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Alexander Borell Kommentar

Praktica B 200

Ein preiswerter Alleskönner im Rabauken-Look

Deutlich unter der 500-DM-Grenze ist sie angesiedelt, die B 200 deren fast etwas militärisch wirkendes Design die allgemeine Eintönigkeit unterbricht. Sie ist klar und sauber gegliedert, hervorzuheben ist der Entfernungsmesser, der eine schnelle und eindeutige Scharfeinstellung ermöglicht.

Sie ist eine kleine Kamera, die Betonung auf "klein" (138 x 87x 49 mm), wenngleich sie durch ihren merkwürdigen Belag größer wirkt. Dieser Belag sieht besonders griffig aus, was er aber gar nicht ist. Wahrscheinlich aber halten die kleinen, quadratischen Pölsterchen eine Menge aus und absorbieren heftige Stöße optimal. Versuche in dieser Richtung haben mir das bestätigt: eine harte Berührung mit der Benediktenwand hat der B 200 nichts geschadet, die Zerstörungen am Berg hielten sich in Grenzen. Jedenfalls fällt diese Kamera auf, vor allem in der üblichen Eintönigkeit der anderen Modelle. Beim Blick durch den Sucher - bei mir eigentlich immer die erste Reaktion mit einer neuen Kamera - überrascht dessen Qualität, seine überaus saubere Klarheit. Er steht Kameras, die doppelt soviel kosten, nicht nach. Ebenso ist man von dem überrascht, was man in der Bildmitte nicht übersehen kann: dem Entfernungsmeßsystem. Ein schräger Meßkeil in doppelter Ausführung - er nennt sich "Tripelmeßkeil" - erleichtert schnelles Scharfstellen bei fast allen Motiven mehr, als mit dem sattsam bekannten Schnittbild anderer Kameras. Umgeben ist er zusätzlich von einem Mikroprismen- und einem Mattscheibenring, außerdem kann man auf der ganzen (Fresnel)-Mattscheibe gut einstellen.
Die gewählte Blende ist unter dem Bildfeld eingespiegelt, die Verschlußzeiten - die Praktica B 200 ist ein Zeitautomat! - sind auf einer Skala rechts (!) im Sucherbild ablesbar, wenn... das Licht dazu ausreicht. Beim leichten Druck auf den Auslöser leuchten rote Dioden neben den Verschlußzeiten auf, eine Lösung, die auch bei doppelt so teuren Kameras anzutreffen und auch dort nicht besser ist.
Die Verschlußzeiten reichen innerhalb der Automatik von 8 Sekunden bis zur 1/1000, vom Stativ aus kann man sich aber auf bis zu 40 volle Sekunden verlassen, die nicht nur gemessen, sondern von dem elektronischen, stufenlos arbeitenden Verschluß auch gebildet werden. Damit ist sie einigen Spitzenkameras mit illustren Namen bis zu 40fach überlegen.
Der Auslöser kann mittels Hebel verriegelt werden, und wenn Sie zum ersten Mal auslösen wollen, versuchen Sie, diesen Hebel nach links oder rechts zu schwenken, aber nichts löst aus. Erst wenn Sie den Auslöser mit dem Fingernagel niederdrücken, funktioniert er, was man wissen muß, und was keine gute Lösung ist. Kaufen Sie sich zu dieser Kamera sofort ein kleines, in das Drahtauslöser-Gewinde einschraubbares Verlängerungsstück: nur damit ist ein verwacklungsfreies Auslösen möglich. Hier müßte etwas geändert werden. Das Auslöse-, Verschlußablauf- und Spiegelgeräusch ist nicht samtig leise, sondern hat deutlich einen robusten Sound, wie ja wohl die meisten Dinge, die von "drüben" kommen.

