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Artikel
Sofortbildtechnik
Polaroid SX-70
Alias Aladin
Der Erfinder des neuen und revolutionären Polaroid-Sofortbild-Systems bringt Klarheit in einige geheimnisvolle Eigenschaften der Kamera und Emulsion.
Die nach wie vor konkurrenzfreie Kamera ist eine Spiegelreflex-, die ohne jegliches Dazutun des Fotografen Farbbilder mit sichtbarer Entwicklung bei hellem Licht innerhalb einer Minute herstellt. Die brandneue SX-70 hat in der ganzen Welt großes Aufsehen erregt. Nicht nur die Fachfoto-, sondern alle Zeitschriften und Wochenzeitungen haben darüber berichtet.
SX-70 unterscheidet sich völlig von den bisher gebauten Polaroid-Kameras. Geschlossen sieht sie aus wie ein flacher Kasten im Taschenformat, geöffnet wirkt sie eigenartig wegen der eingebauten Spiegel, die das Bild vom Objektiv auf den Sucher und die Emulsion umlenken.
Die Bedienung ist viel einfacher, als man es sich vorstellen könnte: Motiv im Sucher scharf einstellen, den elektrischen Auslöser drücken. Der Verschluß öffnet sich, 4-10 Sek. danach stößt ein von einem elektrischen Motor betätigter Rollensatz das Bild aus der Kamera: ein trockenes, glänzendes und ... unsichtbares (latentes) Bild. Zunächst ist die Bildoberfläche leicht grün gefärbt, allmählich bleicht dann diese Anfärbung, und das Bild kommt zum Vorschein. Nach knapp einer Minute ist es ausentwickelt. Die Farbqualität ist auch weit besser als die der traditionellen Polaroid-Emulsionen: sattes Grün, warmes Blau, leuchtendes Rot, und das Korn ist ultra fein. Um das Publikum über diese Erfindung von Dr. Land, dem Vorsitzenden der Polaroid-Gesellschaft, umgehend zu informieren, wurde vieles ungenau bzw. unvollständig veröffentlicht. Aus diesem Grund baten wir den Erfinder selbst um Erläuterungen. Dr. Edwin H. Land hat manche Unklarheiten auf einer Pressekonferenz bei der SPSE (Society of Photographic Scientists und Engineers) beseitigt, die in der wissenschaftlichen Zeitschrift derselben Gesellschaft veröffentlicht wurden. Zu betonen ist, daß nicht allein der chemische Vorgang (und das lichtempfindliche Material) revolutionär sind, sondern auch die Kamera zur Auswertung. Daher als erste Frage: Weshalb ist eine zusammenklappbare Kamera gebaut worden? -Schon vorfahren kamen wir auf die Idee, den Strahlengang zwischen Objektiv und Emulsion anstatt geradlinig in Ziehharmonikaform, mit Hilfe von Umlenkspiegeln zu gestalten. Die Vorteile sind eine kompakte Bauart der Kamera und Verwendung eines Objektivs mit längerer Brennweite. Damals sind wir auf zwei Schwierigkeiten gestoßen: 1. Entstehung eines spiegeln, d. h. seitenverkehrten Bildes; 2. entsprechende Anordnung. der Spiegel, um eine wirklich kompakte Form der Kamera zu erreichen. Jetzt sind diese Schwierigkeiten behoben.
- In der Tat wird das Licht nur einmal zur Emulsion hin umgelenkt, zum Sucher aber gut viermal ... Wie erfolgt genauer dieser Strahlengang?
- Die Lichtstrahlen, die das Objektiv durchdringen, werden vom Unterteil des festen Spiegels auf einen waagrechtem Spiegel (dessen Oberfläche, um die Scharfeinstellung zu erleichtern, wie eine Fresnellinse behandelt ist) reflektiert. Sie werden weiter auf das Oberteil desselben festen Spiegels, von dort aus durch eine kleine Öffnung auf einen Hohlspiegel gelenkt und zum Sucher hin reflektiert. Wenn der elektronische Auslöser anstelle des klassischen gedrückt wird, dreht sich der Fresnel-Spiegel und legt sich über den festen Spiegel. Die Lichtstrahlen treffen vom Objektiv auf die normale planverspiegelte Rückseite des Fresnel-Spiegels und werden auf den Polaroid-Film, der waagrecht auf dem Boden der Kamera liegt, reflektiert. Nach der Belichtung schwenkt der Fresnel-Spiegel in seine ursprüngliche Lage zurück, und der elektrische Motor stößt aus der Kamera den oberen, d. h. belichteten Film des Filmpacks.
