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2004

IN LETZTER MINUTE

Das Beste aus zwei Welten

Interview mit Raymond H. DeMoulin, General Manager Professional Photography Division, Vice-President Eastman Kodak Company

COLOR FOTO: Mr. DeMoulin, Kodak präsentierte auf der photokina als zentrales Thema die neue Photo CD für die digitale Speicherung herkömmlicher 35-mm-Dias oder -Negative. Hier ging es um die Kombination von Silberhalogenid-Fotografie mit der Elektronik. Nur im stillen Kämmerlein wurde als Versuchsmodell eine Rückwand für Nikon-F3 Kameras gezeigt, die es ermöglicht, elektronische Aufnahmen mit einer hohen, bisher nicht erreichten Auflösung zu machen. Warum wurde dieses Kamera-Zubehör, das die elektronische Fotografie mit Spiegelreflexkameras ermöglicht, nicht der breiten Öffentlichkeit gezeigt?

Raymond DeMoulin: Wir wollen die Leute nicht verwirren. Bei dem hier gezeigten Rückteil zur Nikon F3 handelt es sich um ein reines Versuchsmodell, das neben vielen anderen Produkten Kodaks Leistungsfähigkeit in der elektronischen Bilderstellung unterstreichen soll. Es steht weder fest, wann noch ob wir ein solches Gerät auf den Markt bringen werden. Aber mir persönlich erscheint es eine logische Entwicklung. Eine aus-tauschbare Rückwand könnte Hunderttausenden von SLR-Fotografen den Übergang von der chemischen zur elektronischen Fotografie erleichtern. Es würde einer großen Zahl von Fotografen die Möglichkeit bieten, problemlos, je nach den spezifischen Anforderungen, von einem Medium zum anderen zu wechseln.

COLOR FOTO: Heißt das, daß Kodak in Zukunft damit rechnet, daß elektronisch generierte Bilder den chemischen Film in seiner Bedeutung als Bildspeicher zurückdrängen werden?

Raymond DeMoulin: Nein, auf keinen Fall. Abbildungstechnologie im weitesten Sinn ist unser Geschäft (Imaging Business), und wir sehen es als unsere Verpflichtung an, auf allen Gebieten der Bilderstellung, sei es chemische oder elektronische, Produkte zu liefern, die höchsten Ansprüchen gerecht werden. Kodak hat die Sensoren mit der höchsten Auflösung der Welt, also liegt es nahe, diese auch für die Aufzeichnung von Bildern einzusetzen. Ich kann mir auch vorstellen, daß es eines Tages Kameras oder Systeme gibt, die elektronische und chemische Bilder gleichzeitig machen können. In gewisser Weise ist das schon mit unserem Prism-System für Porträtstudios möglich, wenn hier die elektronische Aufnahme auch nur zur Vorbetrachtung der eigentlichen Aufnahme dient.

COLOR FOTO: Die elektronische Fotografie ist in ihrer Auflösung im Vergleich zur Silberfotografie noch relativ begrenzt. Wo sehen sie ihre Vorzüge?

Raymond DeMoulin: Für Aufnahmen in höchster Qualität, bei denen die schnelle Verfügbarkeit nicht im Vordergrund steht, wird noch auf lange Sicht der Film das optimale und preiswerteste Aufzeichnungsmedium bleiben, zumal auch er ständige Verbesserungen erfährt. Für die aktuelle Berichterstattung von großen Ereignissen, von Katastrophen, Kriegen oder auch von Sportveranstaltungen, wenn die Magazine so schnell wie nur möglich ein eindrucksvolles Foto vom Geschehen für den Titel benötigen, kann die Möglichkeit, ein Bild sofort nach der Aufnahme über das Telefonnetz rund um die Welt zu schicken, einen großen Wettbewerbsvorteil bedeuten.

COLOR FOTO: Welche Vorzüge hat es, ein Bild, das bereits als Negativ oder Dia existiert, nun auch noch digital auf der Photo CD aufzubewahren?

Raymond DeMoulin: Hier eröffnen sich nahezu unvorstellbar viele Möglichkeiten. Allein die Bilder höchster Qualität auf dem Bildschirm, an den wir uns alle inzwischen mehr und mehr gewöhnt haben, betrachten zu können, ist schon ein großer Vorteil der Photo CD. Daß ihre große Speicherkapazität diese Qualität auch für zukünftige, bessere Fernsehnormen garantiert ist ein weiterer Pluspunkt. Aber die wirklich interessanten Argumente für den einzelnen Verbraucher liegen in der Kombination von Archivierung und Betrachtung der Bilder. Jeder kann sich seine sonst in der Schublade, in Umschlägen oder Schachteln schlummernden Fotos so zusammenstellen, daß sie sich einfach auch im großen Kreis betrachten lassen.

COLOR FOTO: Durch die hohe Qualität der auf der neuen Kodak Photo CD gespeicherten Bilder wird diese sicher auch in den verschiedenen professionellen Bereichen neue Wege der Bildpräsentation sowie auch der Bildübermittlung und -verarbeitung erschließen?