Und nun geht's erst so richtig los: Sie können nicht nur über einen Schieber die eingestellte Blende holen und somit die Schärfentiefe auf der Mattscheibe kontrollieren. Sie können auch den Meßwert speichern! Das wiederum geschieht patent und arbeitsgerecht: Sie drücken den Auslöser an, setzen damit alles unter Strom und sehen die der Blende automatisch zugeordnete Verschlußzeiten-Diode aufleuchten. Tupfen Sie nun einen kleinen Knopf, links vom Sucherprisma, an und bleiben auf dem Auslöser, ist der angezeigte Meßwert solange gespeichert, wie Sie entweder den Auslöser gedrückt halten und Ihre Aufnahme gemacht haben, oder bis Sie den Auslöser loslassen, um evtl. den Meßwert zu ändern. In der Praxis hat sich dies bei mir gut bewährt.
Der "Memory-Knopf` dient zugleich als Batterie-Tester.
Die "DIN"- und "ASA"-Einstellung wird doppelt angezeigt und reicht von 12 bis 36 DIN. Die Belichtungswerte können natürlich auch korrigiert werden, und zwar um zwei volle Stufen nach plus und minus. Dabei rasten auch halbe Stufen ein, was eine feine Differenzierung bei der Belichtung, je nach Geschmack und Projektor, möglich macht. Ein Vorteil, den manche Prominentenkamera nicht aufweist! Das Zeiten-Einstellrad ist bei der Stellung "Automatik" nicht eingerastet, was man sich nicht hätte sparen sollen, aber es kann trotzdem kaum etwas passieren. Stellt man nämlich eine feste Zeit von Hand ein, so blinkt die zugeordnete Diode im Sucher und macht so darauf aufmerksam, daß auf "manuell" eingestellt ist. Ein weiterer Vorzug der von manchen älteren Fotografen hoch geschätzt werden dürfte: es ist mit der B 200 möglich - über einen speziellen Adapter! - auch alte M42-Objektive bei Messung über Arbeitsblende zu verwenden!

Zwei Blitzkontakte, - einer für Kabel, einer im Sucherschuh, - vervollständigen das überaus runde Bild von dieser Kamera, wobei die synchrone Verschlußzeit mit ca. 1/90 Sekunde auch über dem liegt, was andere Kameras da zu bieten haben. Für Batterie-Allergische mag es wichtig sein, daß diese Synchronzeit mechanisch gebildet wird und somit auch dann funktioniert, wenn die im Kameraboden versenkte 6-Volt-Batterie einmal streikt. Der Selbstauslöser summt mechanisch, und daß nirgendwo etwas so kindisch rot blinkt, macht mir die B 200 noch sympathischer. Offenbar hat man sich "drüben" den Blick von japanischem Modefirlefanz noch nicht trüben lassen. Einen Winder wird es zur B 200 geben, ich sah ihn leider ebenso nur auf dem Papier, wie ein vollautomatisches und über die elektrischen Praktica-Kontakte gesteuertes Balgengerät, dessen "Automatik` daher nicht - wie bei Geräten mit dem gleichen Anspruch! - mittels Doppel-Drahtauslöser betätigt werden muß. So ist diese neue Praktica B 200 alles in allem ein Prachtstück, erst recht, wenn man den Preis hört, der mit dem Standardobjektiv 1,8/50 mm das sich ohne Hilfsmittel bis zum Maßstab 1:4 in den Nahbereich hinein einstellen läßt! - bei ca. DM 500,liegen dürfte. Ich kenne z. Z. keine Kamera, mit der soviel nützliche und nahezu perfekte Technik zu solch günstigem Preis angeboten wird.
Was man allerdings dazu wissen muß: es funktionieren voll nur die Praktica-Objektive mit ihren drei elektrischen Kontakten zur Blendensteuerung, und man bekommt keine Fremdobjektive; wenigstens vorerst noch nicht. Immerhin reicht das Originalangebot von 20-mm-Weitwinkel bis zum 300er-Teleobjektiv. Auf ein Zoom-Objektiv muß man also noch verzichten. Das dürfte die einzige Barriere sein, die von der B 200 nicht spielend genommen werden kann. Es ist aber nicht denkbar, daß diese Kamera kein Erfolg wird, und deshalb sollten sich die Berufenen entschließen, in die Reihe ihrer Kameraanschlüsse auch das neue ansonsten dem K-Bajonett sehr ähnlichen - Praktica-Bajonett mit der elektrischen Blendenübertragung aufzunehmen. Oder kommt dazu von drüben etwa ein sächsisches "njet"?

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