Das ist gerade einer der unklaren Punkte des Vorgangs: Wie ist es möglich, daß der in der Kamera lichtempfindliche Film völlig unempfindlich wird, sobald er an die Luft kommt, um sich bei hellem Licht selbst zu entwickeln? - Ich muß dazu sagen, daß dies der "abenteuerlichste" Schritt des ganzen Projekts war. In der Tat war das Problem, als wir die Kamera gebaut haben, noch nicht gelöst. Wir haben es uns nur so vorgestellt und dabei den mechanischen Bauplan weitergeführt, während alle Möglichkeiten, dieses Problem chemisch zu lösen, durchdacht wurden! Eine der Lösungen, zu denen wir gekommen sind, besteht in der Verwendung neuer Farbstoffe, die bei hohem pH-Wert beständig und Lichtdicht sind. Wenn der pH-Wert bis zu einem vorbestimmten Wert sinkt, werden diese Farbstoffe sofort lichtdurchlässig. Wird eine solche Farbstoffschicht über den Film gegossen, ist diese Schicht lichtdurchlässig, solange der Film in der Kamera liegt (infolgedessen werden die untenliegenden filmempfindlichen Schichten von dem Licht aus dem Objektiv belichtet). Sobald der Film aus der Kamera kommt, wird diese Farbstoffschicht lichtundurchlässig, da sie von den alkalischen Entwicklersubstanzen berührt wird. Während die chemischen Reaktionen des Entwicklungsvorgangs ablaufen, wird sie allmählich wieder lichtdurchlässig. - Unterscheidet sich der Film von dem früheren Polaroid-Filmmaterial? - Ja, völlig. Der neue Film besteht bei der Belichtung aus 17 Schichten. Die Entwicklung findet nicht außerhalb dieses "Sandwichs", sondern innerhalb statt. Es hat zehn Jahre Arbeit gekostet, um neue 100%-lichtechte Farbstoffe herzustellen. Wie Sie bei der Betrachtung der Bilder sehen werden, fallen die Ergebnisse qualitativ ganz anders aus. Die meisten halten es daher kaum für möglich, daß die neuen Filme eine Weiterentwicklung der früheren sind. In Cambridge z. B. glaubten viele, als sie von den 300 Transistoren in der Kamera gehört haben, das Bild werde durch elektrostatischen und nicht chemischen Vorgang erzeugt.
- In der Tat stimmt es nicht ganz, daß es 300 Transistoren gibt: Der elektronische Stromkreis besteht aus einer Reihe integrierter Stromkreise, die die Funktion von ca. 300 Transistoren erfüllen. Auf jeden Fall ist die Kamera eindeutig das Ergebnis sehr gründlicher Forschungen, um die größte Vielseitigkeit und zur Zeit einfachste Bedienung zu erzielen. Das kann man auch von dem neuen, sehr kompakten Objektiv behaupten. Scharfeingestellt wird durch Verschiebung der Vorderlinse bis auf eine Mindestentfernung von 25 cm. Durch Anbringung einer Vorsatzlinse kann man ein Motiv mit Abbildungsmaßstab 1:1 (Lebensgröße) aufnehmen. Die Batterie, die die elektrischen und elektronischen Stromkreise auflädt, ist in dem Filmpack eingeschlossen und wird nach 10 Aufnahmen weggeworfen. Dadurch sind Wartungs-, Kontroll- und Ersatzprobleme ausgeschaltet.
Dr. Land zieht den Schluß:
Wer dieses neue Fotosystem selbst erprobt, wird wohl mit mir übereinstimmen, daß das Ziel, das wir uns vor 30 Jahren gesteckt haben, erreicht ist: Dem Fotografen zu ermöglichen, das Motiv und die Aufnahme selbst gleichzeitig zu betrachten und alle Hindernisse, die zwischen Fotograf und Fotografie treten, zu beseitigen ... Schließlich besteht die Kunst der Fotografie wortwörtlich darin, Lichtbilder aufzunehmen und nicht anzufertigen ...
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