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Alexander Borell über:

Praktica LLC und Tamron-Objektive

Mit dem Namen Praktica verbinden sich altbewährte, vertraute Begriffe: universell einsetzbar, robust und preiswert in der Anschaffung. Dieser Tradition wird auch die LLC gerecht, die in vielerlei Hinsicht über modernste Ausstattungsdetails verfügt. Red.

Das Leben ist schön aber teuer; man kann es auch billiger haben, aber dann ist es nicht mehr so schön. Und so wäre es auch übertrieben, wollte man die PRAKTICA LLC eine schöne Kamera nennen. Dafür gehört sie zu den preiswertesten auf dem Weltmarkt. Den kleinen Unterschied zwischen preiswert und billig habe ich absichtlich gemacht, denn an dieser Kamera ist eigentlich nichts billig, nur schön ist sie eben nicht. Bei dem Gehäuse hat man auf die schönen abgerundeten Formen verzichtet, weil eckig nun einmal nicht soviel kostet. Aber spielt es für die Funktion einer Kamera eine Rolle, ob sie abgerundete oder eckige Kanten hat? Nein. Spielt es für gute Aufnahmen eine Rolle, ob der Chromfinish den besten Kameras der Welt entspricht, oder ob er dem Auge weniger schmeichelt? Nein. Auch der Komfort beim Wechseln der Objektive mit Bajonettanschluß ist nur angenehm, spielt er aber für die Qualität der Aufnahmen eine Rolle? Nein. Die LLC-Objektive haben Schraubgewinde M42: das ist etwas unbequem, läßt sich aber viel billiger herstellen, als ein Bajonett. Außerdem gibt es Millionen von Objektiven M42 in aller Welt, die in diese PRAKTICA passen. Allerdings haben nur die Originalobjektive die neue und interessante Blendenautomatik, die elektrisch gesteuert wird. An der Auflagefläche der Objektive befinden sich drei Kontaktwarzen, auf der Auflagefläche der Kamera drei Kontaktstreifen: beim Einschrauben der Objektive werden diese drei Kontakte geschlossen, wodurch die LLC mit Offenmessung arbeitet. Sie tut dies allerdings nur, wenn ein kleines Einstellrad unter der Rückspulkurbel auf das Symbol für Offenmessung gestellt wurde. Dreht man es auf das andere Symbol, geschieht die Belichtungsmessung mit der Arbeitsblende, gleichgültig, welches M42 Objektiv man verwendet.
Die Messung erfolgt teilintegral, wobei der Schwerpunkt zentral in der Bildmitte mit einem Durchmesser von etwa 20 mm liegt. Der Schlitzverschluß - von B über 1 sek. bis zur 1/1000 und bei 1/125 sek. blitzsynchronisiert - läuft vertikal Über die kurze Formatseite ab und besteht aus Stahllamellen. Damit machen andere Hersteller schon lange penetrante Werbung.
Das Geräusch von Spiegel und Verschluß ist nicht laut, aber der Spiegelschlag deutlich zu spüren. Beobachtet man ihn, sieht man ihn nach Rückkehr in die Normalstellung federnd schwingen. Aber dann ist die Aufnahme bereits gemacht: eine Dämpfung kostet Geld und bringt nach der Aufnahme nichts, folglich hat man darauf verzichtet. Der Auslöser liegt rechtsseitig vorne und ist schräg angeordnet. Warum er nicht da ist, wo ihn alle anderen Kameras haben, und wo er zur Betätigung mit dem dafür von Gott geschaffenen Zeigefinger auch hingehört, ist mir ein Rätsel. Aber man hat es bald heraus, mit dem Mittelfinger auszulösen, und das geht keineswegs schlecht. Auf dem nicht auswechselbaren Sucherprisma ist der "heiße" Geräteschuh fest montiert. Will man den Blitz von der Kamera trennen, muß man das Blitzkabel über einen Adapter mit Blitznippel mit der Kamera verbinden. Elegant ist das auch nicht, aber es spart Herstellungskosten.
Den Strom für die ganze Elektroinstallation liefert eine ansehnliche Batterie von 4,5 Volt, die im Boden der Kamera versenkt ist. Zwei von fünf Fotohändlern kannten sie überhaupt nicht, und nur einer hatte sie am Lager. Beim Blick durch den Sucher wundert man sich zunächst, weil man glaubt, einer Kamera mit so neuer und zweckmäßiger Elektrik hätte man auch eine vernünftige Einstellscheibe mitgeben können. Man sieht ein allerdings recht gutes Microprismenfeld, umgeben von einem Mattscheibenring, und alles andere sind die sichtbaren Linien der Fresnelscheibe. Hier sollte etwas verbessert werden! Und weil wir gerade von Verbesserungen sprechen: man weiß längst, daß elektrische Kontakte bei so geringen Strömen schon bei leichtester Korrosion zu Ausfällen neigen, und ich kann mir denken, daß solche Ausfälle nach längerer Lagerung der Kamera durchaus möglich sind. Man sollte die Kontakte vergolden, was für den Hersteller billiger ist, als leicht behebbare Reklamationen durchführen zu müssen.
