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Testlinie in Color Foto-Journal

Barnim A. Schultze: Test-Stenogramm

Leica CL

1. Beurteilung der technischen Eigenschaften.

Kompaktheit: Die Leica CL ist nicht die kleinste Kompaktkamera für das Aufnahmeformat 24x 36 mm. Sie ist derzeit aber die einzige Kompaktkamera mit den aufnahmetechnischen Möglichkeiten weitaus größerer Kamerasysteme.

Meßsucher: Die Leica CL ist eine Meßsucher-Kamera. Sie besitzt einen in den Sucher eingespiegelten Entfernungsmesser, der mit allen ansetzbaren Leitz-Wechselobjektiven gekuppelt ist. Die Genauigkeit dieses Meßsystems ist abhängig a) von der mechanischen Präzision; b) von der Größe der Meßbasis; c) von der verwendeten Objektivbrennweite; d) von der Erkennbarkeit des Meßbildes im Meßfeld. a) ist von Konstruktion und Fertigung her gegeben. b) geometrische Basislänge 31,5 mm. Konstruktiv bedingt kleiner als bei Leitz-M-Kameras. Ausreichend für sichere und genaue Messung bei Objektiven bis 90 mm Brennweite (Öffnung 1: 4). c) Meßgenauigkeit bei kurzen und mittleren Brennweiten (28-50 mm) größer als erforderlich. d) zentrales Meßbild, kombinierte Schnittbild- und Mischbildentfernungsmessung, Meßbild hell und ausreichend kontrastiert. Gute Einstellmöglichkeit auch bei schlechter Beleuchtung. Suchervergrößerung: 0,6 x. Ausreichende Abbildungsgröße für Bildkomposition, sehr gute Übersicht bei kurzen Brennweiten (40 mm). Automatischer Parallaxausgleich. Eingespiegelte, klar kontrastierte Leuchtrahmen für 40 und 50 mm Brennweite. Automatische Einspiegelung des Leuchtrahmens für 90 mm Brennweite bei Einsetzen des Objektives. Eingespiegelte Verschlußzeitenskala (oberer Bildrand), eingespiegelter Meßzeiger mit Nullabgleich (rechter Bildrand). Erkennbarkeit der Skalen: Gegen dunklen Hintergrund ausgezeichnet; gegen hellen Himmel ausreichend. Übereinstimmung von Sucher- und Aufnahmebildfeld: Sehr gut. Trotz vieler Informationen helles und ruhiges Sucherbild.

Belichtungsmessung: Klar begrenztes Meßfeld (Meßwinkel siehe unter 1.) gestattet punktgenaue Messung. Selektive Messung bedeutet Entscheidung des Fotografierenden, welcher Bildteil belichtungstechnisch wichtig ist. Richtiges, selektives Messen in der Praxis jedoch leicht erlernbar. Dann aber ist die selektive Meßmethode mit klar begrenztem Meßwinkel die genaueste Art, die Belichtung zu messen. Meßempfindlichkeit: (minimale Empfindlichkeit 1 cd/qm bei Blende 2) ausreichend für praktisch alle Aufnahmefälle (bei Film 21 DIN und Blende 2 wird noch 1/2 sec gemessen). Die hohe Meßempfindlichkeit resultiert aus der Anordung der Meßzelle im Strahlengang des Objektives. Meßzeiger mit Nullabgleich (Einstellung auf mittlere Kerbe). Reagiert schnell, zeigt aber umgekehrt an als sonst üblich: Bei Überbelichtung steht er unterhalb der Kerbe, bei Unterbelichtung darüber. Schönheitsfehler! Aber nur dann unangenehm, wenn man nebenher eine Kamera mit umgekehrter Anzeige verwendet.

