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Funktionell und preiswert:
Miranda Sensorex II
Unter Fotoamateuren wie auch Profis hat sich - unterstützt durch eine Kameraindustrie, die darauf natürlich sofort reagierte - eine schleichende Unsitte eingebürgert: Man vergleicht jede Kamera mit dem Modell ihrer Klasse, das gerade die Spitze hält. Man versucht festzustellen, was die jeweilige Kamera "auch" kann, ist unzufrieden, wenn sie etwas nicht kann. Kann sie's aber, ist man schon recht zufrieden, fragt gar nicht mehr, wie gut oder - oftmals - schlecht sie's zuwege bringt. Hauptsache, sie kann! Und das ist so ein schrecklicher Unsinn, denn es führt dazu, daß man am Ende vielleicht nicht eine Kamera, kauft, sondern Möglichkeiten Möglichkeiten, die man meist gar nicht braucht.
Erlauben Sie einen Vergleich, der hinkt, wie alle Vergleiche hinken: Man stellt in seinen Anschaffungsüberlegungen auch nicht einen VW neben einen Mercedes. Man vergleicht nicht einmal eine schwere Limousine mit einem sportlichen Donnerbolzen gleicher PS-Zahl. Man überlegt sich - zumindest am Anfang - ganz sachlich, was man an Fahrwerten haben will. Und danach sucht man sich den Wagen aus - in der Preisklasse, die man sich gerade noch leisten kann.
In der Fotografie wird die Preisklasse außer Acht gelassen. Der Käufer tut so, als müsse die Kamera A neben der Kamera B in jeder Hinsicht bestehen können - auch wenn A nur die Hälfte von B kostet. Das gilt insbesondere auf dem Markt der KB-Spiegelreflex-Kameras. Und ist, wie gesagt, völliger Unsinn. Denn am Anfang eines jeden Kamerakaufes muß die Frage stehen: Was will ich mit diesem Werkzeug Kamera tun? Was sind meine Fotothemen, und was brauche ich, um diese Themen unter allen Anforderungen der Praxis mit Sicherheit bewältigen zu können? Erst wenn diese Fragen nüchtern und ganz neutral beantwortet sind, hat es überhaupt Wert, Kameraprospekte vergleichend zu studieren, Kameras wägend in die Hand zu nehmen.
Heute spiegelreflext eine ganze Welt von Fotografen. Fast alle Fotothemen können mit Spiegelreflexkameras bewältigt werden. Und sogar die ganz schnellen Sachen wie die Fotoreportage und die Sportaufnahmen werden heute vorzugsweise mit der KB-Spiegelreflex geschossen. Ursprünglich aber waren sie Themen der Sucherkamera. Die bedächtig-präzise Spiegelreflex der Anfangszeiten war für sie viel zu langsam.
Diese Kamera ist heute fast verschwunden - wenn Sie so wollen: Sie können zwar mit jeder Spitzenkamera der einäugigen Spiegelreflexklasse heute noch genau so bedächtig arbeiten wie einst mit den "Urmodellen", und Sie bekommen auch zu den meisten dieser Kameras alles Zubehör, das Sie dafür brauchen. Gleichzeitig aber kaufen Sie mit diesen Kameras Möglichkeiten, die Sie - wenn Sie bedächtig und präzise arbeiten wollen nie ausnützen werden. Und Sie bezahlen Sie natürlich, was reine Geldverschwendung ist. Außer, es macht Ihnen besonders viel Freude, wenn Sie sagen können, daß Ihre Kamera eben auch dieses oder jenes kann.
Ich habe diese Entwicklung immer ein wenig bedauert, aber ich bin ja auch ein Mann, der keine elektronisch gesteuerte, stufenlos hochjaulende Schlagbohrmaschine braucht, um gelegentlich ein Loch in die Wand zu bohren. Ich bin mit einer einfachen Bohrmaschine zufrieden, die mir ohne die Wand zu verschandeln - genau die Löcher bohrt, die ich haben will. Und ich bin mit einer Kamera zufrieden, die genau die Bilder macht, die ich mir einbilde, die mechanisch und optisch präzis das ausführt, was ich ihr durch die Einstellung vorgebe. Solch eine Kamera ist mir kürzlich zum Testen geschickt worden: Miranda Sensorex II. Und weil ich gar nicht daran denke, diese in sich schöne und höchst funktionelle Kamera einem Test nach modernen Richtlinien zu unterziehen, deshalb mußte ich die lange Vorrede schreiben, mußte gewissermaßen den Boden vorbereiten für die Gesichtspunkte, unter denen ich diese Kamera betrachten will. Denn - um das gleich voranzustellen - vergliche ich diese Kamera mit all dein tollen Möglichkeiten, die die Spitzenprodukte der einäugigen KB-Klasse bieten, dann schnitte sie irgendwo im Mittelfeld ab. Dieses Urteil könnte ich durch die Bemerkung, daß alles einwandfrei und grundgesund gelöst ist, kaum noch abschwächen. Begeben wir uns also gar nicht erst auf diesen, im vorliegenden Fall trügerischen Boden. Fangen wir ganz einfach bei Ihnen und Ihren Wünschen an:
