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Artikel
2009
NEUE STEREO-SYSTEME
Das Iloca-Stereo-Programm
Wenn man im landläufigen Sinne „System" in eine Sache hineinbringt, so hat solches Tun letzten Endes stets ein rationelleres Arbeiten im Gefolge. Dies gilt auch im Bereich der Stereo-Fotografie und trug wesentlich zu ihrem neuerlichen Aufschwung bei.
Unter einem Stereo-System versteht man nach Vierling „aufeinander abgestimmte Geräte für die Stereoaufnahme, die Bildbearbeitung und die Bildauswertung, welche die grundsätzlichen Forderungen der Stereoskopie zwangsläufig durch die Apparaturen - also ohne Zutun des Bearbeiters - erfüllen lassen".
An die Stelle des Spezialisten treten also Spezialgeräte. Diesen tunlichst alle Sonderaufgaben aufzubürden und sie dennoch möglichst wohlfeil auf den Markt zu bringen, fordert von Konstrukteur und Kaufmann hohes Geschick. Das Verlangen nach Unabhängigkeit von jedweder Einheitsschablone soll zusätzlich oft auch noch berücksichtigt werden. Ist doch gerade unter den Stereoskopikern die Zahl jener Legion, denen eine stereotechnische Neuheit erst dann ans Herz wächst, wenn sie auf die eigenen Belange „zurechtgebogen" werden kann und wenn auch nicht jedem, so doch manchem Stereobild eine „persönliche Note" ermöglicht. Dies aber hängt in der Stereoskopie bekanntlich nicht allein von Bildauffassung und Bildinhalt selbst, sondern weitestgehend auch von der Art der Bildmontage ab, da im Raumbild ja auch die Raumlage der Bildumgrenzung von intregaler Bedeutung ist. Vielen Kennern der Dinge mag es daher überraschend und unglaubhaft vorgekommen sein, daß die Eastman Kodak Company vor nunmehr zwei Jahren einen Farbfilm (zunächst nur in den USA) herausbrachte, in dessen Preis neben der Umkehrentwicklung gleich auch die Stereobildmontage mit inbegriffen ist. Wie sich inzwischen herausgestellt hat, gab diese stereoskopische Erweiterung des bekannten Slogans „Sie drücken auf den Knopf - alles andere machen wir" der Stereo-Fotografie zumindest in Übersee zusätzlichen Auftrieb. In der Tat scheint es ein bestrickender Gedanke, fortan jenes Pusselspiels gänzlich entbehren zu können, das jegliche Stereobildmontage bis auf die wenigen wirklichen „Systeme" bisher mit sich brachte. In der Tat sind nach eigenem Augenschein die Resultate jenes „Mounting Service" akzeptabel. In der Tat braucht man aus dem stereoskopischen Gesetzbuch nur noch einige an Stelle früher etlicher Paragraphen - und dazu nur oberflächlich - zu kennen, um dennoch „ansehnliche" Stereobilder zuwegezubringen. In der Tat aber bedingt diese Behandlung der Stereoskopie eine doch recht ausgeprägte Uniformität. Tritt diese in der ausgesprochenen Kleinstbild- Stereoskopie ( View Master, Colorelief) nicht sonderlich hervor, so ist dies in der formatmäßig nahezu dreifach größeren Kleinbild-Stereoskopie mit ihren zwangsläufig auch größeren und durchaus ernsthaften Möglichkeiten weit weniger der Fall - ganz zu schweigen von den technischen Unzulänglichkeiten, die trotz großen Aufwandes für eine vollautomatische Massen-Montage-Maschine hier bislang doch noch vorhanden sind.
