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Prüfstandtest

Test-Stenogramm

Hasselblad 500EL/M mit Carl Zeiss T*Planar 1:3,5/100

1. Beurteilung der technischen Eigenschaften

Ich kann mich kurz fassen. Die technischen Eigenschaften der Hasselblad 500 EL/M werden bestimmt durch Tradition und Präzision. Sie ist, gemessen am Aufnahmeformat, nahezu zierlich, unerhört gut gemacht, aber arg konventionell. Letzteres muß nicht schlecht sein. Zumindest beweisen die vielen Hasselblad-Anhänger, daß eine konventionelle Kamera kein Verkaufshindernis darstellt. Was ich unter konventionellem Aufbau verstehe, sei kurz gesagt. Die Hasselblad ähnelt einem VW-Käfer.
Ihr Grundprinzip wurde mit einer Ausnahme, der Umstellung von Schlitzverschluß auf Zentralverschluß, nie verändert. Nur in Kleinigkeiten wurde sie immer wieder verbessert. So besitzt sie heute noch keinen Rückschwingspiegel, um ein Beispiel zu nennen.
Präzision spürt man nicht nur in jedem Detail, man spürt sie auch wenn man mit ihr arbeitet. Ich glaube, dieses Gefühl des "satten" Zusammenspiels aller Funktionen (man kann es mit dem Türgeräusch eines Daimler-Benz-Autos vergleichen) ist ein wesentlicher Grund für ihre Beliebtheit bei Profi und Amateur.
Diese Präzision wird aber auch bei der Vermessung der Kamera spürbar. Trotz des, in puncto Planlage, sehr ungenauen Rollfilmes, ist die Übereinstimmung von Einstellscheibe und Filmebene so ausgezeichnet, daß man lange suchen muß, um eine Kamera mit ähnlichen Werten zu finden.
Der Motor ist Bestandteil der Kamera. Er erhält seine elektrische Energie aus einem (oder zwei) NC-Akkus (DEAC 5/500 DKZ, 6 Volt). Werden zwei Akkus verwendet, werden sie parallel geschaltet. Das gibt also lediglich mehr Kapazität, die Spannung bleibt 6 Volt. Dieser Akku wird (in der Kamera) durch einen Ladestecker wieder aufgeladen. Die Ladezeit ist nicht forciert und beträgt (bei leerem Akku) ca. 14 Stunden. Eine Akkuladung reicht für ca. 1000 Aufnahmen. Der Motor hat es nicht leicht, muß er doch Rollfilm transportieren, dessen Transportwiderstand weitaus höher ist, als der eines Kleinbildfilmes. Er ist für diese Aufgabe reichlich dimensioniert. Die Aufnahmefrequenz von (genau gemessen) 1,2 Bilder/Sekunde (bei 1/250 sek. Belichtungszeit) wird sehr genau eingehalten (auch bei teilentladener Batterie). Da die Hasselblad auf diesen vollkommen antiquierten Rollfilm Rücksicht nehmen muß, läßt sich diese Bildfrequenz kaum nennenswert steigern. Da nutzt auch ein 70 mm-Magazin nichts. Denn wollte man (mit perforiertem 70 mm Film) auf höhere Bildfrequenzen kommen, was durchaus möglich wäre, müßte man eben für diesen Film eine Spezialkamera bauen. Eigentlich ist unverständlich, daß sich der Rollfilm bis heute erhalten konnte und nicht durch einen entsprechenden Patronenfilm abgelöst wurde.
Die Motorversion der Hasselblad läßt sich nicht von Hand betätigen. Dort, wo bei anderen Hasselblad-Kameras der Transportknopf sitzt, sitzt bei der EL/M der Funktionswahlschalter. Seine Stellungen bedeuten: 0= Einzelbild, S = Spiegelvorauslösung, SR = Einzelbild bei vorausgelöstem Spiegel, A = Aufnahmeserien, AS = Aufnahmeserien bei vorausgelöstem Spiegel. Neben dem Normstecker für das Ladegerät liegt ein kleiner Schalter mit drei Stellungen: 0 = normaler Betrieb, L = Laden des Akkus, T = Dauerbelichtung (Spiegel klappt hoch, Verschluß öffnet sich bei Stellung auf B, er bleibt offen, bis Schalter auf 0 gestellt wird).

