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Testlinie
Alexander Borell über:
Die Leicaflex
Während üblicherweise der Name einer Kamera allein für sich steht, lege ich bei diesem Titel besonderen Wert auf das "die".
Etwa so, wie man sagt: die Knef, die Meysel oder die Rökk. Denn auch am Kamerahimmel gibt es hell strahlende Dinger, die. man anfangs für einen Stern hält, dann aber war es nur eine Sternschnuppe. Und so, wie etwa die Rökk noch heute mancher jungen Huppedohle zeigen kann, was Tanz ist, so beweist auch heute noch die Leicaflex, was man unter einer Vollblut-Spiegelreflexkamera zu verstehen hat. Das ist teilweise der Grund, weshalb ich diesmal gerade über sie schreibe. Gewiß, es gibt inzwischen Kameras, die mehr und modernere Technik bieten, mehr Raffinessen - aber sicherlich nicht mehr Zuverlässigkeit und Präzision. Ebenso gibt es heute schon einige SLR's, die fast so leise auslösen und fast so weich, wie die Leicaflex - aber eben nur fast: erreicht wurde sie bisher noch nicht.
Vielleicht gibt es sogar irgendwo ein helleres Sucherbild, zumindest in Reklametexten, aber es gibt immer noch kein klareres und deutlicheres.
Mit Microprismen als Einstellhilfe komme ich nur schlecht zurecht, ich muß immer fummeln: etwas darüber hinaus, etwas zu weit zurück, und dann vermute ich, die Schärfe dort zu haben, wo ich sie brauche. (Beobachten Sie doch mal heimlich die anderen beim microprismen, wie sie mit Daumen und Zeigefinger suchend ihr Objektiv vor- und zurückdrehen!) Die einzige Kamera, bei der ich noch in keiner Situation einen Schnittbildindikator vermißt habe, ist die Leicaflex.
Es hat mich bisher auch noch niemand eines besseren belehren können, wenn ich behaupte, zu einer gestochen scharfen Aufnahme gehörten folgende Eigenschaften: ein gutes Objektiv, ein handliches Kameragehäuse, ein deutliches Entfernungs-Einstellsystem und ein butterweicher Auslöser.
Mit ihrer von anderen Kameras etwas abweichenden Form liegt die Leicaflex hervorragend in der Hand. Der Auslöser arbeitet so leise und weich, wie bei keiner anderen, wenn in einem Prismensucher die Schärfe "springt", dann nirgends so deutlich, wie bei der Leicaflex, und über die Leitz-Objektive sind wir uns wohl einig, nicht wahr?
Damit wären allein schon genug Argumente aufgeführt, beim Kauf einer SLR-Kleinbildkamera immer noch an die Leicaflex zu denken. Aber es gibt noch mehr gute Gründe.
Da sind z. B. Meß- und Nachführzeiger im Sucher so deutlich zu sehen, daß man sie auch noch bei Dämmerlicht entdeckt. Die Verschlußzeiten sind unterhalb des Sucherbildes ebenso deutlich zu erkennen.
Sie mißt nach dem Spotsystem: der Kreis der Microprismen ist zugleich der Meßkreis für die Belichtung.
Manche lieben und verteidigen die Integralmessung: also Durchschnittsmessung des gesamten Sucherbildes. Aber man erzielt damit auch nur Durchschnitt, wenn man dabei nicht denkt. Routiniers schätzen wieweit sie je nach Motiv mit dem Zeiger etwas drüber oder drunter gehen müssen. Mit der Leicaflex mißt man das, zumal man ja wissen sollte, wo der bildwichtige Teil bei schwarz/weiß, wo bei Color liegt.
Der Verschluß ist nicht elektronisch. Elektronik ist billig und selten kaputt. Aber, im Gegensatz zu vielen Leica-Schlitzverschlüssen, gibt es noch keinen Elektronic-Verschluß, der vor dem Kriege eingebuddelt, zehn Jahre später wieder ausgegraben wurde, und der trotzdem noch einwandfrei funktionierte. Sicherlich hat es auch einen Grund, warum die Amerikaner im Dschungel von Vietnam einige Kameras wegwarfen und nach Leicaflexen riefen.
Ich besitze genauso teure Kameras, aber die sind nur bis zur 1/60 sec. synchronisiert - die Leicaflex schafft das mit einer 1/1000 sec. und ihr Verschluß schafft auch noch die 1/2000, was nicht jede andere wirklich tut, auch wenn es auf dem Knopf steht.
Arbeit mit Offenblende und die Möglichkeit der Schärfenkontrolle sind ebenso Selbstverständlichkeiten, wie Arretierung des DIN/ ASA-Einstellrades, damit es sich
nicht versehentlich verstellen kann.