Raymond DeMoulin: Ein Beispiel für die vielseitigen professionellen Nutzungsmöglichkeiten, wird Kodak selbst zeigen. Wir haben die Rechte, das Archiv der Olympischen Spiele auf Photo CDs zu archivieren. Das wird einerseits die wertvollen, zum Teil alten und gefährdeten Negative sichern. Andererseits wird es uns die Möglichkeit geben, die Geschichte der Olympischen Spiele in eindrucksvoller Form im Foto auf CD darzustellen. Ich kann mir Hunderte von Anwendungen für die Photo CD allein für die Archivierung, die geordnete Zusammenstellung und Darbietung von Fotos in Bildagenturen, Museen oder Forschungsinstituten vorstellen. Bildagenturen können so Tausende von Fotos jederzeit vorführbereit und abrufbar haben. Ich kann mir Photo CD Player vorstellen, wie es sie bei Audio schon gibt, die automatische Plattenwechsler besitzen und mehrere Photo CDs gleichzeitig oder hintereinander verarbeiten können. Stellen Sie sich doch nur einmal die Zeitersparnis für Werbeagenturen vor. Sie können sich jedes gewünschte Motivdetail aus einer riesigen Anzahl von verschiedenen Bildern in kürzester Zeit per Telefon auf den Bildschirm holen und sofort elektronisch kombinieren. Auf diese Weise erhalten sie innerhalb von Stunden ein völlig neues Anzeigenmotiv, wofür sie früher Jahre brauchten.

COLOR FOTO: Wo sehen sie die Grenzen einer jeder elektronischen Fotografie im Gegensatz zu der herkömmlichen?

Raymond DeMoulin: Die Grenzen ergeben sich aus den physikalischen Gesetzen. Sie liegen in der Auflösung. Auch wenn wir immer leistungsstärkere Sensoren bauen, werden wir bei den auf das Siliconplättchen unter-gebrachten Sensoreinheiten in der Miniaturisierung schneller auf physikalische Grenzen stoßen als beim Film.

COLOR FOTO: Trotzdem legt Kodak momentan anscheinend mehr Gewicht auf die Entwicklung der elektronischen als auf die der herkömmlichen Verfahren?

Raymond DeMoulin: Das ist nicht richtig. Kodak wird im nächsten Jahr in Rochester ein neues Werk für die Filmbeschichtung in Betrieb nehmen, das mehrere hundert Millionen Dollar kostet und unserer Meinung nach das modernste der Welt ist. Hier werden alle professionellen Materialien gefertigt werden. Es wird uns erlauben schneller und noch präziser zu fertigen und dadurch sowohl eine Qualitätsstabilisierung als auch eine größere Flexibilität in bezug auf die Nachfrage in den Märkten bringen.

COLOR FOTO: Warum hat Kodak die Photo CD so frühzeitig angekündigt, obwohl sie erst 1992 auf den Markt kommt?

Raymond DeMoulin: Kodak hat einen herausragenden Namen bei den Verbrauchern als Hersteller von Bildaufzeichnungs- oder Verarbeitungsgeräten. Hier haben die Kunden aus Erfahrung Vertrauen zu uns. Wir haben aber keinen Namen als Hersteller von Geräten der Unterhaltungselektronik. Ein Kunde könnte eventuell zögern, einen Photo-Audio-CD Player zu kaufen, auf dem Kodak steht. Deshalb haben wir unseren Standard für die Hersteller der Elektronik-Industrie freigegeben. Sie können bei uns eine Lizenz erhalten, sofern sie unseren Qualitätsstandard garantieren. Ich würde mir wünschen, daß in den zwei Jahren, in denen wir die Markteinführung unseres Photo-CD-Systems vorbereiten, möglichst viele Hersteller die Gelegenheit nützen, eigene Geräte zu entwickeln, die zur Verbreitung des Photo CD-Systems beitragen. Bereits auf dieser photokina hat Kodak einige Möglichkeiten der elektronischen Bilderstellung und -verarbeitung gezeigt. Ich bin davon überzeugt, daß es in zwei Jahren auf der Kölner Messe am Kodak-Stand noch sehr viel mehr geben wird. Sie werden beweisen, daß Kodak die beste "Imaging Company" der Welt ist.

Digitale Bildaufzeichnung für Nikon-F3-Kameras

In Köln zeigte Kodak im Hinterstübchen eine Rückwand für die digitale Stehbildaufzeichnung mit der Nikon F3. Die Rückwand ist kaum größer als ein Databack und verfügt über den höchstauflösenden Sensor der Welt. Der das Format 24x36 Millimeter nahezu ausfüllende CCD-Chip besitzt 1,4 Millionen Pixel. Die Bilder können auf Memory Cards mit S-RAM-Speichern oder auf einer über der Schulter zu tragenden Speicherplatte aufgezeichnet werden. Bedingt durch die hohe Auflösung kann auf einer Memory Card nur jeweils ein Bild gespeichert werden. Der Umhängespeicher kann bis zu 160 Bilder aufnehmen. Er besitzt sogar einen integrierten Monitor, auf dem die Aufnahme mit einer Verzögerung von nur 1,6 Sekunden sofort betrachtet werden kann. Mißlungene Aufnahmen lassen sich durch die Vorbetrachtungsmöglichkeit sofort löschen. Die digitalen Bildinformationen können über Daten- oder Telefonleitungen sofort in alle Welt überspielt werden. Bei dem Rückteil für die Nikon-F3 handelt es sich um ein Versuchsmodell, das sich selbstverständlich auch an alle übrigen SLR-Kameras mit Wechselrückwand adaptieren läßt. Ob oder wann solche Rückteile produziert werden, steht noch nicht fest. Den Wert einer der als Versuchsmodelle gezeigten Rückwände konnte selbst Raymond DeMoulin, Vizepräsident der Eastman Kodak Company, nur schätzen. Er bezifferte ihn auf etwa 250000 Dollar.

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