Das Paradoxon der auf etwas an sich gerade nicht Vorhandenes gestützten Stereo-Fotografie von heute - nämlich der „Löcher" der beidseitigen Perforation des Kleinbildfilmes - hat der Verfasser in seiner kürzlich vorgelegten Schrift „Kleinbild-Stereoskopie" (Der „Foto-Dienst", Nr. 31, Heering-Verlag, Seebruck am Chiemsee) vom Technischen her geschlossen behandelt. An dieser Stelle sei daher lediglich erwähnt, daß die Inbezugsetzung von Filmperforation und Bildinhalt gerade und praktisch bislang nur in der Kleinbild-Stereoskopie die nahezu völlige Automatisierung des gesamten Auswertevorgangs gestattet - wovon nach der Busch Camera Corporation und der David White Company als Gerätehersteller nun auch die Eastman Kodak Company als Filmhersteller mit so offensichtlichem Erfolge Gebrauch macht. Zusätzlich ist dem Verfasser ein gutes Dutzend verschiedener Arten von Stereorähmchen des Auslandes bekannt, die wohl die Selbstmontage voraussetzen, sie aber mit Nocken und Noppen, Falzen oder Schnittanlagen so leicht als möglich zu machen trachten. Vom Einschieben, Verkleben oder Versiegeln der heute fast ausnahmslos farbigen (Umkehr-) Filmbilder in Briefmarkengröße bis zum rahmenrichtigen Abdecken, staubdichten Planliegen usw. ist an fast alles gedacht. Vorausgesetzt wird dabei - und jetzt kommt das gewiß schon vermißte „Aber" -, daß der Durchschnitts- Stereoskopiker 1. Spezialkameras benutzt, für deren Grundelemente eine einheitliche Norm angestrebt wird, 2. die gerade benutzte der schon verfügbaren Stereokameras dieser Art bei der Aufnahme auf keinen Fall verkantet und 3. - sofern er die Bildauswertung einem Montagedienst überlassen will - keine Aufnahmegegenstände mit ins Bild bringt, die weniger als 1,50m von der Kamera entfernt sind.
Keine dieser drei Voraussetzungen ist nun ganz offensichtlich für den größeren Teil auch der deutschen Stereoskopiker gegeben. Eine die Filmperforation voll berücksichtigende deutsche Stereokamera ist zumindest bisher noch nicht auf dem Markt, dafür aber verschiebt der eine Stereoskopiker seine Einzelkamera nach der ersten Aufnahme und beschränkt sich auf „Stilleben", kuppelt der andere zwei identische Einzelkameras, benutzt der dritte vielleicht eine der verfügbaren Stereokameras mit nur teilweiser Einbeziehung der Filmperforation, erwärmt sich der vierte für Stereoaufnahmen mit strahlenteilenden Vorsätzen, dreht oder verschiebt der fünfte nur das Bildobjekt vor einem neutralen Hintergrund und befaßt sich der sechste mit Rücksicht auf seinen Geldbeutel allein mit verlagsmäßigen Stereobildern oder gar stereoskopischen Zeichnungen. Was an Verkantungen bei der Aufnahme (hüben wie drüben!) geleistet wird, ist beim bisherigen Fehlen wirklich zweckmäßiger Stereosucher auf dem Markt - trotz grundsätzlichen Bekanntseins - erst dann zu glauben, wenn man die Rohausbeute eines größeren Stereoskopiker-Kreises kennt. Die Bedeutung im Nahbereich beschränkter Aufnahmeentfernungen schließlich ersieht man schnell beim Zurhandnehmen einiger Stereobilder verschiedener Herkunft: der räumlich schier wirksamste Tiefenbereich scheidet bei solcher (in der Serienmontage technisch bedingter) Beschränkung ganz aus.
Zum anderen ist jede Automatisierung der Bildauswertung bei Einbeziehung aller Möglichkeiten nur mit einem ziemlich großen und daher teuren apparativen Aufwand an der Aufnahmeeinrichtung durchführbar. Räumt man dem zweifellos in Deutschland weitverbreiteten Bedürfnis nach individueller Bildauswertung einen gewissen Platz ein, läßt auch die Kaufkraft des einzelnen nicht aus den Augen und will dennoch einwandfreie Ergebnisse sicherstellen, so ist der gegenwärtig hier beschrittene Weg zweifellos für die augenblicklichen Verhältnisse als einziger gangbar. Es muß allerdings offenbleiben, ob sich dies nicht schon bald mit dem bereits angekündigten Erscheinen weiterer auf das Kleinformat abgestimmter Stereogerätschaften ändert, und ob letzten Endes gerade für die Stereo-Fotografie mit unbedingt weniger Ausschuß als sonst schlechthin gerechnet werden muß.
Die vom Iloca-Camerawerk Wilhelm Witt in Hamburg 1 kürzlich herausgebrachten beiden neuen Stereogeräte ergänzen die bisher nur allein verfügbare Iloca-Stereo-II-Kamera zu einem „Dreisatz", der streng genommen nicht eigentlich als Stereo-System zu bezeichnen ist und demzufolge von seinem Hersteller auch folgerichtig als „Iloca-Stereo-Programm" angekündigt wurde. Zur Kamera als Aufnahmegerät treten nun ein Montage- sowie ein Betrachtungsgerät. Die äußeren Formen dieses Leichtmetall-Tripels lassen sich den hier beigegebenen Abbildungen entnehmen. Ihre „Innereien" seien nachstehend erläutert.
