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Spiegelreflex-Praktikum

Minolta SR-T 

Eine Kamera mit bewährtem System

Eine fototechnische Kolumne ist ein Gespräch zwischen Gleichinteressierten. Es hat seinen generellen Fluß, sein grundlegendes Thema. Dabei kommt es immer wieder vor, daß man von einem bereits angeschnittenen Detail abschweift und Dinge diskutiert, die im Augenblick vorrangige Bedeutung haben. Und daß man anschließend zu dem angeschnittenen Thema zurückkehrt, ohne daß der eigentliche Fluß des Gesprächs dadurch unterbrochen worden wäre.
Im Mai-Heft hatten wir ganz allgemein das Thema "Nahaufnahme" aufgegriffen, und ich versprach, wichtiges Zubehör zu diskutieren. Dann aber wurde eine sensationell neue Kamera vorgestellt, die Rollei SLX, und ich war überzeugt, daß Hinweise auf ihre Funktion Sie mehr interessieren würden als Details über Zubehör für Nahaufnahmen. Danach tauchte die Olympus OM-1 auf. Und wieder hatte ich das Gefühl, dieser Kamera Vorrang einräumen und Ihnen wenigstens eine Vorschau geben zu müssen - ganz einfach, weil mir schon lange keine Kamera mehr so viel Freude am Fotografieren bereitet hat wie gerade dieser Taschenzwerg. Der detaillierte Testbericht ist in Vorbereitung - Sie werden nicht mehr lange darauf warten müssen. In diesem Monat aber, das hatte ich mir fest vorgenommen, wollte ich zum Thema "Nahaufnahme" zurückkommen. Und dann stand wieder eine neue Kamera auf meinem Schreibtisch - die Minolta SR-T 303.
Ich weiß, daß viele unter Ihnen verschworene SR-T-Anhänger sind und daß alle anderen sich zumindest einmal sehr intensiv mit diesem System und seinen vielen Vorzügen beschäftigt haben. So gab es gar keine andere Wahl, als auch der SR-T 303 wiederum Vorrang einzuräumen. Aber gleichzeitig sah ich eine Chance besonderer Art: Die Minolta SR-T 101 ist seit Jahren wohlbekannt. Die neue SR-T 303 ist eine konsequente Fortentwicklung der 101, von der sie praktisch alle Eigenschaften und auch das äußere Erscheinungsbild übernimmt, im Detail jedoch liebevolle, praxisgerechte Perfektionierung zeigt. Beschränken wir uns in unserem Gespräch auf ausführliche Besprechung dieser Einzelheiten, streifen wir alles andere nur, um es ins Gedächtnis zurückzurufen, dann können wir das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden: Wir können auf Zubehör für Nahaufnahmen eingehen. Und in dieser Hinsicht bietet gerade das Minolta-System Besonderes. Zunächst jedoch die Kamera:
Die Minolta SR-T 303 ist - wie schon die 101 - eine einäugige Kleinbild-Spiegelreflex im normalen 24 x 36 mm Format mit fest eingebautem Pentaprismensucher. Sie hat einen Schlitzverschluß mit Belichtungszeiten von 1-1/1000 sec und B, der in seinem Ablauf spezialgedämpft ist. Der sehr groß dimensionierte Schwingspiegel verhindert ein Beschneiden des Sucherbildes auch bei langen Telebrennweiten, ist vierfach differentialgelagert, mittels eines speziellen Ablaufgetriebes progressiv beschleunigt und wird am Ende seiner Bewegung von einem federnden Steg abgefangen. Die Belichtungsmessung erfolgt durch das Objektiv über zwei CdS-Fotowiderstände. Zeit, Blende und Filmempfindlichkeit sind dabei ohne mechanische Begrenzung kreuzgekuppelte ASA-Werte von 6 - 6400=9 - 39 DIN können vorgegeben werden.
Verwenden Sie MC-Rokkore mit ihrem vorzüglichen Multi-Coating Belag, die Ihnen in Brennweiten von 2,8/16 mm bis 4,5/300 mm zur Verfügung stehen, so haben Sie den Vorteil der Belichtungsmessung bei offener Blende. Bei anderen Objektiven - auch Objektiven von Fremdherstellern erfolgt die Messung ohne besondere Umschaltung bei Arbeitsblende. Das Besondere dabei ist, daß auch bei hohen Motivkontrasten durch den automatischen Minolta CLC Kontrastausgleich (CLC = Contrast Light Compensator) optimale Meßwerte erzielt werden: Sie können also beruhigten Herzens alte ZugabeRegeln vergessen.
All diese Eigenschaften kennen Sie von der SR-T 101 her. Nehmen Sie nun die 303 zur Hand, so fällt Ihnen sicherlich sofort ein kleiner Buckel vorn am Pentaprismen-Dach auf, der an seiner Unterseite ein kleines Fenster hat. Schauen Sie nun durch den Sucher, so sehen Sie nicht nur - wie gewohnt - am unteren Rand die komplette Verschlußzeitenskala mit U-Zeiger für die eingestellte Zeit, sondern oberhalb des Sucherbildes in einem kleinen Feld auch die eingestellte Blende: Der Buckel am Sucher enthält ein optisches Umlenksystem, mit dem Sie um die Ecke schauen und den Blendenwert vom Einstellring des Objektivs ablesen können. Das funktioniert natürlich nur unter normalen Lichtverhältnissen, also nicht, wenn Sie mit Ihrer Kamera im Dunkeln stehen, ist dann aber ein entscheidender Vorteil - Sie können Zeit und/oder Blende korrigieren, ohne die Kamera vom Auge zu nehmen.
