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Artikel

Testlinie in Color Foto Journal

Alexander Borell über:

Carena Computer E

Wenn Sie sich einmal überlegen, daß heute noch ein Auto nicht nur gebaut, sondern auch gekauft wird, das außen links und rechts zwei Trittbretter, dafür innen weniger Raum hat, so wird Ihnen sicherlich klar, daß so etwas nur möglich ist, weil breite Käuferschichten keine eigene Urteilskraft besitzen. Sie sind auf das angewiesen, was geschickte Reklame ihnen suggeriert. in der Fotoindustrie ist das keineswegs anders, obwohl man eigentlich annehmen sollte, daß Käufer von Spiegelreflexkameras und -Systemen engagierter sind, als die Masse der Autokäufer, und daher auch mehr Sachverstand haben sollten. So bahnt sich auch hier längst erkannter Fortschritt in der Praxis nur sehr mühsam an.
Vor zwanzig Jahren leistete Japan konstruktiv und technisch Enormes, und japanische Kameras maßen die Belichtungszeit längst durchs Objektiv, als mir ein namhaftes deutsches Unternehmen noch erklärte, eine derartige Methode könnte niemals präzise arbeiten. Diese Meinung wurde inzwischen zur historischen Lächerlichkeit.
Es kam die Epoche der kleinen Zeigerlein im oder neben dem Sucherbild, die von Anfang an daran krankten, daß man sie bei schlechtem Licht oder einem
dunklen Gegenstand auf der Meßseite nicht mehr ablesen konnte. Das weiß inzwischen jeder, und trotzdem werden selbst allerneueste Kameramodelle beharrlich mit dieser unzulänglichen Meßmethode ausgerüstet. Die erste Ausnahme: Fujica hat die Leuchtdioden entdeckt. Das heißt, die gibt's überall schon längst, nur eben die übrigen Kamerahersteller wissen immer noch nichts davon. Die Zeigermeßwerke sind nichts weiter als Potentiometer, die seit Großvaters Zeiten bekannt sind. Aber Zeiger lassen sich nicht auswuchten: deshalb messen die Kameras, je nachdem, wie man sie hält, auch verschieden. Bei einem der neuesten Modelle, 1973 als Herausforderung angepriesen, steht noch in der Bedienungsanleitung, daß man die Kamera, will man Hochformat, vorher erst zum Messen quer halten muß! Eine weitere Erkenntnis beginnt sich durchzuringen: daß man zwei Handgriffe schneller ausführen kann, als drei. Die Folge dieser Erkenntnis sind Automatikkameras. Die einen Hersteller bauen sie organisch und konsequent von vornherein als Automaten, andere versuchen den Trend zur Automatik mit mehr oder weniger unhandlichen Anbauteilen nachzuliefern.
Und schließlich werden die Meßwerke seit einer halben Generation mit Cadmium-Elementen betrieben, obwohl längst bekannt ist, daß Silizium wesentlich schneller reagiert.
Während die CARENA COMPUTER-E ebenfalls noch einen Zeiger besitzt, der über eine kaum sichtbare Skala im Sucherbild pendelt, arbeitet sie immerhin automatisch und mit einem Siliziumelement.
Das heißt, ein Meßwerk wird durch Andrücken des Auslösers in Betrieb gesetzt, die richtige Belichtungszeit wird blitzschnell durchs Objektiv abgetastet und während des weiteren Durchdrückens des Auslösers elektronisch auf den Schlitzverschluß übertragen.
Diese Methode hat, im Gegensatz zu einer Blendenautomatik, den Nachteil, daß man den Zeiger beobachten muß, um nicht in eine Langzeit zu rutschen und Bewegungsunschärfe zu bekommen. Sie wählen also bei der CARENA die Blende vor, die Verschlußzeit stellt sich blitzschnell und automatisch ein. Sie können allerdings auch die Verschlußzeit vorwählen und mit der Blende nachfahren, bis sich der Zeiger auf der vorgewählten Verschlußzeit einpendelt. Aber damit ist der Sinn dieser Kamera, die schnelle Automatik, beim Teufel.
Und trotzdem unterscheidet sich die CARENA COMPUTER-E in Technik und Konstruktion grundsätzlich von allen anderen Kameras: mit ihr können tatsächlich und ohne Vorbehalt alle M42Objektive bei Erhaltung der Automatik verwendet werden! Und das wird diese Kamera für viele Besitzer von hochwertigen M42-Objektiven zu einem Juwel machen.
Sogar zu einem Juwel mit Raffinessen.
So können Sie z. B. wahlweise mit Offen- oder Arbeitsblende messen. Letzteres müssen Sie sogar, wenn Ihrem M42-Objektiv das kleine Stiftchen für die Blendenautomatik fehlt. Wenn es nicht gerade um die Schärfentiefe geht, stört das nicht, denn Sie brauchen dann ja nicht unbedingt soweit abblenden, daß es im Sucher duster wird.
