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2005
KAMERAS TEST
Traveler DC-4300 - 4-Megapixel-Kamera für 300 Euro
Aldis Versuchung
Längst genießen die Aldi-Computer einen ausgezeichneten Ruf. Nun verkauft der Discounter auch super-günstige Digitalkameras - preiswerte Schnäppchen oder billiger Ramsch?
Kurz vor Weihnachten schlug Aldi zu: Für 299 Euro gab es dort eine 4-Megapixel-Kamera mit 32-MB-Speicherkarte und Ladegerät, die Traveler DC-4300. Nachdem immer mehr Leser etwas über deren Qualität wissen wollten, kauften wir eine solche Kamera und schickten sie in unser Messlabor nach Köln - mit überraschenden Resultaten.
Die Traveler DC-4300 stammt von der Foto-Elektronik-Vertriebs GmbH Supra aus Taiwan. Supra selbst ist - genau wie Medion, der zweite wichtige Aldi-Partner im Computerbereich - unabhängig und betreut neben Aldi noch weitere Kunden. Wie bei Medion gibt es auch einige der Supra-Produkte unter Eigennamen wie Maginon im Handel. Damit sich eine Machtmarke wie Aldi überhaupt auf einen Elektronik-Partner einlässt, muss der eine immense Supportkapazität nachweisen. Bei Supra sind 365 Tage im Jahr zwischen fünf und 60 produktgeschulte Hotline-Spezialisten im Einsatz. Allerdings mochte Supra-Geschäftsführer Hennes nicht präzisieren, wie viele Supporter während der Aldi-Aktion im Einsatz waren und welche Fragen die Kundschaft bevorzugt stellte.
Drei Jahre lang gewährt Aldi Garantie auf sein Gerät. Das heißt in der Realität: Im Schadensfall wird die Traveler in aller Regel ausgetauscht, nur Softwarefehler werden repariert. Deshalb erreicht Supra eine durchschnittliche Schadensregulierungsdauer von knapp einer Woche. Das Gerät muss der Kunde jedoch selbst verschicken, zum Aldi zurück bringen führt, außer direkt nach dem Kauf, kaum zum Erfolg.
Die Hotline ist, wie unsere Tests zeigten, sowohl über die 0180er Nummer als auch über die normale Telefonleitung gut zu erreichen. Dies gilt sogar sonn- und feiertags zwischen 10 und 18 Uhr, und an Wochentagen hören die Supporter erst um 23 Uhr auf.
Probleme beim Start
Das sollten sie auch, denn zumindest an den Weihnachtstagen ging es hoch her. Da packte manch ein Beschenkter seine Traveler erstmals aus, um sich danach zu wundern, warum die handliche Silberkiste den Tannenbaum so unscharf wiedergab. Andere, die ihre Ergebnisse gleich im Netz präsentieren wollten, stellten erstaunt fest, dass sich der Treiber nicht erkennen ließ.
Das zweite Problem ist schnell erklärt: Die beigelegte Treiberscheibe fasst ein Programmpaket zusammen, das auch Photosuite SE und andere Software beinhaltet - sowie die PC-Treiber für Windows 98. Leider weisen weder das Handbuch noch die Scheibe darauf hin, dass für andere Betriebssysteme wie ME, Windows 2000 oder XI' überhaupt keine Installation nötig ist. Das Ergebnis: Manche schickten ihren PC ins Nirwana, indem sie falsche USB-Treiber installierten. Wer einfach die Kamera anschloss und als Laufwerk im Rechner suchte, hatte wohl kaum Probleme.
Das erste Problem der Unschärfe greift tiefer. Auch dem ColorFoto-Testmodell gelang es bei diesigem Winterlicht oder normaler Zimmerbeleuchtung kaum, scharfe Fotos zu schießen. Ob Landschafts-, Porträt-, Nacht- oder Normalmodus - zu häufig fand die Traveler keine Schärfe.