Noch etwas fällt Ihnen beim Blick durch den Sucher sofort auf: Die Einstellscheibe ist anders als bei der SR-T 101. Statt des Mikroprismenfeldes mit Feinmattring zeigt die Mattscheibe der SR-T 303, die natürlich ebenfalls zur Aufhellung mit einer Fresnellinse unterlegt ist, in ihrer Mitte einen Schnittbildindikator von 2,5 mm Durchmesser, der von einem Mikroprismenring von 5,5 mm Durchmesser umgeben ist. Nun kennen Sie ja meine Einstellung - den Schnittbildindikator hätte sich Minolta meinethalben schenken können, denn für die Arbeit mit hochlichtstarken Objektiven und weitoffener Blende sind die Dinger nun einmal nicht genau genug. Doch ich weiß, daß viele Fotografen gerne mit dem Schnittbild arbeiten, und solange man entsprechend abblendet, passiert ja auch nichts. Der umliegende Mikroprismenring dagegen arbeitet vorzüglich - die Schärfe springt einen förmlich an.
Daß man den Synchro-Anschluß geändert hat und bei der SR-T 303 nun statt getrennter FP- und X-Kontakte einen Kontakt mit Wahlschalter bietet, empfinde ich weder als Vor-, noch - da der Schalter gegen unbeabsichtigte Verstellung relativ gut gesichert ist - als Nachteil. Interessant dagegen ist, daß man die Doppelbelichtungssperre jetzt sehr einfach umgehen und gewollte Doppelbelichtungen mit hoher Bildstandgenauigkeit machen kann. Dazu drückt man den Rückspul-Entriegelungsknopf, zieht den Verschluß mittels des Transporthebels erneut auf und fotografiert aufs selbe Stückchen Film. Auch das konnte man zwar schon bei der SR-T 101, doch es war immer ein Risiko dabei: Die Entkoppelung funktionierte nicht hundertprozentig, und ein Festhalten des Rückspulknopfes half auch nicht immer - oft waren die einzelnen Belichtungen nicht genau überlagert. Bei der 303 aber sind sie es mit Zuverlässigkeit.
Übrigens, für alle, die einen kleinen Elektronenblitz direkt an der Kamera verwenden wollen, ist der Sucherschuh mit Mittenkontakt ausgerüstet. Es gibt ja Fälle, wo das nützlich ist.
Damit haben wir eigentlich alles besprochen, was die neue SR-T 303 interessant und ihrer großartigen Vorgängerin, der SR-T 101 überlegen macht. Gegenwärtig sind noch beide Modelle lieferbar, aber der Preisunterschied ist gering, und ich wette darauf, daß die 101 künftig keine große Chancen mehr hat. Wer eine Kamera dieser Preisklasse kauft, der kauft ohnehin mit einem Seitenblick auf das gesamte System. Und da spielt dieser kleine Preisunterschied in Relation zu den unbestreitbaren Vorteilen der Neuen keine Rolle mehr.
Das Gespräch über das System aber wollen wir wenigstens anfangen, auch wenn wir - vielleicht - schon mit der nächsten Folge wieder unterbrochen werden: Selbst für die Nahaufnahme allein gibt es zu den Minolta SR-T Kameras so viel nützliches Zubehör, daß man ohnehin nicht alles in einer Folge besprechen könnte.
Was mir immer besonders gefällt, sind die Kleinigkeiten, die von der Mehrzahl aller Hersteller immer noch vernachlässigt werden und die doch so entscheidend zum Gelingen erster Versuche auf Spezialgebieten beitragen. Wer mit Nahaufnahmen anfängt, will nicht gleich . eine Ausrüstung für mehrere Hundertmarkscheine erwerben. Und so wird er in vielen Fällen zunächst zur Vorsatzlinse greifen, die es ihm erlaubt, mit seinem normalen Objektiv näher als gewöhnlich an das Objekt heranzugehen. Vorsatzlinsen aber - das ist bekannt - beeinträchtigen die Abbildungsqualität. Und darum sind sie im Rahmen des Systems von Minolta auch gar nicht zu bekommen.
Minolta liefert statt dessen Vorsatzachromaten, zweilinsige, chromatisch korrigierte Systeme, die gleich einer Vorsatzlinse vor das Objektiv gesetzt werden. So ein Vorsatzachromat wirkt wie ein Kollimator: Er täuscht dem Objektiv einen Aufnahmeabstand vor, der dem auf der Meterskala angezeigten Wert entspricht. Um mit einem Beispiel zu sprechen: Stellen Sie Ihr 55 mm Normalobjektiv auf unendlich und schrauben Sie den Vorsatzachromaten Nr. 1 in das Filtergewinde, so zeichnet das Objektiv auf 60 cm scharf. Aber es "glaubt`, auf unendlich eingestellt zu sein und somit in seinem besten Korrektionsbereich zu arbeiten. Entsprechend gut bildet es ab.
Vorsatzachromaten gibt es in den Stärken Nr. 0, 1 und 2, wobei sich 1 und 2 sinnvoll in Kombination einsetzen lassen. Und was dabei natürlich von Vorteil ist: Vorsatzachromaten verlangen keinerlei Korrektur der Aufnahmewerte. Eine Belichtungsverlängerung ist nicht erforderlich. Da das Objektiv ja normal mit der Kamera verbunden ist, funktionieren auch alle Übertragungselemente wie gewohnt. Und dabei erhalten Sie Blende für Blende randschärfere Bilder, als Sie sie mit Auszugsverlängerung erzielen könnten.
Darum: Fotografieren Sie mit normalen Fernbereichs-Objektiven im Nahbereich, dann ist es besser einen Vorsatzachromaten vorzusetzen, als den Auszug zu verlängern.
Noch eleganter freilich ist es, wenn Sie mit einem echten Macro-Objektiv arbeiten. Doch darüber bei anderer Gelegenheit.

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