Verarbeitung, Finish und Handlage dieser Kamera sind ausgezeichnet. Der Verschluß, lobenswerterweise bei 1/125 für Elektronenblitz synchronisiert, ist manuell von 1 bis 1/2000 einstellbar und läuft, vertikal dem heutigen Standard entsprechend, leise ab. Die Automatikeinstellung rastet ohne Verriegelung ebenso, wie jede manuell eingestellte Zeit: man kann sie leicht aus Versehen überdrehen. Da aber der Meßzeiger trotzdem anzeigt, kann man einen ganzen Film versehentlich mit einer 1/2000 schießen, obwohl man glaubt, mit ganz verschiedenen Zeiten gearbeitet zu haben. Das sollte der Hersteller umgehend ändern, zumal das technisch keinen großen Aufwand erfordert.
Viel schwieriger dürfte ein anderer, noch schwerwiegenderer Mißstand zu beheben sein: Das Meßwerk ist unerhört empfindlich gegen Rücklicht durch den Sucher. Bei Sonne im Rücken macht das bei Brillenträgern bereits 1/2 bis 1 Blendenstufe aus. Noch schlimmer wird es bei Nachtaufnahmen, die mit der Automatik bis zu 4 Sekunden belichtet werden können: haben Sie zufällig eine Laterne im Rücken, wird nur 1 Sekunde belichtet.
Ich halte es für zweckmäßig, diese Kamera nur mit einer Augenmuschel und evtl. Korrekturlinse zu verwenden.
Ich kenne z. Z. kaum noch eine Kamera, bei der wir nicht im Prospekt erfahren, das Sucherbild sei "extrem" hell, oder gar "um 50% heller" als bei anderen Kameras. Das ist reiner Schmäh: ich möchte wissen, wieviel heller als bei welcher (!) anderen Kamera. Da vergleichende Werbung in Deutschland verboten ist, sollten die Kamerahersteller ihren Werbeleuten solche unlauteren Vergleiche endlich verbieten, weil kein Mensch ja wirklich vergleichen kann.
Aber: der Sucher der CARENA COMPUTER-E ist hell, das Bild sauber, die Entfernungseinstellung erfolgt über einen deutlichen Mikroprismenspot, und wer das nicht mag, hat darum herum einen feinen Mattscheibenring. Die CARENA ist die einzige Kamera, bei der ich mit dieser Art von Sucher voll einverstanden bin: denn abgesehen davon, daß auch ich noch ein paar sehr schöne, aber nicht lichtstarke, M42-Objektive besitze, sind es vor allem die langen und überlangen Tüten, die mit einer CARENA geradezu wieder Auferstehung feiern, und ab etwa 1:4 helfen weder Prismen noch Schnittbild, weil beides duster wird.
Es gibt CARENA-eigene Objektive, Carenare, die ihrer Preisklasse entsprechen: keine absolute Spitze, aber recht gut. Die CARENA bietet sich geradezu an, mit ihr Fremdobjektive mit dem billigen M42 zu verwenden, z. B. Sigma-Objektive.
Die Rückwand ist abklappbar, das Zählwerk springt auf "0", und das Filmeinlegen ist durchaus konventionell. Eine kleine Film-Merkscheibe unter der Rückspulkurbel ist lieb gedacht, aber ein Fach an der Rückwand, in das man die Packungslasche stecken kann, wäre billiger und praktischer.
Es gibt an der linken Kameraseite zwei Synchronkontakte für JP` und "X", und obendrein einen "heißen` Sucherschuh, also mit Mittenkontakt, dessen Anbringung so wirkt, als sei er hinterher draufgepappt worden. Immerhin erfreulich, daß er nicht fehlt. Ich höre öfters, man brauche ihn doch nicht, ein "ernsthafter" Fotograf arbeite doch ohnehin mit entfesseltem Blitz neben der Kamera. Nun, ich brauche ihn, denn ich arbeite viel mit dem kleinen, sehr leistungsschwachen Blitzlein "Hobby Quick", und das verschafft mir bei vielen Aufnahmen genau die richtige Prise an Schattenaufhellung. (Probieren Sie das mal!) Der Auslöser ist verriegelbar, und damit wird zugleich das Elektrizitätswerk abgeschaltet, worüber sich deutsche Batteriesparer ungewöhnlich freuen, und außerdem können sie den Zustand ihrer Batterie zusätzlich mittels eines roten Knöpfchens testen.
Geladen wird die CARENA mit einer beachtlichen 6 Volt-Batterie von der Rückseite, und einen Selbstauslöser hat sie natürlich auch.
Alles in allem ein sehr brauchbares, solide und sauber gearbeitetes Stück, zu dem ich, verglichen mit anderen derzeit gängigen Modellen, durchaus ja sagen kann. Und nicht nur das: für Liebhaber feiner alter Objektive, oder preiswerter neuer, aber auch von billigen Gelegenheiten, ist sie die Erfüllung aller Wünsche nach moderner Automatik. An meinem Spiegelobjektiv, das keine Blendeneinstellung hat, arbeitet sie geradezu ideal.

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