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Artikel
2005
KAMERAS TEST
Sigma SD9
Vielschichtig
Sigmas SD9 ist die erste Digitalkamera mit dem in drei Schichten aufgebauten CMOS-Sensor Foveon X3. Typische Merkmale laut Hersteller: "reine Farben, extreme Schärfe und hervorragende Detailtreue zu einem attraktiven Preis". Löst die Kamera in der Praxis diese Versprechen ein?
Wenn ein Digitalkamera-Hersteller auf eine neue Sensor-Technologie setzt, generiert dies automatisch neue Fragen. Beginnen wir mit der einfachsten von allen, der Frage nach dem Preis. Dieser sei "attraktiv", wie Sigma bislang verlauten ließ. Nachträglich darf man dieser Aussage feines Understatement attestieren: 2000 Euro sind ein waschechter Kampfpreis für das Gehäuse mit Sigma-SA-Bajonett, das Anschluss an sämtliche Wechselobjektive des umfangreichen Sigma-Programms bietet. Alles andere ist ein bisschen komplizierter und mündet in folgende Frage: Wie steht es um die hochgelobten Fähigkeiten des Foveon-Chips, der als Phantom seit einiger Zeit durch den Blätterwald geistert?
CMOS auf drei Etagen
Als Bildsensor verwendet Foveon einen CMOS-Sensor, der im Unterschied zu konventionellen CCD- oder CMOS-Sensoren ähnlich einem Farbfilm aufgebaut ist: Konventionelle Bildwandler liefern immer nur eine Farbinformation pro Pixel (Rot, Grün oder Blau). Die fehlenden Farbwerte müssen aus den benachbarten Pixeln interpoliert werden. Die Pixel des Foveon-Sensors liefern dagegen zu jedem Bildpunkt drei Farbwerte. Ähnlich den Farbschichten eines Films bestehen auch die Foveon-Pixel aus drei hintereinander liegenden Zonen für die drei Grundfarben. So gibt Sigma die Auflösung mit 2268 x 1512 oder 3,43 Millionen "Vollfarben-Pixel" an. Diesen Begriff gebraucht Sigma, weil jedes Pixel seine Entsprechung auf der Rot-, Grün- und Blau-Ebene findet, somit also für jede Farbe empfindlich ist. Multipliziert man nun die 3,43 Millionen Pixel mit den drei Lagen für Rot, Grün und Blau, so kommt man auf 10,29 Millionen "Farbrezeptoren", wie das im SD9-Jargon heißt.
Dies lässt ahnen, dass sich die SD9 nicht in die üblichen Pixelklassen-Schubladen stecken lässt. In der Tat platziert sich die neue Sigma mit einer Auflösung von 1250 Linien-paaren und 39,5 Punkten erstaunlich knapp hinter den 6-Millionen-Pixel-Kameras von Canon (D60), Fujifilm (FinePix Pro S2) und Nikon (D100), die in dieser Disziplin zwischen 1270 und 1370 Linienpaare und maximal 41,5 Punkte verbuchen konnten.
Beim Rauschen bewegt sich die SD9 auf dem Niveau der Nikon D100, erreicht aber nicht die Bestwerte der Canon D60. Erfreulich andererseits, dass sich das Rauschen zwischen den Eckwerten der Empfindlichkeit (100 und 400 ISO) nicht verändert und bei ISO 200 am geringsten ist. Dies lässt den Schluss zu, dass ein effektives Rauschfilter im Hintergrund seinen Dienst verrichtet. Bei der Farbgenauigkeit liegt die SD9 gleichauf mit Nikon und Fuji, bringt also keine spektakuläre Verbesserung: Die meisten Objektfarben (aber eben nicht alle) werden präzise wiedergegeben.
Der CMOS-Sensor der SD9 misst 20,7 x 13,8 cm, was zu einem Bildwinkel-Faktor von 1,7 führt: Aus einem 28-mm-Weitwinkel wird fast eine Normalbrennweite mit rund 48 mm. Erfreulicherweise hat Sigma mit der Zoom-Optik 15-30 mm 1:3.5-4.5 DG aber eine wichtige Trumpfkarte für Weitwinkel-Fans im Ärmel. An der SD9 ergibt sich damit ein effektiver Brennweitenbereich von 25,5 bis 51 mm.