Auch der Schieber zum öffnen der Rückwand ist nochmals abgesichert: aus Versehen, wenn man irgendwo damit hängen bleibt, geht keine Leicaflex auf. Den Filmanfang braucht man nicht in eines der vielen feinen und womöglich noch mit einem kleinen Nocken versehenen Schlitzlein zu zittern. Man kann den Film sogar mit Skihandschuhen oder im Dunklen einlegen. Und wer seine Batterie testen will, muß nicht erst eine bestimmte Verschlußgeschwindigkeit einstellen, erst recht nicht eine bestimmte DIN/ASA-Zahl, (die man nach der Kontrolle zurückzustellen vergißt und sich so aus Versehen ein paar Urlaubsfilme versaut!): ein Knopfdruck genügt.
Denjenigen, die möglichst gut, einfach und zuverlässig, dabei aber möglichst universell ausgerüstet sein wollen, empfehle ich statt einem der üblichen Standardobjektive gleich das Macro-Elmarit 1:2,8/60 mm. Da ist die Sonnenblende schon eingebaut, und der Einstellbereich erstreckt sich von unendlich ohne Zwischenring bis zum Maßstab 1:2, mit dem dazugehörenden Ring 1: 1. Welche Fundgrube für Leute, die gern alles, wirklich alles fotografieren und doch nicht viel Gewicht und viele Teile schleppen wollen!
Natürlich kostet diese Spitzenkamera auch einen Spitzenpreis: mit 1:2 müssen Sie gut zwei große Lappen auf den Tisch legen, mit dem Macro-Elmarit sogar fast drei. Immerhin erwerben Sie aber mit einer Leicaflex nicht nur eine wertvolle, sondern auch eine wertbeständige Kamera. Aber - nur um Ihnen das alles zu sagen, hätte ich diese Zeilen nicht geschrieben. Ich möchte vielmehr, gerade anhand dieser Leicaflex, einen Trend aufzeigen, der weder mir, noch manchen anderen Fotofreunden sehr gefällt, wie ich aus vielen Telefongesprächen weiß.
Mit einer Kamera soll man doch in erster Linie schnell, sicher und unkompliziert optimale Ergebnisse erzielen können. Was da aber so in letzter Zeit auf den Markt gekommen ist, erfüllt zwar unsere Wünsche an Qualität, aber schnell und vor allem unkompliziert sind diese "Systeme" nicht mehr. Da gibt's hier was Zusätzliches zum Aufstecken, dort noch etwas, manchmal muß das Ganze noch mit Kabeln und sogar Batterien verbunden werden - kurz und gut, es sind tatsächlich Systeme, aber keine klaren und zweckmäßigen Kameras mehr. An solcher übertriebenen Systematisierung ist schon einmal eine Kamera gestorben: die Contarex. Sie wurde letztlich nur noch von Behörden mit Spezialwünschen angeschafft.
Profis mögen solche Systeme gelegentlich brauchen, wir Amateure aber, auch mit höchsten Ansprüchen an unsere Bilder, sicherlich nicht. Und gerade deshalb halte ich die Leicaflex für so aktuell wie noch nie, zumal ja auch die ausgesprochenen Systemkameras in der Grundausrüstung nicht mehr, oder nicht mehr viel billiger sind.
Trotz dieses Lobliedes gibt es auch noch anderes über die Leicaflex zu sagen.
Wenn ich an Leitz denke, stelle ich mir dabei immer eine Art von Manöver vor: die Meßsucherleute sind die Roten, die Spiegelreflexer die Blauen. In letzter Zeit siegten die Roten: deshalb bekamen wir eine M 5, oder gar die neue Leica CL. Ich meine aber, es würde langsam Zeit, daß bei Leitz auch die Blauen wieder einmal einen Sieg erringen, und wir eine neue Leicaflex bekommen. Eine, bei der das unwürdige rote Kunststoffdrückerchen zum Wechseln der Objektive wieder aus solidem Metall ist, eine mit Mittelkontakt im Sucherschuh. . . ich weiß, bei Leitz meint man, Profis und "ernsthafte" Amateure hätten schwere Blitzgeräte mit Schiene, aber das stimmt nur bedingt. Ich kenne viele, die einen kleinen, lichtschwachen Blitzer als Aufheller und Prisenlicht verwenden, und die wollen keine Schiene, sondern den Mittelkontakt. Wir wünschen uns eine Leicaflex, die man auch bei Hochformataufnahmen zum Messen der Belichtung nicht vorher waagrecht halten muß, weil das Zeigerlein aus Opas Meßpotentiometer es nur waagrecht tut. Auch bei Leitz könnte man endlich etwas von den hauseigenen Elektronikern verlangen - oder sind es bisher die Kaufleute gewesen, die Neues dem Rotstift zum Opfer fallen ließen?
Die Leitzleute sollten ihrer Leicaflex ein neues Make-up spendieren! Denn auch einer reifen Dame hat so etwas noch nie geschadet, wohl aber bei vielen Liebhabern das Verlangen noch wesentlich aktiviert.
Und weitere Kinder sollte man vielleicht erst dann in die Welt setzen, wenn die älteren wirklich haben, was sie brauchen. (Warten Sie jetzt aber, wenn Sie sich eine Leicaflex anschaffen wollen, um Gotteswillen nicht auf eine "Neue"! Gut Ding will nirgendwo längere Weile haben, als bei Leitz!)
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