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Artikel

2009

FM-Testreport

Zwischen Nikonos und Guppy

Unterwasserkameras - auch für den Allround-Fotografen

Tauchen ist ein Volkssport geworden. Die Zahl der Taucher in Westdeutschland schätzt man auf 80000. Wenn auch nur ein bestimmter Teil davon in Clubs organisiert ist, so wollen doch mehr und mehr Menschen in ihrer Freizeit sich eine Welt erschließen, in der noch Unbekanntes zu erforschen und zu erleben ist - sich auf Abenteuerreise begeben.
Als „Submarin" (Magazin der Unterwasserwelt, Heering-Verlag) im vergangenen Jahr eine Leserumfrage startete, stellte sich auch hier heraus, daß Fotografieren und Filmen die idealen Ergänzungen zum Tauchen darstellen. 75xGRADx/o der Taucher besitzen eine Fotokamera, 25xGRADx/o eine Filmkamera und knapp 500/0 nennen eine Unterwasserkamera, 23xGRADx/o eine UW-Filmkamera ihr eigen. Der Trend ist: Wer taucht, fotografiert auch.
Seit am Anfang der fünfziger Jahre die Unterwasser-Fotografie einen großen Aufschwung erlebte, haben sich die Hersteller von Gehäusen - oft in Zusammenarbeit mit der Fotoindustrie - vieles einfallen lassen, um das Fotografieren im Meer zu erleichtern. Eine Pionierleistung war die 1953 auf den Markt gebrachte Rolleimarin Hans Hass, die dieser mit Technikern der Firma Rollei entwickelt hatte. Noch heute ist diese 6 X 6-Kamera eine der meistgebrauchten UW-Kameras der Welt.
Daneben zeichnete sich aber eine ganz andere Richtung ab: die Herstellung einer wasserdichten Kamera selbst, die kein Gehäuse benötigt. Auslöser dazu war die Forschung des Kommandanten Cousteau, der für sich und sein Team eine echte Schnappschußkamera brauchte, die immer dabei sein würde, ohne sperrig zu sein und den Taucher zu behindern. In dem belgischen Ingenieur Jean de Wonters d'Oplinter fand er auch den entsprechenden Partner: Die „Calypso-Phot" war geboren, eine Kleinbildkamera, die von der Firma Spiro-Technica hergestellt wurde. Das war 1959!

Zwei Jahre darauf übernahm Nikon in Japan die Patente von Spiro und brachte unter der Bezeichnung Calypso/Nikkor oder Nikonos eine neue durchkonstruierte UW-Kamera mit drei Wechselobjektiven auf den Markt: ein 28-mm-Objektiv, das ausschließlich unter Wasser verwendet wird (Bildwinkel: 59xGRADx, kürzeste Einstelldistanz: 0,6 m); das 35-mm-Objektiv, das als Normalobjektiv der Nikonos gilt, unter und über Wasser verwendbar (Bildwinkel über Wasser: 62xGRADx, unter Wasser: 46,5xGRADx, kleinste Einstelldistanz: 0,8 m); schließlich das 80-mm-Objektiv (Bildwinkel über Wasser: 30xGRADx, unter Wasser: 22xGRADx, Minimaldistanz: 1 m). Dazu produzierten die Japaner ein Kolbenblitzgerät für UW-Aufnahmen, ein wasserfestes Gehäuse für den Belichtungsmesser Auto-Lumi L-86 und andere Zusatzgeräte.
Der weltweite Erfolg der Nikonos begann Anfang der sechziger Jahre. Nicht nur die Taucher nahmen sie bis auf eine Tiefe von 50 m mit. Man sah die Nikonos auch in der Hand von Seglern oder Reportage-Fotografen, die im strömenden Regen oder unter extremen Wüstenbedingungen zu arbeiten hatten. Das Gehäuse selbst ist durch ein paar Handgriffe auseinanderzunehmen. Man dreht zuerst das Objektiv heraus, öffnet mit einem dafür vorgesehenen Teil der Tragriemen den inneren Gehäuseteil, in den dann der Film leicht einzulegen ist. Das Gehäuse besteht aus einer Leichtmetall-Aluminium-Legierung, die mit einer Plastikmasse imprägniert ist. Dadurch werden alle mikroskopisch kleinen Öffnungen im Metall versiegelt. Alle konstruktionsbedingten Fugen werden durch 0-Ringe geschützt.
1968 kam mit der Nikonos II ein weiterentwickeltes Modell heraus. Filmandruck-platte, Rückspul- und Verschlußzeitenknopf wurden verändert. An der Nikonos III schließlich, die im vergangenen Jahr auf den Markt kam, wurden nochmals einige Details verbessert. So wurde das Fensterchen für die Filmvorratsanzeige auf die Kamera-Oberseite verlegt. Umwälzendes war aber nicht passiert.
Das Herausragende bei der Nikonos ist und bleibt die Kombination von Auslösung, Transport, Verschlußspannen und Filmzählwerk, die in einem Bedienungselement zusammengelegt sind. Ein kleiner Druck löst - nach Einstellung der Zeit, Blende, Distanz - den Verschluß aus. Eine weitere Bewegung spannt den Verschluß, transportiert den Film und verstellt das Zählwerk. Mit diesem Vier-Werte-Hebel ist eine Garantie gegeben, ein schnell sich bewegendes Objekt durch mehrere Aufnahmen festzuhalten. So kann auch der Freitaucher, der ohne Tauchgerät, nur von seinem mitgeführten Luftvorrat abhängig, nach unten geht, eine Vielzahl von Aufnahmen machen.

