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Artikel
2004
SERVICEELEKTRONISCHE FOTOGRAFIE
BILD digital am Ball
Aktualität ist bei der Bild-Zeitung oberstes Gebot. Jede Minute zählt, wenn es um das entscheidende Foto geht. Und hier stechen die Profis mit digitalen Kameras ihre konventionell arbeitenden Konkurrenten aus. Jeder dritte Bild-Fotograf arbeitet deswegen bereits digital. Michael Nischke schildert für COLOR FOTO, wie die Bild-Profis täglich das Rennen gegen die Zeit gewinnen.
Zur Zeit arbeiten von den etwa 100 festen und freien Fotografen der Bild-Zeitung schon 35 mit digitalen Spiegelreflexkameras. Die Anzahl der möglichen Belichtungen richtet sich bei diesen Kameras nach der Speicherkapazität der PC-Speicherkarten und der Bildauflösung. Fünf (bei höchster Auflösung) bis 95 Aufnahmen (bei Rohdaten) lassen sich auf diesem "Filmersatz" festhalten. "Man muß nicht mehr bei Bild 36 den Film wechseln", bemerkt Sigi Kiener, ausgerüstet mit der Nikon AP 2000 und ständig auf Achse, um Aktuelles, Politik oder Konzerte im Nu bildlich in die Redaktion zu verfrachten. Bei Bild kommen gleich drei unterschiedliche Systeme zum Einsatz. Sportfotografen schätzen die Kodak DCS 420 und die Nikon AP 2000 vor allem deshalb, weil sich die Brennweite des angesetzten Objektivs durch den konstruktionsbedingten Verlängerungsfaktor entsprechend vergrößert - bei identischer Anfangsöffnung. Fotoprofi Kiener, der die konventionelle Fotografie von der Pike auf gelernt hat, setzt gern das 2.8/300 mm ein. Für redaktionelle Reportagen oder lokale News wird die Nikon E2/E2s/Fujix DS-505/515 bevorzugt, weil bei dieser Konstruktion aufgrund einer speziellen Kondensoroptik mit der effektiv auf dem Objektiv angegebenen Brennweite gearbeitet werden kann. Für Übersichtsaufnahmen stellt man in Hamburg den Fotografen das Sigma 2.8/14 mm zur Verfügung, das selbst hei einem Verlängerungsfaktor von 2,6x (hei der DCS 420) noch universell einsetzbar ist.
"Bei der Objektivwahl schneiden die kurzen Brennweiten bezüglich Schärfe und Auflösung schlechter ab. Die Elektronik zeigt das überdeutlich. Für mich ist das 35-mm-Objektiv zusammen mit dem Verlängerungsfaktor das Universalobjektiv", berichtet Kiener. Und die Anschaffung der Canon EOS DCS 3 ist bereits in Aussicht, "weil der Autofokus schneller ist und hei der Motorfunktion mehr Bilder möglich sind", wie aus Hamburg zu erfahren ist.
Bei der Empfindlichkeit wird ein Bereich von ISO 200/24xGRADx bis 1600/33xGRADx(mit Zwischenwerten) abgedeckt. Praktiker Kiener hat die Stones unter erschwerten Bedingungen mit ISO 400/27xGRADx abgelichtet. Bei offener Blende und Belichtungszeiten von 1/x25 oder 1/250 Sekunde war es nicht sehr einfach, den agilen Mick Jagger richtig scharf abzubilden. Von den 300 bis 400 Digitalfotos wurden gerade zehn Prozent letztendlich ausgewählt.
"Ab ISO 800/30xGRADx beginnt es zu rauschen. Super jedoch, daß man von Bild zu Bild die effektive Empfindlichkeit ändern kann. Ich arbeite bei Programmautomatik fast immer mit einer Belichtungskorrektur von +1. Gemessen wird selektiv oder per Spot. Und beim Blitzen ist es besonders heikel. Da muß man sich vor ,roten Augen' und vor Schlagschatten schützen", erklärt der Bild-Fotograf aus der Münchner Redaktion.
Labor und Repro vermischen sich
Fotografen, die eine fundierte Ausbildung genossen haben, kommen mit den neuen Systemen besser zurecht. Grund dafür ist die Forderung nach exakter Belichtung und gekonntem Umgang mit Blitzlicht, um hochwertige Daten in die 15 deutschen Regionalredaktionen und die Zentrale via Telefon übertragen zu können. Zwar besteht die Forderung, zur Zeitersparnis nur Rohdaten ohne Bearbeitung vor Ort zu senden, doch diese sollten selektiert sein und möglichst exakt ausfallen. Bild-Fotografen werden mit Handys (Siemens S 3), PowerBook und einem Modem auf Reisen geschickt. "Die Fotos werden auf dem Bildschirm ausgewählt. Es bleiben meist so zirka zehn Aufnahmen, von denen vielleicht fünf bis sechs, nachdem ich etwas Farbkorrektur vorgenommen habe, per Datenübertragung (extra Freischaltung) in die Redaktion gehen", erläutert Kiener, der mittlerweile über 4000 elektronische Aufnahmen in Farbe "im Kasten" hat. Einige Monate Lehrzeit mußte er investieren, doch jetzt gehen mehr als 90 Prozent seiner Arbeit über den Computerbildschirm.
Die F3 nimmt er als Reserve oder für Redaktionen mit, die nach wie vor konventionelles Material bevorzugen. "Bei extremer Kälte und Feuchtigkeit hatte ich Probleme, ansonsten funktioniert's bestens." Die Daten laufen in der Redaktion über ein Filterprogramm, bevor die Bildredaktion einen Blick auf die Aufnahmen werfen kann. "Das erlaubt uns, aktueller zu sein. Man kann Geschichten bringen, die früher absolut nicht mehr unterzubringen waren. Vor allem können wir exklusive Aufnahmen bringen und sind nicht nur auf Agenturbilder angewiesen", erläutert Carola Kießlich, Chefin des Fotolabors in der Hamburger Redaktionszentrale. Nach und nach werden Vergrößerer gegen Computerbildschirme ausgetauscht. denn ohne eine Bearbeitung im Photoshop-Programm (Schärfen, Gradation, Filterbestimmung usw.) läuft bei den Rohdaten überhaupt nichts. Dann aber reicht die Auflösung für Abbildungen bis 20 x 25 cm, was zirka DIN A4 (vier- bis fünfspaltig) entspricht. Die Aufnahmen werden später mit Hilfe des "Cumulus"-Datenbankprogramms abgelegt. Einzelne Ereignisse schreibt man zudem auf Photo CDs, um auf diese Weise gezielt auf bestimmte Daten schnell und einfacher zurückgreifen zu können. "Ein riesiger Fortschritt", wie Sigi Kiener anmerkt.
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