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Artikel

2006

FOTO-KLASSIK KAMERAS

Die Nemrod aus Barcelona

Unterwasser-Spezialistin

Die spanische Kameraindustrie spielte international nur eine unwesentliche Rolle. Um so bemerkenswerter ist die Unterwasserkamera „Nemrod", die um 1960 herauskam und 6 x 6-cm-Aufnahmen auf 120er Rollfilm liefert.

Nemrod el cazador - rey de Babilonia" („Nimrod der Jäger - König von Babylonien") steht auf der Rückseite des Gehäuses, dazu ein Bild mit einem Bogenschützen. Also vielleicht doch keine Kamera, sondern eine Wunderwaffe aus einer anderen Zeit? Eine riesige Zielvorrichtung ist jedenfalls vorhanden. Aber die ist für den Gebrauch unter Wasser sehr praktisch.
Auch wirkt die Kamera nur auf den ersten Blick wie ein Ungetüm, auf den zweiten offenbart sie in Details sinnvolles Design und ordentliche Qualität. Die Tubusform ermöglicht eine einfache, aber effektive Abdichtung, die angeblich bis 40 Meter Tauchtiefe geeignet ist, und kompakt muss eine Unterwasserkamera sowieso nicht sein. Der auffällige Sucher ist speziell für die Benutzung mit Tauchermaske vorgesehen, und wenn bei längeren Tauchgängen die Finger etwas steifer werden, erweisen sich der auffällig große Auslöser, das stark konturierte Filmtransportrad und der Handgriff als hilfreich. Rätselhaft erscheint zunächst das Ventil über dem Objektiv, das seine Herkunft von einem Mopedreifen kaum verleugnen kann. Schlau gemacht: Mit einer Luftpumpe kann vor dem Tauchgang ein Überdruck im Gehäuse erzeugt werden, damit es im tiefen Wasser dem enormen Druck standhält. Außerdem erlaubt es eine Prüfung der Wasserdichtigkeit, denn wenn nach dem Befüllen im Wasser Luftblasen aufsteigen, ist es an der Zeit, sich Gedanken über die Dichtung zu machen.
Das Gehäuse ist aus dickwandigem Bakelit und hat die Jahrzehnte schadlos überstanden. Sinnvollerweise ist der besonders gefährdete hintere Teil des Visiers aus Hartgummi.

Keine Einstellmöglichkeiten

Wo Blende, Belichtungszeit und Entfernung eingestellt werden? Nirgends! Im Gegensatz zum Gehäuse herrscht innen simpelstes Box-Niveau. Hinter dem Schutzglas befinden sich ein Verschluss mit nur einer Belichtungszeit (1/60 s) und eine einfache Meniskuslinse der Lichtstärke 1:16. Beim Filmtransport per Rändelrad zeigt der Blick durch das rückwärtige rote Fenster, wann man aufhören muss zu drehen. Für den Fall, dass der Fotograf im tiefen Wasser die Bildzahlen nicht mehr erkennen kann, befinden sich neben dem Transportrad Markierungen; von Bild zu Bild ist das Rad am Anfang des Films um eineinhalb Umdrehungen zu bewegen, am Ende um eine Umdrehung.
Nach dem Lösen der vier Metallklammern kann man mit einigem Kraftaufwand die beiden Gehäuseteile auseinander ziehen - der Dichtring sitzt aus gutem Grund stramm, und das Innere zeigt, dass er seinen Zweck gut erfüllte; es gibt keine Anzeichen von Wassereinbrüchen.
Im hinteren Gehäuseteil befinden sich zwei Metallgewichte, die die Kamera unter Wasser im Gleichgewicht halten. Im Vorderteil befindet sich die minimalistische Technik.
Aufgrund des Films (KodacolorX), der noch aus alten Zeiten drinsteckt, lässt sich vermuten, dass die Kamera in den siebziger Jahren zuletzt benutzt wurde.

Blitz eingebaut

Ungewöhnlich ist die Platzierung eines Teils der Blitztechnik im Kameragehäuse. Auf einer Platine sitzt der Kondensator, daneben der Halter für eine 22,5-Volt-Batterie - eine sinnvolle Lösung, denn so konnte man auf die Abdichtung des Blitzgerätes verzichten. Das Blitzgerät ist, wie die Technik in der Kamera erwarten lässt, speziell auf die Nemrod abgestimmt und wird mit zwei Schrauben befestigt. In seinem Gehäuse befinden sich nur Kabel und sonst nichts. Nun haben wir zwar etwas von der elektrischen Leitfähigkeit des Wassers gelernt, aber offenbar reicht diese nicht aus, um die Funktion zu stören, und die vorhandene Spannung ist zu schwach, um dem Fotografen einen Stromstoß zu versetzen.
Für Unterwasseraufnahmen in größerer Tiefe ist der Blitz nötig, da das Wasser dann vom Tageslicht nur noch die blauen Strahlen durchlässt. Allerdings wäre wegen der Schwebeteilchen im Wasser ein größerer Abstand des Blitzes vom Objektiv wünschenswert. Der heutige Gebrauchswert der Nemrod ist, trotz der liebevollen Konstruktion und der hohen Herstellungsqualität, gering. Mit einer wasserdichten Einwegkamera unserer Tage kann man - abgesehen von der Tauchtiefe - ähnliche Bildergebnisse erzielen.
Der Sammlerwert hält sich jedoch ebenfalls in Grenzen; Preisführer geben ihn mit 100 bis 150 Euro an. Ich fand die abgebildete Kamera bei einem Antikhändler nahe Valencia und bezahlte dafür 50 Euro. Doch solches Sammlerglück ist bei der Nemrod die Ausnahme, denn sie taucht extrem selten im Handel auf.

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