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Artikel

2006

KAMERAS TEST

Nikon D70

Volles Programm

Unter den kompakten SLR-Kameras präsentiert sich die Nikon D70 als wahres Ausstattungswunder: Es gibt so gut wie nichts, was man an dieser Kamera nicht einstellen könnte. Zudem ist die Neue von Nikon ungewöhnlich schnell. Spielt sie auch bei der Bildqualität ganz vorne mit?

Die Nikon D70 weckt auf Anhieb Vertrauen: Ihr Kunststoffgehäuse ist griffig und robust, und trotz der kompakten Bauweise hat man das Gefühl, eine Kamera mit professionellem Anspruch in der Hand zu halten. Unterstrichen wird dieser Eindruck durch das im Set mitgelieferte Nikkor-Objektiv AF-S 3,5-4,5/18-70 mm G ED. Das neue Zoom ist mit einem nahezu geräuschlosen Ultraschallmotor ausgestattet und stellt Brennweiten von 27 bis 105 mm bereit, wenn man den für die D70 geltenden Bildwinkel-Faktor von 1,5 in Rechnung stellt. Im Übrigen wirkt das Objektiv nicht nur solide verarbeitet, sondern lässt sich über einen ergonomisch platzierten Einstellring auch manuell gut fokussieren. Getestet wurde die Kamera jedoch mit einem Referenzobjektiv (AF-Micro-Nikkor 2,8/60 mm).

Ausstattung

Die Ausstattung sprengt den klassenüblichen Rahmen bei weitem: Die Belichtungssteuerung umfasst alle gängigen Belichtungsprogramme, dazu kommen Vollautomatik, sechs Motivprogramme und die manuelle Einstellung von Zeit und Blende über zwei separate Einstellräder. Zur Belichtungsmessung stehen 3-D-Color-Matrixmessung mittels 1005-Pixel-RGB-Sensor, mittenbetonte und Spotmessung bereit. Bei Spotmessung beträgt der Messfeld-Durchmesser 2,3 mm, was etwa einem Prozent des Bildfeldes entspricht. Bei der mittenbetonten Messung lässt sich sogar die Gewichtung der Bildmitte durch verschiedene Messkreis-Durchmesser (6, 8, 10, 13 mm) variieren.
Der 5-Punkt-Autofokus mit zu-schaltbarem Hilfslicht bietet die Wahl zwischen Einzelbild und kontinuierlicher Scharfstellung. Bei dynamischer Messfeld-Steuerung werden alle fünf Felder aktiviert, wobei man auch der kürzesten Aufnahmedistanz Priorität geben kann. Wenn nötig, wählt man eines der fünf AF-Felder per Knopfdruck an. Sehr praktisch bei Architektur- und Produktaufnahmen sind die in den Sucher einblendbaren Gitterlinien.
Sofort nach dem Einschalten ist die Kamera auslösebereit: Sie werden nie mehr ein Bild verpassen, weil Ihnen der Rechner eine Kunstpause verordnet. Die Auslöseverzögerung ist mit 0,5 s nicht sensationell kurz, aber akzeptabel. Unglaublich schnell ist die Kamera bei der Bildwiedergabe. Egal, ob man den Monitor zur Bildwiedergabe einschaltet, ob Bilder im Vollbild-Modus oder als Miniaturen (4 oder 9) gesichtet werden - alles geschieht praktisch verzögerungsfrei und unabhängig davon, ob es sich um JPEGs oder RAW-Dateien handelt. Manches Konkurrenzmodell erweist sich im Handling geradezu als nervtötend, wenn man die D70 zum direkten Vergleich heranzieht. Die dabei gewonnenen oder verlorenen Sekunden machen sich in der Bilanz eines Fotografentages durchaus bemerkbar.
Zu den zeitsparenden Details gehört auch, dass man nur zweimal die gleiche Taste („Papierkorb") drücken muss, um ein Einzelbild zu löschen. Ebenso mustergültig: die Belegung des 4-Weg-Schalters. Für den Bildwechsel benutzt man die Oben-Unten-Tasten, während man mit den Links-Rechts-Tasten verschiedene Anzeigemodi aufruft: Bild-Info, Überbelichtungswarnung (blinkende Spitzlichter) und ein großes, gut interpretierbares Histogramm. Die Bildlupe mit maximal 4,7-facher Vergrößerung wird über das Einstellrad bedient.
Die Kamera ermöglicht Bildfolgezeiten von 2,9 Aufnahmen pro Sekunde und Bildfolgen, die bei entsprechender Einstellung (z. B. höchste Auflösung, JPEG mittlerer Kompression) nur durch die Kartenkapazität begrenzt sind. Voraussetzung ist eine schnelle CF-Karte wie SanDisk Ultra II. Dies ermöglicht ein neu organisierter interner Speicher, der gleichzeitiges Lesen und Schreiben von Bilddaten beherrscht. Entsprechend kurz sind die Speicherzeiten: Mit schnellen CF-Karten wie Lexar Prof. 24 x leuchtete die grüne Speicher-LED nur 2 s bei JPEGs und 3 s bei RAWs, mit Standardkarten von SanDisk verdoppelte sich die Zeit, blieb aber mit 6 s bei RAWs immer noch sehr kurz. Ein Novum ist die kürzeste Blitzsynchronisationszeit von 1/500 s, für die noch keine Kurzzeit-Synchronisation bemüht werden muss, die immer mit einer Verringerung der Leitzahl einhergeht. Blitzkorrekturen sind direkt an der Kamera möglich. Dies gilt für externe Blitzgeräte wie das neue SB-600 genauso wie für das eingebaute. Die dabei wirksame i-TTL-Steuerung basiert auf Messblitzen. Dennoch soll es möglich sein, externe Blitzgeräte wie SB-600 und SB-800 drahtlos über das Kamerablitzgerät auszulösen. Automatische Belichtungsreihen produziert die Nikon für die Haupt- und Blitzbelichtung getrennt oder gemeinsam, auf Wunsch aber auch für den Weißabgleich.

