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Artikel
2004
PHOTOGRAPHICA AKTUELL
Praktica-Kameras
Schätze vom Flohmarkt
Mit einer Praktica hat so mancher Hobbyfotograf einst seine "Laufbahn" begonnen. Sie war erschwinglich, und durch ihr M42-Gewinde ließen sich viele Objektive verwenden. Einen Platz in der Vitrine haben die Prakticas allemal verdient.
Flohmärkte liebe ich. Damit meine ich nicht die Fotobörsen. Natürlich besuche ich die auch - aber dort fehlt mir das Überraschungsmoment. Daß ich auf einer Fotobörse Kameras, Objektive, Blitzgeräte und jede Menge Kleinteile finde, die mir alle gefallen - und die ich mir meistens nicht leisten kann, setze ich voraus. Anders auf dem ganz normalen Flohmarkt, wie beispielsweise dem vom letzten Wochenende.
Tisch um Tisch wurde begutachtet, und es gab wahrlich viel zu sehen: buntgeblümte Sammeltassen neben dickgerüschten Blusen, schlanke Vasen aus den fünfziger Jahren und sorgsam gebündelte Briefe wildfremder Leute, armlose Puppen und halbblinde Spiegel - aber zunächst nichts, was sich mit dem Thema "Foto" in Verbindung bringen ließe.
Und dann die große Überraschung. Auf einem Tisch liegt eine braune Bereitschaftstasche, aus Leder. Hochheben - es ist noch was drin. Also aufmachen und hineinschauen. Es ist eine Praktica F.X 2 mit einem Carl-Zeiss-Tessar 2/50 mm als Normalobjektiv, die in diesem Moment das Licht des regenverheißenden Himmels über dem Flohmarkt erblickt. Da hat sich der Besuch also doch gelohnt, zumal das schmale Lederröhrchen neben der Bereitschaftstasche ein passendes Bonotar 4,5/105 mm von Feinmess Dresden enthält, eine kleine Lederbox den Kamera-Werkstätten-)Reflexsucher i, preisgibt und in einer unscheinbaren Schachtel schließlich auch noch ein Satz Zwischenringe gefunden wird.
Eine Praktica als Erfolgserlebnis? Aber ja! Praktica-Modelle lassen sich wunderbar sammeln. Die Baureihe der Schraubgewinde-Prakticas ist eingestellt, bietet also ein abgeschlossenes Sammelgebiet. Zugleich ist sie jung genug, so daß sich die ersten Geräte noch auffinden lassen. Es gab viele verschiedene Modelle, was die Möglichkeit einschließt, lange sammeln zu können. Es gibt verschiedene Varianten von Grundmodellen, so daß man sich mit der Materie ausgiebig befassen kann. Und es gibt noch so viele Prakticas, daß eine Hochpreispolitik der Gebrauchtkamerahändler nicht zu befürchten ist - wer wuchert, wird schlicht auf seinem Gerät sitzenbleiben.
Wer beim Sammeln zurück zu den Ursprüngen möchte, kann den Beginn der Ara der Schraubgewinde-Prakticas auf 1948 festlegen - aber auch auf 1938. 1938 kommt die Praktiflex auf den Markt, deren kleines Objektivgewinde mit dem späteren Praktica-Gewinde M42x1 nicht kompatibel ist. Die Kamera mit dem typischen "halbierten Achteck" als rechtem und linkem Gehäuseabschluß erinnert zwar an eine Kamera mit Prismensucher, hat aber "nur" einen Lichtschachtsucher aufzuweisen. Die
Zeiten, die der horizontal ablaufende Gummituchschlitzverschluß zu bieten hat, reichen von 1/500 Sekunde bis 1/25 Sekunde, mit den Zwischenstufen 1/200, 1/100 und 1/50 Sekunde. Wer längere Zeiten braucht, stellt "B" ein. Von der Praktiflex gibt es eine zweite Version, die Praktiflex FX heißt.
Im Jahr 1948 erscheint dann die erste "wirkliche" Praktica, die auch das M42x1-Gewinde für die Wechselobjektive bringt. Auch sie hat einen Lichtschachtsucher und zwingt den Fotografen, den Kopf vor seinem auf der Mattscheibe sichtbaren Motiv zu neigen. Die Zeitenreihe ist nun länger und umfaßt auch 1/10, 1/5 und 1/2 Sekunde - plus "B" natürlich, wenn für Nachtaufnahmen der Schlitzverschluß länger offenbleiben soll.
Auch diese Praktica wird überarbeitet und ab 1950 als "neue" Praktica angeboten. Die nächste Generation trägt die Bezeichnung "FX", was auf die Synchronisation für "F"otoblitze und "X"enonlampen hinweisen soll.
Die Praktica-FX-Generation
Bei der ersten FX, die 1951 auf den Markt kommt, sind für Blitzaufnahmen drei Buchsen vorgesehen; die dritte ist der "Massekontakt". Die überarbeitet neue FX hat nur zwei Buchsen, eine als X-Anschluß und eine als Massekontakt. Ansonsten sind die beiden ersten FX-Modelle gleich. Beide weisen Verschlußzeiten von 1/2 bis 1/500 Sekunde auf, beide haben einen Lichtschachtsucher, der durch ein Umkehrprisma auf seitenrichtige Bildwiedergabe getrimmt werden kann.
Mit dem nächsten Modell erfolgt der Übergang zur Spiegelreflexkamera mit Prismensucher. Die Praktica FX 2 von 1956 fällt durch die abgerundete Form des Lichtschachtsuchers auf, der eine ausklappbare Sucherlupe enthält. Erstmals steht als Zubehör ein Prismensucher zur Verfügung, der aber nicht anstelle des Lichtschachts auf die Kamera gesetzt, sondern in den aufgeklappten Lichtschacht eingeschoben und verriegelt wird.
Das gilt - erinnern wir uns an meinen schönen Flohmarkt-Fund - auch für die EX 2. Der Unterschied zur "punktlosen" Praktica FX 2 liegt im Blitzbereich. Die F.X 2 hat zwei Blitzkontakte, von denen der eine natürlich für X-Blitzgeräte synchronisiert ist, während der zweite ausnahmsweise nicht für F-Blitzlampen, sondern für M-Lampen synchronisiert ist. Auch die FX 3 von 1958, mit der die FX-Serie beendet wird, unterscheidet sich nur in der Blitzausstattung vom Vorgängermodell. Sie weist die X- und FP-Synchronisation auf. Die Unterschiede zu den dann folgenden Prakticas sind größer, denn die neuen Kameras sind bereits mit fest eingebauten Prismensuchern ausgestattet und läuten damit ein neues SLR-Zeitalter ein.
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