← Zurück
Artikel
Testlinie in Color Foto-Journal
Alexander Borell über:
Zenza Bronica EC
Während es dem "lieben Augustin" noch durchaus zum Leben reichte, hin und wieder eine Spieldose zu fabrizieren, von deren Erlös zu leben und erst dann die nächste zu bauen, wenn ihm das Geld ausging, leben wir heute im Zeitalter der großen Serien, ohne die Kamerawerke nicht mehr leben können. Und während der liebe Augustin noch Zeit genug fand, seine Arbeit zu prüfen und erst abzuliefern, wenn alles bestens funktionierte, ist man heute dazu übergegangen, diese letzte Prüfung dem Käufer aufzubürden: er wird schon reklamieren, wenn etwas nicht richtig ist. Und aus der Summe der Reklamationen ersieht das Werk, was verbessert werden muß. Im Laufe der Zeit wird das Gerät dann perfekt, und die ersten Käufer zahlen für diese Perfektion. Wer klug ist, kauft heute niemals die ersten Stücke eines neuen Modells oder einer neuen Serie.
Als das erste Modell der Zenza Bronica auftauchte, sprach es sich gar bald herum, daß die junge japanische Zenzi recht anfällig für unser rauhes Klima war und öfters einer Er- und Überholung bedurfte. Auch fand man nicht gleich die richtigen Pflegeeltern.
Inzwischen ist Zeit vergangen, und zugleich mit dem neuen Modell ZENZA BRONICA EC nahmen sich ihrer höchst vermögliche Pflegeeltern an: die Firma Braun. (Nizo!)
Und dieses neue Modell, von allen Kinderkrankheiten glücklich genesen, entpuppte sich bald als nicht nur die teuerste Kamera im Mittelformat 6x6 oder 4,5x 6, sondern auch, - nach meinen Erfahrungen damit - als die technisch vollendetste und leistungsfähigste Kamera in diesem Format.
Rein äußerlich bekommt man mit ihr, besonders bei aufgesetztem TTL - Belichtungsmesser - Sucher, auch das höchste Gewicht an Kamera für sein Geld. Sie ist ein prachtvoller technischer Klotz. Das besondere Merkmal dieser Kamera - nein, sie hat eine Reihe von besonderen Merkmalen, deren wichtigstes mir die Wechselfassung für die Objektive zu sein scheint. Es gibt nämlich drei Möglichkeiten: ein kleines Bajonett für die Brennweiten von 40 (!) bis 200 Millimeter, darin ein Gewinde für einen bis vier Zwischenringe mit Blendenübertragung auf Aufnahmemöglichkeit mit 85 mm Brennweite bis etwa 1:1 - aber auch für Fremdobjektive, an die man ein Gewinde M 57x1 anbringen kann. Diese ganze Einheit, eine Einstellschnecke, kann als dritte Möglichkeit herausgenommen werden. Dann bleibt an der Kamera ein großes Bajonett für die Brennweiten von 300 bis 1.200 Millimeter, wodurch eine absolut stabile Verbindung zwischen Kamera und Riesenobjektiv gewährleistet ist.
Man kann aber auch ein Balgengerät in das große Bajonett derart versenken, daß es, zusammengeschoben, Aufnahmen von unendlich bis, ausgefahren und evtl. mit Zwischenringen, noch den Makrobereich schafft.
Dadurch, daß die Einstellschnecke normalerweise in der Kamera verbleibt, sind die Objektive selber nicht mehr einstellbar und dadurch kurz und leicht.
Ein weiteres Merkmal ist der zweiteilige (!) Rapidspiegel, dessen Oberteil bei der Aufnahme nach oben wegklappt und die Mattscheibe abdeckt, während das Unterteil nach unten weggleitet. Nach der Aufnahme kehren beide sofort in ihre Ausgangsposition zurück. Durch dieses System wird eine überaus weiche und schlagfreie Auslösung ermöglicht, wie ich sie bei anderen Kameras dieses Konstruktionsprinzips noch nicht kennengelernt habe.
Ebenso bemerkenswert ist der elektronisch gesteuerte, vertikal ablaufende Schlitzverschluß, der Zeiten von B über 4 Sekunden bis zur 1/1000 erlaubt. Für Elektronenblitze ist er bis zur 1/60 sek. synchronisiert.
Bemerkenswert an den Magazinen ist nicht deren hinlänglich bekanntes System, sondern die einfache Umstellung von 120er auf ^220er Film durch Drehen an einem Knopf, ohne weitere Manipulationen im Inneren, sowie die Art des Abnehmens von der Kamera. Man drückt nur auf den Abdeckschieber - der zur Aufnahme in einer Kassette an der Rückwand des Magazins verschwindet - und schon gleitet einem das Magazin in die Hand. Selbstverständlich sind die üblichen Sicherungen gegen falsches Abnehmen oder Auslösen eingebaut.