Suchen Sie eine einäugige Spiegelreflex, die genau das tut, was Sie wollen? Und die es so langsam tut, wie Sie es sich überlegen und anschließend einstellen? Suchen Sie eine Kamera, die Sie durch funktionell gutes, langlebig konstruiertes Zubehör für alle Arten echter, bedächtiger Spiegelreflex-Fotografie ausbauen können? Und müssen Sie dabei scharf kalkulieren, damit Sie mit Ihrem Etat - sei es ein Hobby-Etat, sei es der kleine Etat eines Mannes, der gerade anfängt, professionell zu fotografieren - über die Runden kommen? Wenn Sie diese Fragen alle mit "Ja' beantwortet haben, dann schauen Sie sich die Sensorex II bitte einmal genau an. Wohlverstanden, diese Kamera ist ein Werkzeug. Und da sie ein kompliziertes Werkzeug ist, muß man sich mit ihr auseinandersetzen. Dabei leistet sie zunächst ein wenig Widerstand, denn manches ist nicht so elegant gelöst, wie es gelöst sein könnte - bei wesentlich höherem Kostenaufwand. Aber diese Kosten können Sie sich wirklich sparen: Wo Sie bei einer der ganz teuren Kamera vielleicht eine halbe Stunde brauchen, damit jeder Handgriff wirklich sitzt, da brauchen Sie bei der Miranda ungefähr eine Stunde. in dieser extra halben Stunde aber verdienen Sie den höchsten Stundenlohn, den Sie in ihrem Leben je erzielen werden - denn um diese Summe ist die Miranda billiger. Oder besser gesagt - preiswerter, denn billig im konstruktiven Sinn ist an ihr nichts. Sie ist aus gutem Material gefertigt, ihre Mechanik ist gesund und läßt sich schinden, ihre Optik ist vorzüglich, und was sie in Gestalt des TTL-Belichtungsmessers in elektrischer Hinsicht enthält, funktioniert tadellos.
Dieser Belichtungsmesser ist wenn Sie so wollen - das einzige, wirkliche Zugeständnis an die Moderne: Er mißt durch das Objektiv, und er mißt - zonenmäßig auf die unteren, beim Querformat bildwichtigen Teile beschränkt - genau das, was Sie für die Belichtung brauchen. Ober Nachführzeiger im Sucher stellen Sie diesen Belichtungswert ein - fertig.
Der Sucher mit seiner Mattscheibe, dem Feineinstellring und dem Schnittbildentfernungsmesser erlaubt Ihnen punktgenaues Fokussieren mit allen Objektivbrennweiten - vom 4/17 mm Extrem-Weitwinkel zu erschwinglichem Preis bis hinauf zu den längsten Tele-Brennweiten. Denn was Ihnen Miranda selbst vielleicht an Brennweiten nicht bietet, das können Sie sich von anderen Herstellern holen und über Adapter anschließen - eine preisgerechte Lösung werden Sie immer finden.
Wenn Sie eine Schwäche für eines der reizvollsten Spiegelreflex-Gebiete, die Nahaufnahme haben, werden Sie mit allem bedient, was Sie sich wünschen. Sie bekommen nicht nur ein vorzüglich konstruiertes Balgengerät (Focabell A 111) und Zwischenringe mit Automatik-Übertragung. Sie bekommen in Gestalt der Miranda Macron Lens 2,8/52 mm ein Makroobjektiv in Makrotubus und für das Balgengerät ein 3,5/ 135 mm in kurzer Fassung. Beide Objektive sind mit einer Viel-Lamellen-Blende ausgestattet, die statt des üblichen, fünfzackigen Sterns eine nahezu kreisrunde und dadurch für Nahaufnahmen besonders günstige Blendenöffnung ergibt. Der sehr weiche Auslöser minimalisiert Verwacklungsgefahren. Und damit Sie präzis einstellen können, bekommen Sie einen Wechselsucher, der Ihnen bei fünffacher Vergrößerung Sicht über praktisch die gesamte Mattscheibe gewährt und Ihnen - umgeschaltet auf fünfzehnfache Vergrößerung allergenaueste Schärfenkontrolle ermöglicht. Ein zusätzlich verwendbarer Einstellschneckengang und ein Mikroskopadapter, ein Umkehrring und zwei verschiedene Reprogeräte (von denen eines wirklich keine Wünsche mehr offen läßt) vervollständigen in dieser Hinsicht die Ausrüstbarkeit.
Die erwähnten Teile und eine Reihe von Objektiven habe ich durchprobiert. Die Objektive Übertragen das Bild vorzüglich, sind scharf und zeichnen sich vor allem dadurch aus, daß sie keine Gegenlichtempfindlichkeit zeigen. Der Objektivwechsel ist ein wenig umständlich, dafür aber nicht störanfällig, und man bekommt ihn schnell in den Griff. Das Arbeiten mit der Kamera ist problemlos, die Ergebnisse auch von Aufnahmen unter schwierigen Bedingungen sind genau das, was man verdient. Denn bei der Miranda Sensorex II zählt der Mann oder die natürlich gleichberechtigte Dame hinter der Kamera. Und darin liegt auch der letzte, wichtige Punkt: Die Sensorex II macht nimmt man sie das erste Mal in die Hand - einen sehr langsamen Eindruck. Dieser Eindruck stimmt nicht: Die Kamera ist genau so schnell oder so langsam, wie derjenige, der sie bedient, wirklich fotografieren kann. Denn sie ist ein gutes Werkzeug nicht mehr, vor allem aber auch nicht weniger.
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