten zwischen 35 mm und 40 mm, die Lichtstärke beträgt 1:2,8, mit Ausnahme der Olympus XA-2, deren Besitzer sich mit einer Lichtstärke von 1:3,5 zufrieden geben muß.
Wenn es Ihnen auch ohne Probleme gelingen wird, jede dieser kleinen Kameras schußbereit zu machen, so sollten Sie bei einigen Modellen zur Bedienungsanleitung greifen, wenn es ans Filmeinlegen geht. Zunächst aber zu den Prüflingen, bei denen das Filmeinlegen noch recht einfach ist. Die Modelle von Chinon, Cosina, Olympus, Ricoh und Voigtländer haben das Prinzip übernommen, das sich schon bei vielen SLRs mehr oder weniger bewährt hat: durch Ziehen an der Rückspulkurbel oder Betätigung eines extra Hebelchens öffnet sich die Kamerarückwand und gibt die Patronenkammer und die Aufwickelspule frei. Wenn Sie Erfahrungen mit Spiegelreflexkameras haben, so kennen Sie die Probleme, die mit den sogenannten Mehrschlitzspulen auftreten können, wenn Sie bisher mit Pockets fotografierten, so werden Sie sie kennenlernen und sich nach der Kassette zurücksehnen. Allerdings: mit ein bißchen Übung und Fingerfertigkeit schwindet dieses Problem bald. In die gleiche Gruppe gehört auch die Mamiya, die aber deshalb gesondert erwähnt wird, weil im Gegensatz zu anderen Kameras die Filmpatrone rechts und die Aufwickelspule links liegt, was auch bei der Agfa und der Rollei der Fall ist und woran man sich gewöhnen muß. Das Filmeinlegen ist bei der Agfa unproblematisch und schnell zu bewerkstelligen, weil der eingebaute Motor
den Filmtransport übernimmt, übrigens auch das Rückspulen. Bei der eben erwähnten Rollei muß zum Filmeinlegen die Rückwand abgenommen werden, was, wie auch bei der Minox, nach Umlegen eines Hebels am Kameraboden möglich ist. Während bei der Minox das Filmeinlegen nun "normal` weitergeht, muß bei der Rollei noch die Filmandruckplatte vom Filmfenster weggeklappt werden. Wer sich nicht an die Anordnung der Patronenkammer und Aufwickelspule bei den Modellen von Agfa, Mamiya und Rollei gewöhnen kann, sollte einmal versuchen, die Kamera beim Filmeinlegen einfach auf den Kopf zu stellen.
Der nächste Schritt ist logischerweise das Einstellen der Filmempfindlichkeit. Unseren Leserinnen möchte ich empfehlen, die Fingernägel erst nach dem Einstellen der Filmempfindlichkeit zu lackieren, denn die Fingernägel werden beim Hantieren mit den kleinen und zum Teil recht schwergängigen Hebelchen und Schräubchen doch strapaziert. Das hat allerdings auch eine gute Seite, denn die Filmempfindlichkeit kann kaum versehentlich verstellt werden. Die untere Grenze der einstellbaren Filmempfindlichkeit liegt bei allen zehn Minis bei 15 DIN, die obere bei 27 DIN mit Ausnahme der Minox und der beiden Olympus-Modelle mit 30 und der Rollei mit 33 DIN. Zu bemängeln ist bei den Kompakt-Kameras von Chinon, Ricoh und Cosina, daß nur jeweils 5 Empfindlichkeiten eingestellt werden können, nämlich 25, 50 bzw. 64, 100, 200 und 400 ASA. Wer bei der Chinon mit Kodachrome 64 fotografieren möchte muß ebenso passen wie diejenigen, die mit der Ricoh oder Cosina Agfa CT 18 einsetzen möchten.
Den Faktor "Filmempfindlichkeit" müssen Sie also bei allen 10 Kameras von Hand einstellen. Wie sieht es aber mit den für eine richtige Belichtung notwendigen Faktoren "Blende" und "Verschlußzeit" aus? Sowohl Zeit als auch Blende vorwählen können Sie bei der Rollei, und zwar die Zeit im Bereich von 1/2 sec bis zur 1/500 sec, die Blende stufenlos von 2,8 bis 22, wobei die Blende aber auch in Drittelstufen rastend eingestellt werden kann. Der Belichtungsabgleich erfolgt über drei LED im Sucher; je eine rote LED signalisiert Über- bzw. Unterbelichtung, eine grüne korrekte Belichtung. Leuchten die beiden roten LED gleichzeitig auf, so ist der Meßbereich des Belichtungsmessers überschritten. Um Zeitautomaten nach Blendenvorwahl handelt es sich bei der Minox und der Olympus XA, wobei die Blendenskala der Minox von 2,8 bis 16 reicht, die der Olympus bis 22. Bei beiden Kameras wird die automatisch gebildete Zeit per Zeigeranzeige im Sucher dargestellt, wobei bei der Olympus alle vollen Zeitstufen in der Skala angegeben sind, bei der Minox nur die "Leitzeiten" 1/30, 1/125 und 1/250 sec. Bei allen anderen Prüflingen erfolgt die  über eine Programmautomatik, die nach Filmempfindlichkeit und Helligkeit die für die richtige Belichtung notwendige Zeit/Blendenkombination steuert und durch LED bzw. auch akustische Signale vor Unterbelichtung warnt, bzw. korrekte Belichtung anzeigt.