Die Iloca-Stereo-II-Kamera benutzt bekanntlich das sogenannte Fünf-Loch-Format 24 x 23 mm mit jeweils zwei fremden Bildern zwischen zusammengehörigen „Partnern". Da der handelsübliche Kleinbildfilm in 20er- oder auch 36-er-Patronen anders als bei ausländischen Stereokameras dieses Formats nicht mit der Perforation, sondern mit der Aufwickelspule transportiert wird, ist der Schaltschritt unter Verzicht auf das zweite und vorletzte Bildfeld des Films gleichmäßig mit zwei Bildbreiten durch ein in die obere Perforationslochreihe eingreifendes Zackenrad vorgezeichnet. Dieses Zackenrad wurde zwar derart bemessen, daß jeweils die Mitte eines Perforationslochs in gewohnter Weise über die Bildmitte zu liegen kommt. Es ergibt sich aber je nach mehr oder weniger festem Anziehen des Films beim Weiterdrehen bis zum nächsten Anschlag ein gewisser Spielraum. Dieser ist wohl klein und gewährleistet die Vermeidung des Überlappens benachbarter Einzelbilder, führt aber auch aus den eingangs angestellten Überlegungen heraus nur unvollkommen zu einer so einfach (und billig) nicht über einen Kamm zu scherenden Einbeziehung sämtlicher Aufnahmemöglichkeiten.
Das Montagegerät zur Iloca-Stereo-II-Kamera übernimmt daher verschiedene Funktionen. Zum einen läßt sich der unzerschnitten von der Umkehrentwicklung zurückkommende Farb- oder auch selbstkopierte Schwarzweißfilm mit Hilfe eines seitlich angebrachten Messers winkelrecht „auf Sicht" in Einzelbilder zerschneiden. In die über einen Spiegel von unten durchleuchtete Deckplatte des Geräts wird zum anderen alsdann jeweils ein Doppelrähmchen aus Karton eingeschoben, dessen Außen- und Innenmaße dem vom Ausland Gewohnten und im Inland Genormten entsprechen. Zwischen den einen Teil dieses Doppelrähmchens und eine durchsichtige Halterung werden nun die beiden zusammengehörigen Bilder gelegt, wobei das Rechtsbild unschwer an einer bereits in der Kamera zwischen die obere Perforationslochreihe einbelichteten Kerbe kenntlich ist. Als Anhalt für die richtige Lage der beiden Bilder zu den Bildfenstern des Doppelrähmchens und damit auch zueinander dienen zwei vertikale Strichmarken für die seitliche Ausrichtung und eine durchgehend horizontale Strichmarke für gleiche Höhenausrichtung. Solcherart ist es möglich, in verhältnismäßig sehr einfacher und bequemer Weise nicht nur für eine korrekte Bildmontage zu sorgen, sondern auch sowohl individuelle Wünsche wie spezielle Effekte bei jeweils gleicher Nutzbild- (Bildfenster-) Größe und gleichem Rahmenabstand für Nah-, Mittel- und Fernaufnahmen zu berücksichtigen. Dies letztere aber ist speziell für die Stereoprojektion außerordentlich wichtig und mit Ausnahme des View - Masters - Stereokleinstbildsystems bei allen anderen Doppelrähmchen des Auslandes bisher nicht erreicht.