Der Blitz erwies sich trotz seiner guten Anti-Roten-Augen-Funktion oft als zu schwach, und der Kamera fehlt eine 1SO-Automatik. Belässt ein technisch nicht ganz so firmer Fotograf auch bei Innenaufnahmen die Empfindlichkeit auf ISO 100, stellt die Kamera recht lange Belichtungszeiten ein. Bewegte Objekte erscheinen unscharf. Der Supporter (Name ist der Redaktion bekannt) von der Traveler-Hotline schlug vor, Ich die Belichtung heraufzusetzen , aber auf jeden Fall die ISO-Zahl auf 100 zu lassen, da sonst das Bildgrieseln zu stark würde.
Doch weder eine verlängerte noch verkürzte Belichtungszeit brachte Besserung, die Erhöhung der ISO-Zahl dagegen sofort. Schließlich ermöglicht eine höhere Empfindlichkeit kürzere Verschlusszeiten. Zudem sehen die ISO-400-Bilder ganz gut aus.
Zwar tritt das Korn ähnlich hervor wie bei Kleinbildaufnahmen mit hochempfindlichen Materialien, doch das Farbrauschen, das bei anderen Modellen manchmal sehr störend in Erscheinung tritt, hält sich zurück. Störender ist freilich, dass auch bei Standardaufnahmen mit ISO 100 die Kornstruktur nicht ganz verschwindet.
Zwar löste auch die höhere Empfindlichkeit das Problem der verwackelten Aufnahmen nicht, doch bringt ein Wechsel des AE-Modus von "Normal" auf "Active" eine deutliche Verbesserung. Dieser Modus soll laut dem schlampig übersetzten Handbuch schnellere Verschlusszeiten bringen, und tatsächlich gelangen in diesem Modus scharfe Bilder, während der "Creative"-Modus das Ergebnis verschlechterte. Generell steigt die Wackelneigung mit zunehmender Brennweite stark an. Doch ist dies keine Überraschung, da das Zoom in der Telestellung als größte Öffnung nur noch Blende 5 schafft.
Gute Messwerte
Das Testlabor bescheinigte der Traveler eine gute Schärfeleistung von 1030 Linien bei durchschnittlichem Rauschen. Zwar kann die Aldi-Kamera mit einer Top-4-Megapixel-Kamera wie einer Canon Powershot G3 nicht mithalten, doch kostet eine G3 auch mehr als das Dreifache. Ein Vergleich mit den in diesem Heft getesteten 3-Megapixel-Modellen lässt die Traveler dagegen gut aussehen - und belässt ihr zugleich immer noch einen Preisvorteil. Die Bildqualität ist für ein 300-Euro-Modell also absolut in Ordnung. Das Problem ist der Autofokus und die Neigung zu verwackelten Aufnahmen.
Die weiteren inneren Werte der preisgünstigsten 4-Megapixel-Kamera des Marktes können sich sehen lassen. So stehen vier Bildgrößen bei stets gleicher Kompression zur Verfügung. Der Weißabgleich funktioniert auch automatisch gut, ist aber umschaltbar. Die Focustechnik bietet außer Automatik auch Makro und Unendlich, und die Belichtungsmessung kann von Matrix auf Spot umgestellt werden. Veraltet ist hingegen die Speichertechnik. Kein Vergnügen bereitet zudem der kleine 3,7-cm-Monitor, da seine Auflösung eine sichere Motivbeurteilung kaum zulässt.
Ein Lob gilt dem Lieferumfang: Nicht nur eine 32-MB-SD-Card liegt bei, sondern sogar ein Netzteil und ein 4-Akku-Ladegerät sind ab Werk vorhanden; nicht zu vergessen zwei 1800-mAh-Powerakkus.
Fazit
Martin Biebel, Dipl.-Ing. Medientechnik
Unter dem Strich liefert die Aldi-Kamera für 300 Euro ein sehr gutes Bildergebnis. Sie ist besser als manches 3-Megapixel-Modell, kann aber die Bildqualität einer wesentlich teureren Top-4-Megapixel-Kamera nicht erreichen. Die Probleme der Aldi-Kamera sind der zu oft versagende Autofokus und die Neigung zu verwackelten Aufnahmen besonders im Telebereich. Hinzu kommen Einschränkungen in der Praxis durch die langsamen Bildverarbeitungsprozesse und den nur mäßigen Monitor.
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