Aufnahmesystem: Die Leica CL hat das Wechselbajonett der Leica-M-Serie und das gleiche Auflagemaß (27,8 mm). Die Abtastung der Entfernungsmesser-Steuerkurven der Leitz Objektive erfolgt in gleicher Weise wie beim M-System (Rolle) und allen Leicas mit gekpuppeltem Entfernungsmesser. Summicron-C und Elmar-C haben eine andere Steuerkurve als die übrigen Leitz-Objektive. Dies ist konstruktionsbedingt. Sie lassen sich daher nicht unbedingt (mit gleicher Meßgenauigkeit) in M-Kameras verwenden. Umgekehrt lassen sich aber alle Leitz-Objektive mit Steuerkurve (auch alte Objektive mit Schraubgewinde M 39 durch Anschrauben eines Bajonettringes) mit dem Entfernungsmesser der Leica CL kuppeln. Trotzdem ist die Kompatibilität mit dem übrigen Leitz-M-System nicht vollkommen. Grund:
1. Kompaktheit der Leica CL.
2. Kleine Entfernungsmesserbasis gestattet sichere Entfernungsmessung nur bis 90 mm Brennweite (135 ist theoretisch möglich aber nicht empfehlenswert). 3. Die lichtstarken 50 mm-Objektive (Summilux und Noctilux) lassen Entfernungsmessung nur ohne Gegenlichtblende zu (E-Messerfenster wird durch die Gegenlichtblende verdeckt). Die Spiegelkästen Visoflex I und Visoflex II lassen sich zwar anschließen, auslösen kann man aber dann nur über Doppeldrahtauslöser. Belichtungsmessung ist unmöglich, da der Meßzeiger nicht mehr sichtbar ist (Einspiegelungsfenster wird durch Visoflex verdeckt). Verwendbar aber sind: Neueste Ausführung des Elmarit 1: 2,8/28 mm (mit Spiegelsucher), Elmar 2,8/50, Summicron 1: 2/50 und Tele-Elmarit 1: 2,8/90, außerdem im Sonderfall, über den noch zu sprechen sein wird, Noctilux 1:1,2/50. Dieses Objektiv darf (lt. Leitz) wegen seiner unerhörten Reflexfreiheit ohne Gegenlichtblende benutzt werden. Trotz Einschränkungen, recht vielseitige Systemausbaumöglichkeiten. Stiefkind: Nahaufnahmen. Abbildungsgröße mit 90 mm Objektiv (Einstellung auf 1 m) DIN A 4. Größere Abbildungsmaßstäbe praktisch nur mit Leitz-Stäbchengerät und Elmar 50 mm möglich (siehe Einschränkung Spiegelkasten). Dies muß der Besitzer von Leica-Systemen wissen, denn für ihn bedeutet die Leica CL unter Umständen Fortschritt in seinem Systembaukasten. Trotzdem: Die Leica CL muß als eigenständiges Kamerasystem angesehen werden!

2. Beurteilung der Handhabung 

Trotz Kompaktheit ist die Leica CL "griffsicher". Die Kamera läßt sich sicher in den Händen halten. Ihre kurze Bauform kommt Aufnahmehaltung im Hochformat entgegen. Es spielt dabei keine Rolle, wie man eine Kamera zu halten gewöhnt ist. Daumen und Zeigefinger der linken Hand finden sofort Schnellschalthebel und Auslöser; sie greifen nicht ins "Leere". Der Schnellschalthebel der Testkamera hat einen zu kleinen Leerschaltweg. Da bei angelegtem Schnellschalthebel der Belichtungsmesser automatisch abgeschaltet ist, passiert bei dieser Kamera folgendes: Wenn man nach Filmtransport den Schnellschalthebel zurückspringen läßt, springt er über den Leerschaltweg und schaltet den Belichtungsmesser ab. Leitz sollte sich um diesen Punkt kümmern (wie ich hörte, tut man es bereits). Abhilfe: Leerschaltweg vergrößern und Schwergängigkeit im Leerschaltweg wesentlich erhöhen. Die Objektive sind sehr klein. Das ist begrüßenswert. Weniger gut ist, daß der Blendenring sich nicht deutlich genug in seinem "Feeling" vom Entfernungseinstellring abhebt. Eine Gummi-Armierung für den Blendenring wäre vorteilhaft. Auslösung: Sehr gut. Auslösegeräusch: Leitz-sanft. Auslöseerschütterung: Minimal. Auslösedruck: Könnte etwas geringer sein. Zeiteneinstellring an der Vorderseite der Kamera liegt Im direkten Griffbereich des linken Zeigefingers. Dadurch blitzschnelles Abgleichen des Belichtungsmessers mit der Belichtungszeit möglich (alle Zwischenzeiten außer zwischen 1/30 und 1/60 sec sind wirksam).

Äußeres Erscheinungsbild: Vornehme Zurückhaltung. Äußerst unempfindlich durch schwarz eloxierte Frontplatte, Bodendeckel und Deckkappe sowie durch kunststoffbeschichtete Rückwand mit Ledertextur (kein aufgeklebter, lederähnlicher Kunststoff!).

Filmladen: Rückwand abnehmbar (bleibt aber durch Kamerariemen mit der Kamera verbunden). Die Filmaufwickelspule besitzt einen geschlitzten Ring (wie Leicaflex SL), in den der Filmanfang (ob zugeschnitten oder nicht) leicht eingeführt werden kann. Die Andruckplatte ist abklappbar. Sie klappt nicht ganz zurück und bildet mit dem Gehäuse einen Winkel. Dadurch ist es bei unvorsichtigem Abstellen der geöffneten Kamera möglich, die Andruckplatte zu verbiegen. Man sollte die Anlenkung so ausführen, daß die Andruckplatte ganz zurückklappen kann.