2. Beurteilung der Handhabung

Wie bereits aus der Beschreibung der Funktionschalter hervorgeht, ist die Kamera einfach zu bedienen. Nach dem Einlegen des Filmes wird dieser mit der Magazinkurbel auf Bild 1 transportiert. Bei herausgezogenem Magazinschieber und Wahl der Aufnahmefunktion sowie der gewünschten Zeit und Blende, wird die Kamera durch Druck auf den Auslöser der Kamera oder des mitgelieferten Kabelauslösers in Betrieb gesetzt. Beim Synchro-Compur-Verschluß sind Zeit und Blende miteinander verriegelt (Lichtwertskala). Zur Einstellung der Zeit/Blenden-Paarung muß der Blendenring entriegelt werden. Da die Kamera keinen eingebauten Belichtungsmesser besitzt (es gibt lediglich ein Prisma mit eingebautem, durch das Objektiv messenden Belichtungsmesser), kann vom benutzten Belichtungsmesser der Lichtwert abgelesen und direkt auf den Verschluß übertragen werden. Das ist etwas umständlich, hat aber einen großen Vorteil: die Zeit- und Blendenwerte können sich, einmal eingestellt, nicht mehr verändern. Verändert man die Belichtungszeit, ändert sich ebenfalls die Blende im gleichen Verhältnis.
Das Sucherbild ist überaus hell und gleichmäßig ausgeleuchtet. Die Scharfstellung der Objektive macht kaum Schwierigkeiten. Suchersysteme und Einstellscheiben sind wechselbar (nur bei abgenommenem Magazin). Der Zentralverschluß im Objektiv hat einen Vorteil. Man kann Elektronenblitze mit praktisch jeder Verschlußzeit synchronisieren. Dann ist es aber auch schon mit den Vorteilen ziemlich vorbei. Da jedes Objektiv seinen eigenen Verschluß hat, dürften Zeitabweichungen, besonders bei intensivem Gebrauch der Objektive, nicht zu vermeiden sein, Bei Nahaufnahmen, wenn man den Auszug über die Möglichkeiten des Schneckenganges im Objektiv hinaus verlängern will, wird es kompliziert, da stets der Übertragungsmechanismus für Verschlußaufzug und Auslösung über Zwischenring oder Balgen geführt werden muß. Beim Balgengerät geht das schon gar nicht mehr, da muß man mit Doppeldrahtauslöser arbeiten. Weiter verhindert der freie Durchmesser des Zentralverschlusses die Benutzung von Objektiven mit großem Öffnungsverhältnis. Trotzdem ist das kein Grund, die Hasselblad abzulehnen, denn 1. behindert der Verschluß ja nur bei gewissen Spezialaufgaben, 2. kompensiert das ein ausgeklügeltes Zubehörsystem und 3. hat der Zentralverschluß den Vorteil, mit seiner Hilfe eine mechanisch sehr einfache Kamera bauen zu können.
Alles aber wird überspielt durch die perfekte Bauweise der Kamera, durch das perfekte Zusammenspiel von Carl Zeiss-Objektiven, Synchro Compur-Verschlüssen und dem 'Hasselblad Kamera-Gehäuse. Wer, wie ich, sich dieser Konstruktion aufmerksam widmet, weiß, warum die NASA modifizierte Hasselblad Kameras mit in den Weltenraum genommen hat.

3. Beurteilung der meßtechnischen Prüfungen

Kamera: Vor und nach dem üblichen Dauertest mit 2500 Auslösungen zeigten sich die gemessenen Werte nicht verändert. Verschlußzeit, Bildfrequenz, vor allen Dingen aber die hervorragende Übereinstimmung zwischen Einstellscheibe und Filmebene zeigten keine Veränderungen. Lediglich in zwei Punkten muß diese Kamera leichte Minuspunkte einstecken: 1. Das Laufgeräusch ist beträchtlich, ebenso das Geräusch des hochklappenden Spiegels. 2. Die Erschütterung vor der Aufnahme, hervorgerufen durch den Spiegelschlag, ist vergleichsweise hoch. Daß sich diese Erschütterung in der Praxis nicht übermäßig auswirkt, verdankt die Kamera ihrem Eigengewicht und der damit verbundenen Massenträgheit.

Motorantrieb: Die angegebenen Daten werden gut eingehalten. Ein voll geladener Akku schafft ca. 950 Auslösungen. Stromaufnahme und Motorbelastung sind normal. Eine ausreichende Leistungsreserve sichert den Betrieb auch bei schwergängigen Filmen und bei kalter Witterung.

Objektiv: Das getestete Carl Zeiss T* Planar 1:3,5/100 mm kann in einer ganz besonderen Weise als hervorragend bezeichnet werden. Es ist praktisch vollkommen reflexfrei, besitzt eine ausgezeichnete Korrektion aller Bildfehler und zeigt bereits bei voller Öffnung eine überragende Bildleistung. Den Beweis liefert das Kennlinienpaar.

4. Gesamtbeurteilung

Die Hasselblad 500 EL/M ist derzeit die einzige 6x6 cm Motorkamera. Sie ist mit vollem Recht beliebt bei Profi und Amateur. Mechanik und Optik kommen dem neuerlichen Wunsch nach höchster Aufnahmequalität bezüglich Brillanz und Detail absolut nach. Die Kamera gestattet fotografische Höchstleistungen. In einigen speziellen Einsatzgebieten (Nahbereich etc.) ist sie umständlich. Hier könnten die legitimen Nachfahren der alten Wikinger, die Mannen um Victor Hasselblad, der Weit leicht eine neue Erkenntnis vermitteln, indem sie mit gleicher Präzision und Sorgfalt ein neues Kameragehäuse mit integriertem Verschluß entwickeln. Vielleicht sind sie schon bei der Arbeit?
Trotzdem, mich würde das nicht abhalten, mir eine Hasselblad zu kaufen.
Aber sehen wir einmal, für welchen Anwendungsbereich sich diese prächtige, jung gebliebene, alte Dame besonders eignet: 1. für den Profi in Studio und Reportage; 2. für den wissenschaftlichen und dokumentarischen Bereich insbesondere bei normalen Abbildungsmaßstäben; 3. für jeden, der eine Neigung zur perfekten fotografischen Wiedergabe besitzt, ganz gleich, ob Amateur oder Profi.
Die Hasselblad 500 EL/M ist Teil eines fotografischen Systems. Dieses System beginnt sicherlich mit der Hasselblad 500 C/M. Die Motorversion ist aber, als Gehäuse, durchaus eigenständig. Sie erleichtert auch normale Aufnahmen durch den hohen Bedienungskomfort des motorischen Filmtransportes.
Das wesentliche Geheimnis ihres Erfolges aber sei hier allen Mitbewerbern ins "Stammbuch" geschrieben. Dieses System ist komplett. Die Systemteile erlauben (wenn auch manchmal etwas kompliziert) praktisch jede fotografische Anwendung. Die Grundkamera ist klein (für das Aufnahmeformat), ja, fast zierlich, und sie ist gut. Was aber fast noch wichtiger ist, man kann alle Systemteile kaufen und bekommt sie - mit geringen Verzögerungen - sogar geliefert.

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