Ein Extralob gebührt Sigma dafür, dass der Spiegelkasten hermetisch abgeschlossen ist - durch ein vergütetes Klarfilter, das versenkt hinter der Bajonettebene sitzt. Wer häufig mit Staubpartikeln auf Bildsensoren zu kämpfen hatte, wird für dieses Detail stehend applaudieren. Sollte der Chip doch einmal gereinigt werden müssen, lässt sich das Filter durch Lösen einer Kreuzschlitzschraube entfernen.
Technik & Ausstattung
Das Gehäuse der SD9 baut auf der analogen SA9 auf und wirkt etwas klobig; auf das klassenübliche aus-klappbare Blitzgerät hat man verzichtet. Nicht verzichten muss der Anwender aber auf ein optional erhältliches TTL-Systemblitzgerät (EF-500 DG Super). Insgesamt präsentiert sich die SD9 ordentlich ausgestattet und leicht zu bedienen. Oben links am Gehäuse findet sich ein Funktionswählrad mit folgenden Rastpositionen: Off, Einzel- und Serienbilder, Selbstauslöser (2 oder 10 s), Spiegelvorauslösung und Belichtungsreihenautomatik mit veränderbaren Stufen.
Zeit-, Blenden- und Programmautomatik mit Shift-Funktion stehen zur Wahl, das manuelle Einstellen von Zeit und Blende ist ebenfalls möglich. Die dazugehörigen Einstellräder finden sich zum einen am Auslöser (Verstellen der Blende), zum anderen oberhalb des Programmwahlschalters (Verstellen der Belichtungszeit). Der vertikal ablaufende Schlitzverschluss erlaubt Belichtungszeiten zwischen 1/6000 s und 15 Sekunden sowie B(ulb). Anzumerken ist dabei, dass die Langzeiten von 1,5 bis 15 Sekunden inklusive "B" nur bei ISO 100 zur Verfügung stehen, während man bei Einstellung auf 200 und 400 ISO mit maximal einer Sekunde vorlieb nehmen muss.
Zum Ermitteln der korrekten Belichtung stehen drei Messverfahren bereit: Mehrfeldmessung in acht Segmenten, mittenbetonte Integralmessung und Selektivmessung mittels Messkreis, der etwa 14 Prozent des Sucherfeldes repräsentiert. Durch Drücken der AEL-Taste lassen sich Messwerte speichern. Direkt daneben findet sich die Plus-Minus-Taste für Belichtungskorrekturen im Bereich von ± 3 Lichtwerten, unveränderlich skaliert in halben Blendenstufen. Daneben besteht die Möglichkeit automatischer Belichtungsreihen, die sich individuell abstufen und bei Bedarf auch mit der Belichtungskorrektur kombinieren lassen. Den Reflexsucher der SD9 bezeichnet Sigma als "Sportsucher"
Das Sucherfeld gliedert sich in eine abgeschattete Außenregion und ein helleres Rechteck im Zentrum, das den eigentlichen Bereich der Bildaufzeichnung kennzeichnet. Dies hat zum einen den Vorteil, dass man ein sich bewegendes Motiv bereits im Sucher sehen kann, bevor es in den Bildrahmen eintritt. Zum anderen können auch Brillenträger das Sucherfeld entspannt überblicken. Allerdings ist das verbliebene Bildfeld recht klein.
Das Autofokus-System der SD9 beschränkt sich auf einen zentral angeordneten Kreuzsensor und lässt sich wahlweise in Einzelbildfunktion mit Schärfepriorität oder mit Schärfenachführung betreiben. Für dezentral angeordnete Motive aktiviert man die Schärfespeicherung durch "halbes" Durchdrücken und Halten des Auslösers. Das AF-System reagiert recht schnell und zuverlässig, ist in seiner Ausstattung den genannten Konkurrenten aber nicht ebenbürtig: Fuji und Nikon bieten fünf kreuzförmig angeordnete Sensoren, Canon drei in horizontaler Ausrichtung, die sich einzeln anwählen lassen.
Ähnlich der Fujifilm FinePix Pro S2 benötigt die Sigma SD9 zwei Batteriesätze - zum einen für die elementaren Kamerafunktionen, zum anderen für die digitale Bildaufzeichnung. Als Kamerabatterien dienen zwei zylinderförmige Lithiumzellen vom Typ CR123A, der andere Teil der Energieversorgung sitzt in einer Halterung im Gehäuseunterteil. Wahlweise lassen sich zwei 3-Volt-Lithiumhlöcke oder vier 1,5-Volt-Standardakkus der Größe Mignon (AA) verwenden.