Die erwähnten Doppelrähmchen wurden von der Fabrik trocken- und feuchtklebender Papiere Dr. J. Neubronner in Cronberg/Taunus mitentwickelt, die damit an eine fünfzigjährige Firmentradition anknüpft. Befaßte sich ihr Begründer doch als erster bereits kurz nach der Jahrhundertwende mit der Frage einheitlicher (und haftender!) Stereorähmchen, erhielt auf eine von ihm gefundene Möglichkeit dafür ein Patent, baute darauf eine ganze Fabrikation auf und brachte schon zur Zeit der Stereo-Fotografie auf Glasplatten einen neuen Zug in das Raumbildwesen hinein. Die nunmehr in Zusammenhang mit dem Iloca-Stereo-Programm verfügbaren Doppelrähmchen stellen denn auch insofern wiederum etwas Neues dar, als es mit ihrer Hilfe möglich ist, dank besonderer Zwischenfalze zunächst die Filmdias gegen. über dem im Montagegerät freiliegenden Teil der Doppelrähmchen zu fixieren und daher das Verrutschen der Bilder gegeneinander vor dem Zusammenkleben zu vermeiden. Sind die derart montierten Bildpaare nur für die direkte Betrachtung im Stereoskop bestimmt, so bedarf es keiner weiteren Behandlung, und allenfalls empfiehlt sich die Aufbewahrung in farblosen Kunstbeuteln, um Verstauben oder Verkratzen der sonst freibleibenden Bildschicht zuvorzukommen. Sind die Bild. paare dagegen auch für die Stereoprojektion bestimmt, so lassen sie sich zusammen mit den Doppelrähmchen ohne weiteres zwischen Deckgläser gleicher Außenmaße legen und bleiben dann auch bei Erwärmung praktisch plan bzw. sind staubdicht abzukleben. Hierbei wäre freilich durch dünneres Folienmaterial in Zukunft auf die genormte Schlitzbreite der Projektoren-Bildschieber Bedacht zu nehmen, die sich für derart verglaste Stereobilder oft als zu schmal erweist, wie auch zu wünschen übrig bleibt, die Feuchtgummierung der Doppelrähmchen mit Rücksicht auf Einmaligkeit und Empfindlichkeit insbesondere des Farbumkehrfilms durch eine Trockengummierung (Kautschukmilch) zu ersetzen, die auch etwa gemachte Montage. fehler zu eliminieren gestattet.
Das Iloca-Camerawerk hat für dieses in ähnlicher Art schon oft vorgeschlagene, serienmäßig aber bisher noch nicht ausgeführte Montagegerät eine besondere Arbeitsanleitung herausgebracht, in der die einzelnen Handgriffe ihrer Reihenfolge und Bedeutung nach aufgeführt sind. Erscheint deren Berücksichtigung bei einem Blick ins Ausland reichlich kompliziert, so trifft dies in der Praxis auch ohne grundlegende Vorkenntnisse jedoch kaum zu. Die Montagearbeit geht vielmehr fast im gleichen Zeitraum vonstatten wie diejenige einzelner Kleindias üblicher Art auch. Etwaige Kameraverkantungen lassen sich durch entsprechendes Rückdrehen der Bilder ausgleichen, und außerdem sind ohne weiteres auch solche Diapaare mit dem Gerät zu verarbeiten, die mit anderen als der Iloca-Stereo-II-Kamera, etwa gekuppelten oder verschobenen Einzelkameras, gemacht sind - ja, sogar perforationslose Glasnegativ-Dia(film)kopien sind „faßbar". Der Verfasser kann daher auch bei Berücksichtigung der Pusselfeindlichkeit vieler Amateure der hier gegebenen Selbstmontage durchaus den Vorzug vor jeder Serienmontage „von der Stange" geben. Wenn sich trotzdem mit zunehmendem Geräteangebot auch in Deutschland dereinst ein serienmäßiger Montagedienst im großen für die (bisher kleine) Masse der „stereoskopischen Normalverbraucher" auftun sollte, so wird der nun in Hamburg eingeschlagene Weg doch zumindest für Sonderzwecke seinen individuellen Wert behalten.
Als dritter im Iloca-Stereo-Programm ist endlich das Betrachtungsgerät zu nennen, das in Anlehnung an bisherige Erfahrungen eine Einbaubeleuchtung und gegenüber dem schon Bekannten einen elektromechanischen Schaltmechanismus aufweist, der beim Einstecken des Stereobilds wirksam wird und dabei die Bildauflage am Boden des Geräts um ein weniges ausrasten läßt, so daß bei dessen Weglegen das taschenlampenbatteriegespeiste Licht nicht unbeabsichtigt weiterbrennen kann. Die Schaulinsen des Geräts sind achromatisch und fokussierbar. Daß ihr gegenseitiger Abstand variabel gewählt wurde, war modegerecht kaum anders zu erwarten. Der Stereoskopiker wird ihn wegen des (glücklicherweise) einheitlichen Rahmenabstandes der Bildpaare unabhängig von seinem eigenen Augenabstand dennoch auf 62 mm belassen, um unnötige Kulissenwirkungen bei nicht-parallelem Strahlengang zu vermeiden. An die Wand zu werfen braucht er die andernfalls verzerrten Stereobilder keinesfalls - hierfür stehen besondere Stereo-Bildwerfer auch im Inland zur Verfügung, auf die als nicht zum Iloca-Programm gehörig ein anderes Mal eingegangen sei.
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