Natürlich bleibt die Idealausführung eine Nikonos mit Reflexsucher und eingebautem Belichtungsmesser. Die ist aber noch nicht zu sehen. Davon abgesehen ist das Nikonos-System mittlerweile ungemein erweitert worden. Fremdfirmen in der ganzen Welt produzieren ständig neue Zubehörteile. Das berührt vor allem die Makro-Zwischenringe mit Distanzstäben oder Bildfeldeinrahmungen. Ebenso werden heute von Nikon selbst sowie von anderen Firmen hervorragende Weitwinkel- und Fisheye-Objektive angeboten.
Mit dem 15-mm-Objektiv bietet Nikon selbst das „Traumobjektiv" für den Taucher. Es gehört dazu ein aufsteckbarer Sucher. Die kleinste Aufnahmedistanz für dieses Objektiv ist 0,3 m, der Bildwinkel unter Wasser beträgt 94xGRADx. Selbst im trüben Wasser läßt sich mit diesem Objektiv „noch gut fischen". Was damit fotografisch erzielt werden kann, zeigen auch die folgenden Farbfotos des amerikanischen Meisterfotografen Paul J. Tzimoulis, der sehr ausgiebigen Gebrauch davon macht.
Ich selbst habe die Nikonos in vielen Gewässern der Welt dabei gehabt. Sie ist - vor allem auch wegen ihrer nur 700 Gramm - ein ganz erfreulicher Reisebegleiter. Zur Zeit ist sie auch hierzulande so begehrt, daß man sie nur selten in Läden antrifft, man muß sich schon in die Tauchsportgeschäfte bemühen. Ansonsten hört man nur: Leider nicht vorrätig. Wie uns die deutsche Nikon-Filiale in Düsseldorf sagte, liegt die mangelnde Belieferung an dem Aufteilungsschlüssel der Japaner. Eine stärkere Berücksichtigung des deutschen Marktes ist aber unbedingt wünschenswert.
Ich selbst habe an der Nikonos - neben all ihren strahlenden Vorzügen, die sie anderen UW-Kameras mit Gehäuse gegenüber besitzt - nur einen schwachen Punkt entdeckt: Der liegt an der kritischen Stelle, dem Vier-Werte-Hebel. Zweimal habe ich es erlebt, daß dieser bei einem herrlichen Tauchgang blockierte. Dieses Übel läßt sich vermeiden, indem man stets eine zweite Nikonos mit sich führt, was überhaupt aus vielen Gründen empfehlenswert ist. Ansonsten: Die Kamera ist ihre 800-900 Mark nicht nur wert, sie ist eigentlich unschlagbar, sie ist einmalig. Daran mag sich einiges ändern, wenn eine Firma eine 6 X 6-Kamera ohne Gehäuse für den fotografierenden Taucher auf den Markt brächte. Eine Konkurrenz für die Nikonos gibt es weder für den Profi noch für den Amateur. Allerdings bemüht man sich seit einiger Zeit um den letzteren besonders nachhaltig. Da gibt es seit Ende vorigen Jahres bei uns eine Kamera-Gehäuse-Kombination, die offenbar gut „eingeschlagen" hat: Die Guppy.