Die Belichtungsmessung selber erfolgt Über einen Zeiger im rechten Bildfeld, der auf eine kleine Ringmarke wahlweise Über Verschlußzeit oder Blende, eingepegelt werden muß: sehr konventionell und bei dem berüchtigten dunkel gekleideten Herrn am rechten Bildrand ebensowenig zu sehen, wie bei wesentlich teureren Kameras.
Die Rückwand ist stabil und doppelt verriegelt, das Filmeinlegen durchaus originell: man muß den Film unter ein "Halteböckchen" über der Transportrolle schieben, wobei der Anfang der Filmzunge bis zu einer grünen Markierung geführt werden muß. Dann nehmen ihn zwei Haltebügel automatisch mit. Bei mir haben sie das neunmal getan, beim zehnten Mal nicht: vielleicht war ich etwas zu nachlässig.
Das Standardobjektiv, ein Pancolar 1,8/50 ist hervorragend in Schärfe und Kontrast, es kann bis 22 abgeblendet und von Automatik auf manuelle Betätigung umgestellt werden.
Während des Krieges hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, einen der fortschrittlichsten Panzer made in Germany zu fahren, und als wir den ersten russischen T 34 sahen, lachten wir: wo in unserem zwanzig schön abgerundete Schrauben saßen, hatte der T 34 nur einen faustdicken Bolzen. Aber das Lachen verging uns bald, denn wo es uns längst alle Schräubchen weggefegt hatte, hielt der Bolzen noch, und die Dinger fuhren, während wir in unseren Werkstätten bosselten.
So ähnlich kommt mir diese PRAKTICA LLC vor: sie ist ein stabiler und vermutlich unverwüstlicher Brocken Kamera, und ihre Aufnahmen unterscheiden sich in nichts von solchen, die mit einer viermal so teuren Kamera gemacht wurden. Man bekommt nämlich die LLC mit dem Standardobjektiv für runde DM 450,-.
Die Firma Beroflex schickte mir aber nicht nur diese PRAKTICA LLC mit dem Pancolar, sondern zugleich noch drei andere Objektive mit M42: Tamron Objektive mit der "adaptall" Einrichtung, d. h. man kann sie an nahezu allen anderen Kameras verwenden, einschließlich solcher mit EE-Automatik.
Zweifellos wird der Trend immer deutlicher, an einem vorhandenen Kameragehäuse Fremdobjektive zu verwenden. Wenn aber ein Ehepartner fremd geht, bedeutet das immer, daß mit dem anderen etwas nicht in Ordnung ist. Und wenn immer mehr Amateure nach Fremdobjektiven fragen, so muß bei den Originalherstellern etwas nicht stimmen. Und dieses Etwas ist nach meinen Erfahrungen der Preis. Sicherlich sind gewisse Originalobjektive besser, oft auch nur bei einer theoretischen Messung und keineswegs in der Amateurpraxis - aber keinesfalls sind sie doppelt oder dreifach so gut, wie manche Fremdobjektive. Kamerahersteller in Ost und West werden das bald zur Kenntnis nehmen müssen, wenn sie nicht eines Tages mit ihren eigenen Objektiven weg vom Fenster
sein wollen.
Also, diese Tamron-Objektive sind schon vom Anblick her erfreulich: da hat sich endlich jemand mal in der Gestaltung etwas Neues ausgedacht. Da gibt es z. B. einen ausgezeichneten Weitwinkel 2,8/28, den man für rund DM 250,- bekommt, und der weder merkbar verzeichnet, noch vignettiert. Es gibt auch ein handliches 200er Tele 1:3,5 mit eingebauter Sonnenblende und drehbarem Kameragewinde. Es kostet nicht mehr als knapp DM 300,- und ich konnte keinen Leistungsunterschied zu einem mehr als doppelt so teuren feststellen.
Das für uns Amateure zweifellos interessanteste Objektiv ist unser alter Traum: alles, was man so braucht, in einem Objektiv zu haben. Wir haben es in dem Zoom 1:3,5/38 bis 100 mm! Dabei ist dieses Objektiv erstaunlich klein, leicht und handlich.
Und zudem hat es noch einen gesonderten Macro-Ring für Nahaufnahmen mit allen Brennweiten. Man kann damit bei Brennweite 100 mm einen Gegenstand von ca. 25 cm Seitenlänge formatfüllend fotografieren! Es kostet knapp über DM 700,-. Sie zahlen also für die PRAKTICA LLC mit dem Standardobjektiv und den Tamrons von 28 bis 200 mm, einschließlich dem Zoom von 38 bis 100 mm etwa soviel, wie für eine unserer Spitzenkameras allein.
Und damit hat, wer rechnen will oder muß, ein fotografisches Kraftpaket für wenig Geld. Und wenn man es der LLC auch ansieht, daß sie preiswert ist, so wirken die Tamron-Objektive mit dem neuartigen Design ausgesprochen elegant, sie sind technisch sehr sauber gearbeitet, und ihre optische Leistung hat mir durchaus genügt.

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