Da sich unter den zehn hier vorgestellten Kameras kein Autofokusmodell befindet, muß bei allen die Entfernung von Hand eingestellt werden was nur bei der Olympus XA über einen (Mischbild-)Entfernungsmesser vorgenommen werden kann. Bei allen anderen Modellen muß die Entfernung geschätzt und anhand einer Meterskala bzw. Symbolen eingestellt werden. Das stellte sich bei allen zehn Kameras als problematisch heraus, weil die Objektivringe bzw. die zu verstellenden Rebelchen entsprechend den Ausmaßen der Kameras recht klein ausfielen. Bei der Minox läuft man darüber hinaus bei der Entfernungseinstellung noch Gefahr, ungewollt den Blendenring zu verstellen.
Die Markierung einer "Schnappschuß-Einstellung" auf der Entfernungsskala bieten die Chinon, die Olympus XA-2 und die Ricoh, bei denen diese Einstellung durch (leichtes) Einrasten des Fokussierringes bzw. -schiebers vor versehentlicher Verstellung etwas geschützt ist, sowie die Olympus XA und die Voigtländer sowie das Chrom-Modell der Mamiya.
Daß einige Modelle über eine Feet-Skala verfügen sei nebenbei erwähnt, ist aber nicht wichtig. Wichtig dagegen ist die kürzeste Einstellentfernung, die bei allen zehn Kameras dieses Berichtes zwischen 0,85 und 1 m liegt.
Um Aufnahmen bei kürzester Entfernungseinstellung zu erleichtern, verfügen die Agfa, Cosina, Olympus XA, Rollei und Voigtländer zusätzlich zum Leuchtrahmen über Parallaxenausgleichsmarkierungen im Sucher. Sollten Sie zu schüchtern (oder zu mißtrauisch) sein, um einen Mitmenschen zu bitten, Sie vor dem Eiffelturm abzulichten, so bieten Ihnen die Cosina, Mamiya, Minox, Ricoh sowie beide Olympus-Kameras per Selbstauslöser die Möglichkeit, mit aufs Bild zu kommen. Während bei der Cosina der altbewährte Selbstauslöserhebel während der Vorlaufzeit mit einem leise schnarrenden Geräusch in die Ausgangsstellung zurückkehrt, wird bei den anderen der Ablauf des Selbstauslösers durch LED oder akustische Signale angezeigt. Weitere Extras sind motorischer Filmtransport bei Agfa und durch ansetzbaren Winder bei der Cosina und Belichtungskorrekturtasten bei der Minox und der Olympus XA.
Während Sie mit der Rollei - wenn auch ohne Belichtungsmesser - auch ohne Batterien immerhin noch fotografieren können, geht bei den Konkurrenten ohne Batterien gar nichts. Immerhin bieten aber die Chinon, die Minox und die beiden Olympus-Modelle eine Batteriekontrolle, die Ihnen aber auch nicht viel nützt, wenn Sie keine Ersatzbatterien bei sich haben.
Auch eine - dank geladener Batterien - einwandfrei funktionierende Kamera nützt Ihnen freilich wenig, wenn es dunkel wird - Sie brauchen ein Blitzgerät. Eingebaut ist es in der Mamiya; es springt auf Knopfdruck in Bereitschaftsstellung und lädt sich auf. Herkömmliche Elektronenblitzgeräte lassen sich an der Cosina, Minox, Ricoh und Rollei verwenden, sowie über eine spezielle Blitzschiene an der Agfa; mit Ausnahme der Rollei stehen aber für diese wie auch für die anderen Kameras spezielle Blitzgeräte zur Verfügung, auf die ich allerdings nicht näher eingehen möchte, da leider nicht alle zur Verfügung standen.
Wenn Sie nun als Abschluß dieses Erfahrungsberichtes erwarten, daß ich Ihnen eine Kamera ganz speziell empfehle, so muß ich Sie leider enttäuschen. Alle Kameras haben Vorzüge und keine ist ohne kleine Nachteile, die sich - je nach den Prioritäten, die Sie setzen - als mehr oder weniger gravierend herausstellen werden. Es kommt also auch in diesem Fall bei einer Kaufentscheidung darauf an, was Sie gerne möchten, und worauf Sie leicht verzichten können. Wollen Sie die Entfernung nicht nur schätzen, sondern genau einstellen, so müssen Sie die Olympus XA auf jeden Fall in Erwägung ziehen, wollen sie sich nicht mit einem externen Blitz abgeben, so werden Sie an die Mamiya U denken müssen, wenn Sie notfalls auch ohne Batterien fotografieren wollen, so werden Sie wohl eher zur Rollei greifen und wenn Sie auf motorischen Filmtransport und Aufnahmeserien Wert legen, eben doch zur Agfa. Doch wie gesagt, die Qual der Wahl muß ich Ihnen überlassen.

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