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Die Guppy

Entworfen wurde sie von Acks-Film (Alfons Cramer Team) im schweizerischen Oetwil am See. Das vollkommen transparente Gehäuse wird ausschließlich für die verschiedenen Modelle der Agfamatic-Reihe (2000, 3000, 4000, 2008, 3008, 4008) gebaut, diese sind wahlweise einsetzbar. Ich selbst bediente mich bei meinem Test der 3000. Die Ergebnisse waren, um das vorwegzunehmen, wirklich befriedigend.
Man kann das Gehäuse mit und ohne Elektronenblitz verwenden, es verkürzt beziehungsweise verlängert sich dadurch nur in der Horizontalen. Das führt zu
einem kleinen Haken, den die Sache hat: Man muß sich vor jedem Tauch- oder Schnorchelgang entscheiden, ob man alles oder nichts blitzen will. Hat man einmal den Pocket-Lux-Blitz auf „Ein" gestellt, so muß man blitzen, es gibt keine Vorrichtung, wodurch man sich im Wasser anders entscheiden kann, keinen von außen her bedienbaren Umsteller.
Und noch etwas: Der Sucher! Mit einem so kleinen Sucher hat man unter Wasser
so seine Probleme. Würde sich hier nicht ein aufsteckbarer UW-Sucher empfehlen? Die Treffsicherheit würde erhöht, der Ausschuß beim Filmmaterial verringert.
Der Auslöser an der Guppy fühlt sich zunächst wackelig an, funktioniert aber unter Wasser sehr brav: Man drückt über dem Sensor der Agfamatic einfach aufs Knöpfchen. Der Filmtransporthebel arbeitet ebenfalls brav, Schweizer Präzisionsarbeit im Kleinen. Das Gehäuse liegt angenehm in der Hand, es ist 0-Ring-abgedichtet. Übrigens sind auch Nahaufnahmen möglich, in dem Fall muß man sich allerdings auch vor jedem Tauchgang dafür entscheiden und dann das Naheinstellgerät Natarix vorsetzen. Dieser Vorsatz besitzt eine eingebaute Nahlinse und korrigiert die Sucherparallaxe. Nahabstände von 40 bis 50 cm sind damit möglich.
Seitdem die Pocket-Kameras im März 1972 in Chicago ihre Premiere hatten, haben sie einen Siegeszug durch die Verkaufsstatistiken angetreten. 1975 bereits waren von den bei uns abgesetzten 2,8 Millionen Kameras 1,2 Millionen Pockets. Kein Wunder, daß der Siegeszug nun auch im und unter dem Wasser fortgesetzt werden soll. Tatsächlich liegt die Guppy mit ihren Vorzügen (Leichtigkeit, einfachste Bedienung, druckgeprüft bis 30 m Tiefe) und ihrem Preis von 132.- DM auf dieser Linie. Der frischgebackene Taucher, der eine größere Ausgabe, wie die Nikonos es erfordert, scheut, kann sich hiermit in der Unterwasserwelt fotografierend bewegen. Es ist, klar gesagt, eine Kamera-Gehäuse-Kombination für die Amateure. Das heißt: Liebhaber. Und kein Zweifel, die Guppy wird ihre Liebhaber finden.

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