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Artikel
2009
Neue Einstellscheiben
Bessere Scharfeinstellung im Spiegelreflexsucher
Bekannt als Komponenten moderner Einstellscheiben in Spiegelreflexkameras sind: Mattscheiben (meistens kombiniert mit eckenaufhellenden Fresnellinsen), Feinraster- oder Mikroprismenflächen, Schnittbild-Indikatoren und Luftbildzonen. Vielseitige Mehrkomponenten-Einstellscheiben setzen sich aus mehreren dieser Einstellmittel zusammen. Die größte Anwendungsbreite hat zweifellos die Mattscheibe, die eine Bildbetrachtung und Scharfeinstellung mit allen Objektivbrennweiten und -blenden, im Nah- und Makrobereich, an Fernrohren, Mikroskopen und anderen optischen Instrumenten gestattet. Zwar konnten die Mattscheibenstrukturen im Laufe der Zeit etwas verbessert werden, doch gibt es nach wie vor eine Kompromißsituation
Sehr feine und „dünne" Mattscheiben liefern hellere und gleichmäßigere Bilder, die aber schlechter scharfzustellen gehen. Auf gröberen und „dichteren" Mattflächen fällt die Scharfeinstellung leichter, aber die Sucherbilder sind dunkler und körniger. Den ersten Versuch, eine in der Vielseitigkeit der Mattfläche ebenbürtige, aber hellere und besser fokussierfähige Einstellstruktur zu schaffen, präsentierte Minolta auf der photokina 1972 als Prototyp. Es war eine Faseroptikplatte, die einen erheblich stärkeren Einstelleffekt zeigte als normale Mattflächen. Vermutlich waren die sehr aufwendige optische Konstruktion und eine gewisse Fleckigkeit bei kleineren Blenden daran schuld, daß diese Scheibe niemals auf den Markt kam. Statt dessen folgte etwa in 1976 die auswechselbare Einstellscheibe AP zur Minolta XM, die ein helleres und klareres Bild in natürlicher Farbgebung lieferte, das man besonders leicht und schnell scharfstellen konnte. Fast 3 Millionen mikroskopisch feiner
Sechseck- Wabenlinsen bilden die Einstellfläche. Diese Scheibe AP repräsentierte einen echten Fortschritt, hatte aber drei „Schönheitsfehler": Für die Innenmessung mit verschiedenen Objektiven müssen an der Kamera unterschiedliche Korrekturwerte eingestellt werden, die AP-Scheibe gab es nur als Sonderzubehör für eine weniger verbreitete Profikamera und diese Scheibe war nur schwer zu bekommen. Mit der Einführung der XD-7 vor etwa einem Jahr ging man den entscheidenden Schritt und baute eine verbesserte Version der AP-Scheibe in eine hochwertige Amateurkamera ein. Wir haben uns mit dieser Einstellscheibe, die richtungsweisend für den Spiegelreflexsucher der Zukunft sein könnte, näher befaßt.
Gezeichneter Querschnitt durch XD-7-Scheibe (oben) und eine Mattscheibe (unten).
An die Stelle der sonst üblichen Mattfläche tritt eine regelmäßige Struktur aus etwa 2,5 Millionen Wabenlinsen mit sechseckiger Grundfläche (das sieht in der Aufsicht unter dem Mikroskop Bienenwaben ähnlich aus). Unsere Prinzipskizze zeigt die Querschnitte der Wabenlinsenfläche (oben) und einer Mattfläche (unten). Es leuchtet ein, daß die regelmäßige Struktur, genau berechnet und dimensioniert, das verfügbare Licht besser und gezielter lenkt als die unregelmäßige Mattstruktur, innerhalb der z. B. auch unerwünschte Totalreflexionen und Streuungen auftreten. Wir haben diese Einstellscheibe gegen eine übliche Mattscheibe (Spitzenklasse) bei verschiedenen Objektivlichtstärken gemessen. Mit einem 1,4er-Objektiv beträgt die Bildhelligkeit auf der XD-7-Scheibe (Mattfläche = 100%) ca. 127%, mit Blende 2,0 steigt sie auf ca. 140% und erreicht bei Lichtstärke 2,8 ihren höchsten Wert mit 153%. Durch diese Charakteristik ist die Scheibe in der Lage, den Sucherbild-Helligkeitsschwund mit Objektiven geringerer Lichtstärke zu einem Teil auszugleichen. Mit einem Objektiv der Lichtstärke 4 liegt die Helligkeit relativ bei etwa 120%. Mit Objektivlichtstärken zwischen 4 und 5,6 sind XD-7Scheibe und normale Mattfläche etwa helligkeitsgleich. Ist die Objektivlichtstärke noch geringer als etwa 5,6 oder wird das Objektiv zur Schärfentiefekontrolle weiter abgeblendet, bringt die XD-7Scheibe meßtechnisch bis zu 1/2 Belichtungsstufe weniger Sucherbildhelligkeit. Dem Auge jedoch erscheint nach wie vor das Bild ungefähr gleich hell, weil es bei kleinen Blenden weniger körnig wird als das Bild auf einer Mattfläche. Hier beginnen die Beurteilungen ins Subjektive auszugleiten. Einige Beobachter hielten mit Blende 11 die XD-7-Scheibe für heller, andere für dunkler, viele glaubten etwa gleichen Helligkeitseindruck wie auf der Mattfläche zu sehen.