Bemerkenswert ist der einfache Hebel an der rechten Kameraseite, der je nach Stellung Doppelbelichtungen verhindert oder ermöglicht. Und selbstverständlich gibt es auch eine Spiegelarretierung für absolut erschütterungsfreie Langzeitaufnahmen. Bemerkenswert der rasche Filmtransport durch zwei einfache Kurbelumdrehungen bis zum Stop, der selbstarretierende Synchrostecker für jedes Kabel, die Spannungs-Kontrolltaste neben der Kontroll-Lampe.
Daß der Auslöser arretierbar ist, daß es eine Abblendtaste zur Kontrolle der Schärfentiefe und eine praktische Befestigung (und Lösung!) des Umhängeriemens, sowie zwei Stativgewinde gibt, gehört zum hohen Standard dieser Kamera.
Ebenso selbstverständlich gibt es zur ZENZA BRONICA wahlweise vier verschiedene Mattscheiben, die so spielend und schnell zu wechseln sind, daß man weder Werkzeug noch Ingenieurstudium dazu braucht.
Normalerweise wird die "Bronica" mit Lichtschacht und auswechselbarer Sucherlupe geliefert. Der Lichtschacht läßt sich nicht nur mit einem Fingertip öffnen, sondern auch wieder schließen und - abnehmen, wenn man ihn gegen ein anderes Suchersystem austauschen will.
Es ist kein Wunder, wohl aber ein deutliches Zeichen vom Streben nach Qualität und Stabilität, daß das Gehäuse aus nichtrostendem Edelstahl gefertigt ist. Im sorgfältigen Finish übertrifft die Bronica ihre Konkurrenten - im Preis ebenfalls. Aber man muß auch nicht mühsam suchen, wenn man ihre Überlegenheit feststellen will: die offenbart sich nach kurzem Arbeiten mit dieser Kamera von selber.
Wahlweise stehen ein starrer Lichtschacht mit Fünffachlupe, ein Prismensucher mit senkrechtem, und einer mit 300 schrägem Einblick zur Verfügung. Auch einen Handgriff für eine Männerfaust gibt es, kombiniert mit Drahtauslöser.
Ein Kapitel für sich ist der TTL-Lichtmeßaufsatz mit Einblick von oben und einstellbarem Okular. Setzt man ihn, mit einem Handgriff, auf, so schaltet sich der Einstellknopf für die Belichtungszeiten an der Kamera ab. Man stellt jetzt an dem griffigen Handrad des Meßaufsatzes ein, nachdem man ihn vorher auf die verwendete Filmempfindlichkeit programmiert hat. Er mißt integral die Gesamthelligkeit der Mattscheibe, der Zeiger wird auf eine Null-Marke sehr deutlich eingepegelt, und leichte Korrekturen nach oben macht man je nach Motiv fast automatisch.
Man kann bei voller Blendenöffnung mit vorgewählter Blende einstellen, oder auch der Verschlußzeit den Vorrang geben. Der Meßbereich erstreckt sich bei 100 ASA von Lichtwert 4 bis 17, die kameraeigene Verschlußzeit von 4 Sekunden wird allerdings auf 2 Sekunden reduziert, und die DIN-Einstellung reicht von 12 bis 36.
Was schließlich die Objektive betrifft, so stehen derer ein Dutzend zur Verfügung. Es sind Nikkore und Zenzanone, ihre optische Qualität ist der hohen Qualität dieser Superkamera entsprechend. Interessant für Leute, die viel zu blitzen haben, ist das Nikkor 1: 3,5/105 mit Zentralverschluß, eingebautem Selbstauslöser und EI-Blitz-synchronisiert von 1-1/500 Sekunde.
Die Sonnenblenden zu diesen Objektiven sind nicht "irgendwas", sondern genau auf die Objektive abgestimmt, und das Ganze wiegt, mit Standardobjektiv und TTL-Meßsucher runde 2,5 kg. Sie bezahlen für diese Weltspitzenkamera zwar rund tausend Mark mehr, als für einen erstklassigen Farbfernseher, aber was ist ihr Fernseher nach drei Jahren noch wert? Mit der ZENZA BRONICA EC legen Sie Ihr Geld entschieden besser an, und wenn Sie einen vernünftigen Fotohändler haben, können Sie ebenso langsam dran abstottern. Was mir an dieser Kamera nicht gefällt? Ich habe leider nichts gefunden. Aber vielleicht rufen Sie mich gelegentlich an, wenn Sie etwas entdecken, was ernsthaft kritisiert werden sollte.
P.S. Die Objektive aller früheren Modelle passen an das EC-Gehäuse!
{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}