Bildqualität

Der 23,7 x 15,6 mm große Bildsensor erzeugt Bilddateien mit effektiv 6,1 Mio. Pixel Auflösung. Die Fotos werden als JPEGs oder im RAW-Format (NEF = Nikon Electronic Format) aufgezeichnet, bei Bedarf auch simultan in beiden Formaten. Wurde die mitgelieferte Software Nikon-View installiert, können RAW-Dateien im Windows-XP-Browser als Miniaturen betrachtet und direkt in Photoshop 7 weiterbearbeitet werden. Dabei öffnet sich ein Fenster, das eine Belichtungskorrektur und das Verändern des Weißabgleichs erlaubt. Nikon View selbst bietet weitere Optionen; den noch vielseitigeren RAW-Konverter Nikon Capture 4.1 gibt's nur gegen ca. 180 Euro Aufpreis. Er ist sein Geld wert, zumal die neueste Version automatisch Bildfehler beseitigen soll, die durch Staubpartikel am Bildsensor verursacht wurden.
Mit dem 60-mm-Micro-Nikkor liefert die D70 die bisher höchste Auflösung unter den 6-Mio.-PixelKameras. Absolut Spitze sind auch die niedrigen Rauschwerte sowohl bei ISO 100 als auch bei ISO 400. Damit setzt sich die Nikon auf Platz eins in der Bestenliste bei der Bildqualität und der Gesamtwertung aller 6-Megapixel-Kameras. Allerdings kann man sich leicht im Dschungel der Voreinstellungen und Korrekturfunktionen verirren. Denn unter dem Menüpunkt „Optimierung" finden sich nicht weniger als sieben Voreinstellungen, die auf dem sRGB-Farbraum basieren: „Normal", „Leuchtend", „Schärfer", „Weicher", „Direkter Druck", „Porträt" und „Landschaft". Unter „Benutzerdefiniert" können Sie dagegen zwischen zwei sRGB-Farbräumen und Adobe RGB wählen sowie folgende Parameter von Hand justieren: Scharfzeichnung, Tonwertkorrektur, Farbsättigung und Farbtonkorrektur (Farbstichkompensation). Hier hat Nikon vielleicht eine Spur zuviel des Guten getan. Was die Gefahr birgt, dass man im konkreten Fall die falsche Einstellung wählt.
Tendenziell gab unser Testmuster im sRGB-Farbraum bestimmte Rottöne überzogen wieder. Bei einigen Blitzaufnahmen im Porträt-Modus (basiert auf sRGB) strahlten rote Hautunreinheiten auf, während die Wand dahinter einen grünlichen Schimmer zeigte. Letzteres deutet auf Probleme mit dem Weißabgleich hin, die das Labor auch bei Tageslicht feststellte -eine Sache fürs nächste Update der Firmware. Bei einer zum Vergleich herangezogenen zweiten D70 schien das Problem geringer zu sein, doch reichte die Zeit nicht mehr für Nachmessungen. Tipp: Wenn Sie genug Zeit und einen Computer in der Nähe haben, verwenden Sie das RAW-Format, das bei der D70 durch die kurzen Speicherzeiten stark an Attraktivität gewonnen hat. Nach der Aufnahme können Sie dann in aller Ruhe an allen wichtigen Parametern drehen.

Fazit

Karl Stechl

Die Nikon D70 lässt sich wegen der kurzen Speicher- und Bildwiedergabezeiten traumhaft komfortabel bedienen. Jetzt macht auch das Arbeiten mit dem RAW-Format endlich Spaß. Ausstattung und Funktionsumfang sind Spitze, erfordern vom Fotografen aber auch mehr Einarbeitung als dies etwa bei Canons Kompaktmodell 300D nötig ist. Umgekehrt punktet die Nikon mit der höheren Auflösung und dem noch etwas besseren Bildergebnis. Sie zieht insgesamt nicht nur an der Canon 300D vorbei, sondern verdrängt auch die Canon 10D vom ersten Platz in der 6-Megapixel-Klasse.

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