Mikroaufnahme (Vergrößerung im Druck etwa 90fach) der Wabenlinsenstruktur mit dem angrenzenden Mikroprismenraster. Die Strukturen wurden durch farbige Differenzierung hervorgehoben (Aufnahme: Labor Josef Scheibel).
Gesteigerte Helligkeit ist nur die eine Seite der neuen Einstellscheibe. Von der weniger körnigen, insgesamt glatteren und „farbechteren" Sucherbild-Beschaffenheit hatten wir schon geschrieben. Uns erscheint jedoch der beachtlich gesteigerte Scharfeinstelleffekt das wichtigste. Die mikroskopisch feinen Wabenlinsen blasen den sonst weich verlaufenden Unschärfestreukreis zu einem größeren, hart konturierten Unschärfering auf. Das bewirkt eine nahezu „springende" Schärfen/Unschärfen-Dynamik. Die Ringelchen kann man natürlich beim Blick durch den Sucher nicht wahrnehmen, weil sie zu klein sind. Bei aufmerksamer Betrachtung eines unscharfen Bildes kann man aber so etwas wie Doppelkonturen erahnen, die vermutlich in erster Linie für den gesteigerten Einstelleffekt verantwortlich sind. Die größere Sucherbildhelligkeit mit Objektivlichtstärken bis etwa 4,5 unterstützt die leichtere Scharfeinstellung. So sind selbst die äußersten Ecken des Sucherbildes hell und fokussierfähig. Auch die sonst bekannt scharfstellkritischen lichtschwachen und kurzbrennweitigen Weitwinkelobjektive lassen sich mit der XD-7-Scheibe sehr gut fokussieren. Mit Objektivlichtstärken oder Betrachtungsblenden unter etwa 4,5 fällt zwar der Vorteil des helleren Sucherbildes aus, die bessere Scharfstellfähigkeit bleibt aber unabhängig davon bestehen. Eingangs schrieben wir der Mattscheibe besonders universelle Einsatzmöglichkeiten zu. Es galt, festzustellen, ob bei der XD-7Scheibe die Vielseitigkeit unter den generellen Verbesserungen irgendwie gelitten hat. Wir unternahmen Versuche im Nah- und Makrobereich bis zu Abbildungsmaßstäben von 30: 1, montierten die Kamera auf einem Mikroskop und an einem Fernrohr (im Primärfokus und mit Okularprojektion). Nach dem Durchspielen aller uns erreichbaren Möglichkeiten kamen wir zu folgendem Schluß: In der Summe der Eigenschaften ist die XD-7-Scheibe den Spezialgebieten der Fotografie ebensogut gewachsen wie eine übliche Mattscheibe.
Folgende Unterschiede konnten registriert werden: Das Sucherbild der XD-7 wird bei sehr kleinen Aperturen bzw. Blenden nicht so körnig wie ein Mattscheibenbild, aber es können großflächige Helligkeitsunterschiede (Flecken) auftreten. Die Scharfeinstellung fällt in den meisten Fällen auf der XD-7-Scheibe etwas leichter. Im
Fußballdeutsch ausgedrückt: Unentschieden bei unterschiedlichem Spielverlauf. So viel zu extremen Spezialgebieten. Im „gemäßigten Spezialbereich", mit einem Spiegelobjektiv 8/500 mm, haben wir einen Drei-Personen-Scharfstelltest unternommen. Die Fokussierung zeigte gegenüber der Mattfläche einen um etwa 15% geringeren mittleren Fehler (bei 3 sec Zeitlimit). Mit der XD7-Scheibe wurde das Zeitlimit seltener, mit einer üblichen Mattscheibe häufiger voll ausgenutzt. Fazit: Sichere und schnellere Scharfeinstellung mit der Mikrowaben-Einstellscheibe auch in diesem Fall.
Abschließend ein paar Worte über den technischen Aufbau der Mikrowaben-Einstellscheibe: Die Einstellfläche besteht aus ca. 2 500 000 Wabenlinsen mit sechseckiger Grundfläche. Der äquivalente Durchmesser einer Wabenlinse beträgt ca. 2/100 mm, die Höhe ungefähr 2/1000 mm. Die Oberfläche jeder Wabenlinse ist zusätzlich feinstgeperlt, um über einen gewissen Streulichtanteil die Universalität sicherzustellen. Einen Begriff über die Feinheit der Wabenlinsenstruktur gibt unsere Mikroaufnahme (Vergrößerung im Druck ca. 90fach), die zur Hälfte die Wabenlinsenstruktur und die angrenzenden Mikroprismen der Feinrasterfläche zeigt. Flächenbezogen ist die Wabenlinsenstruktur etwa 100mal feiner als das Mikroprismenraster. Auf die Grundfläche eines Mikroprismas passen ungefähr 100 Wabenlinsen.
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