Filmrückspulung: Kurbel ist (wie bei Leica M 5) auf dem Bodendeckel. Sie ist groß und griffsicher. Knopf zur Freigabe der Rückspulung: Ebenfalls auf dem Bodendeckel. Rückwandverriegelung: Sicher und einfach. Filmmerkscheibe (besser wäre eine Einsteckmöglichkeit für den Abriß der Filmpackung) ist vorhanden.

3. Beurteilung der meßtechnischen Prüfung

Verschluß: Verschlußzeitengenauigkeit beim Prüfling: Ausgezeichnet. Keine Veränderungen nach Kälte- und Wärmeprüfung.

Entfernungsmesser: Meßgenauigkeit sehr gut. Keine meßbare Beeinflussung durch Kälte- und Wärmeprüfung.

Belichtungsmesser: Beim Prüfling zeigte der Belichtungsmesser 1 Blende zu viel an. Nach Korrektur durch Leitz, keine Abweichungen mehr. Kein meßbarer Einfluß durch Kälte und Wärme.

Reflexfreiheit Kameragehäuse: (Messung: Abtasten mit Punktlichtstrahl) keine wesentlichen Reflexe.

Objektive: Summicron-C 1:2/40mm. Gauss-Typ. 6 Linsen in 4 Gliedern. Bildwinkel: 570 diagonal. Rastblende (halbe Blendenwerte) von 2-16. Naheinstellung 0,8 m. Baulänge (von Bajonettauflage gemessen) 23,5 mm. Nr. des Prüfling: 2507773.
Elmar-C 1:4/90 mm. Abgewandeltes Triplet, 4 Linsen. Bildwinkel: 270 diagonal. Rastblende (halbe Blendenwerte) von 4-22. Naheinstellung: 1 m. Baulänge (von Bajonettauflage) 61 mm. Nr. des Prüfling: 2571897
Beide Objektive haben den gleichen Maximaldurchmesser (51 mm). Filtergewinde: M 39x0,75 (entspricht nicht dem Filtergewinde Leitz E 39!).

Prüfergebnis Objektive: Beide Objektive zeigen sowohl bei Testtafelaufnahmen als auch bei der Kontrastprüfung hervorragende Werte. Die Reflexfreiheit und Lichtdurchlässigkeit könnte Mehrschichtvergütung vermuten lassen.

4. Gesamtbeurteilung.

Die Leica CL ist eine qualitativ hervorragende, leistungsmäßig (was die Aufnahmemöglichkeiten betrifft) eine interessante Kamera. Da sie sehr kompakt ist, ist sie besonders geeignet für Menschen, die gern anspruchsvoll fotografieren, dabei aber nicht viel schleppen möchten. Konzipiert als Amateurkamera für gehobene Ansprüche, ist sie aber durchaus - mit entsprechenden Einschränkungen - profigeeignet. Bestückt man sie mit dem Noctilux 1:1,2/50 mm (bei Leitz ringt man über so viel aufnahmetechnische Frechheit die Hände, ich aber habe mit dieser Kombination Bildergebnisse bekommen, die - unter "unmöglichen" Lichtverhältnissen entstanden - begeisternd sind) paßt sie zum Abendanzug, zum Empfang beim Bundeskanzler (natürlich auch mit dem Summicron-C 1:2/40 mm). Dr. Erich Salomon, jener unvergessene Interpret der politischen Atmosphäre, würde, wenn er noch lebte, mit dieser Kamera fotografieren. Unauffällig, leise und auch bei längeren Zeiten noch ruhig zu halten, ist sie eine hervorragende "available light"-Kamera. Somit meine ich unter "Profi" in erster Linie den Bildjournalisten. Sie ist, dank ihrer Unempfindlichkeit für Wärme, Kälte und Stoß, eine ausgezeichnete Expeditionskamera. Besonders Bergsteiger werden sie gern benutzen. Lange Brennweiten und die Fotografie im extremen Nahbereich sind ihr praktisch nicht gegeben. Hier ist sie naturgemäß der Spiegelreflexkamera unterlegen. Dafür ist sie eben viel kleiner und leichter. Die Leica CL dürfte - wie alle Leitz-Kameras - sehr langlebig sein. Präzision und mechanische Details weisen darauf hin. Übrigens, Präzision hat nichts mit der Montage dieser Kamera bei Minolta in Japan zu tun. Erstens sitzen dort Leitz-Ingenieure und praktizieren Leitz'sche Qualitätskontrolle und zweitens kann Minolta Kameras bauen, das ist längst bewiesen. Ihr Preis (er dürfte etwas über DM 1000,mit Objektiv 2/40 mm liegen) erscheint mir angesichts der Prüfergebnisse berechtigt. Ich würde sagen: Die Leica CL ist eine "Handvoll" fotografischen Möglichkeiten, gepaart mit echter Qualität und Präzision, wobei die Betonung nicht nur auf "Handvoll" liegt.

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