Bildaufzeichnung
Zur Bildaufzeichnung setzt Sigma bei der SD9 ausschließlich auf das "digitale Negativ" in Form des RAW-Formats. Ohne die dazugehörige Software lassen sich Dateien also nicht öffnen und in Standardformate wie TIFF oder JPEG konvertieren. Im Studio ist dagegen nichts einzuwenden, zumal die Kamera neben USB auch die schnelle FireWire-Schnittstelle für den Online-Betrieb mit dem Rechner besitzt. JPEGs wären dennoch als Zugabe wünschenswert, weil sie universeller zu verwenden sind und weniger Speicherplatz benötigen. Auf eine CompactFlash-Karte mit 128 MB passen nur 16 Bilder im RAW-Format; mit JPEGs wäre ohne weiteres die doppelte oder auch dreifache Anzahl möglich.
Für das Abspeichern einer RAW-Datei benötigte die Kamera in Verbindung mit der beiliegenden CF-Karte von SanDisk (Ultra 128 MB) nur etwa zehn Sekunden, zwei bis drei Sekunden länger mit einer SanDisk-Karte in Standard-Version. Rund zwei Bilder pro Sekunde lassen sich aufnehmen, maximal sechs in Serie bei höchster Auflösung. Sehr erfreulich ist die geringe Auslöseverzögerung von nur 0,4 Sekunden, der Canon EOS D60 vergleichbar. Dies verspricht unbeschwertes Fotografieren.
Nach der Aufnahme
Aufgezeichnete Bilder lassen sich als Vollbild, als Neuner-Tableau und mittels verschiebbarer Bildlupe in fünf Vergrößerungsstufen betrachten. Störende Wartezeiten muss man dabei an keiner Stelle in Kauf nehmen. Schnelles Navigieren innerhalb der aufgezeichneten Bilder wird durch die so genannte Blocksprung-Funktion erleichtert.
Zur Bedienung stehen ein Vierwegschalter und acht weitere Tasten bereit. Dazu gehören die unverzichtbare Papierkorbtaste ebenso wie "OK" und "Cancel", mit denen man Optionen bestätigen oder verwerfen kann. Durch Drücken der Info-Taste lassen sich Aufnahmedaten und ein Histogramm aufrufen, das sogar alle drei Farbkurven anzeigt. Ebenfalls ungewöhnlich ist, dass sich die Bildlupe auch auf das in diesem Fenster angezeigte Mini-Thumbnail anwenden lässt; das angezeigte Histogramm bezieht sich dabei auf den Bildausschnitt. Eine Belichtungswarnfunktion kennzeichnet Spitzlichter durch eine rote Färbung.
Zuschalten lässt sich die Belichtungswarnung im Hauptmenü, das mit insgesamt 19 Punkten überschaubar bestückt ist. Das liegt unter anderem daran, dass der Hersteller bei der SD9 das Einstellen von Farbraum, Farbsättigung, Kontrast oder Schärfung komplett in den RAW-Konverter verlagert hat. Nur ISO-Zahl (100, 200 und 400), Auflösung (Hi, Med, Low) und Weißabgleich werden an der Kamera voreingestellt.
Sieben Menüpunkte kann man im Fenster auf einmal überblicken, andere erreicht man durch Scrollen nach oben oder unten. Praktischerweise wurde als erster Menüpunkt "Kamera-Info" eingesetzt, so dass man nur einen weiteren Tastendruck (OK) benötigt, um in ein Fenster zu gelangen, das über alle wichtigen aktuellen Einstellungen informiert.
Fazit
Karl Stecht
Sigmas SD9 ist eine hochinteressante Digitalkamera zu einem konkurrenzlos günstigen Preis. Dabei macht der erstmals eingesetzte Foveon-Chip deutlich, dass sich Bildqualität nicht nur an dürren Pixelzahlen festmachen lässt. Bei der Ausstattung bleiben vor allem zwei Wünsche offen: JPEGs neben den RAW-Dateien und mehr Sensoren für den Autofokus. Mit dem eingebauten Staubfilter für den Sensor hat Sigma bereits bewiesen, dass Wünsche von Anwendern offenbar ernst genommen werden.
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