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Alexander Borell über:

Polaroid Land Kamera Mod. 190 und Polaroid Land Film Type 105

Das Fotografieren mit Polaroid Kameras und Polaroid Filmen hat eine neue und faszinierende Dimension erreicht: Mit dem neuen Polaroid-Film Typ 105 erhalten Sie nicht nur das gewohnte Papier-Sofortbild, sondern auch ein voll vergrößerungsfähiges Negativ. Red.

Man ist von Mr. Land in Amerika und seiner Firma Polaroid ja so einiges gewöhnt. Vor allem wird hier öfters deutlich, wie verschieden Amerikaner und Deutsche denken. Ob die Amerikaner einen guten Geschmack und ästhetische Bedürfnisse haben, könnte man bei manchen Polaroid-Erzeugnissen bezweifeln, aber eins steht fest: sie legen den größten Wert auf das Produkt einer Kamera, nicht auf deren Aussehen. Sei uns hingegen ist das (leider!) häufig noch genau umgekehrt. Denken Sie z. B. an die beste Kamera, die es für farbige Kinderportraits jemals gegeben hat: die Big Shot. Wir machen lieber schlechtere Bilder, lassen sie lieber von schlechteren Labors ausarbeiten, ehe wir mit einem Ding wie dieser Big Shot herumlaufen. Nur deshalb hatte sie bei uns nicht den Erfolg, den sie eigentlich verdient.
Aber Amateure, insbesondere engagierte Leser des COLOR Foto-Journals, verschwendeten bisher keine Zeit, sich mit einem Polaroidprodukt auseinanderzusetzen. Die Profis tun das eher, weil sie die Nützlichkeit des Sofortbildes für viele Zwecke erkennen.
Nun aber gibt es eine Kamera, die auch den engagierten Amateurfotografen, bei einem Preis von etwa DM 700,-, interessieren sollte: das Modell 190.
Diese großformatige und großvolumige Klappkamera hat erstens ein beachtlich gutes Objektiv: das Tominon 1:3,8/114 mm.
Muß ich Ihnen sagen, was Sie mit dem bisher üblichen Positivfilm bei 36 DIN und dieser Öffnung machen können? Einwandfreie und gestochen scharfe Aufnahmen bei geringer Zimmerbeleuchtung aus der Hand.
Und ich habe, mit einem normalen Amateurblitzgerät bei voller Öffnung, die ganze Marktstraße von Bad Tölz nachts ausgeleuchtet.
Ober einen Präzisions-Entfernungsmesser wird scharf eingestellt, und Mehrfachbelichtungen sind jederzeit möglich.
Nur einen, zugleich recht bedeutenden Haken hat die ganze Geschichte bisher für uns gehabt: wir bekamen nur das eine Foto. Duplizieren oder Reproduzieren ist viel zu umständlich, und über ein Zwischen-Negativ geht außerdem ein Teil der ursprünglichen Schärfe verloren.
Aber Mr. Land ruht bekanntlich nicht. Und so gibt es jetzt einen ganz neuen Film, den Typ 105. Er gibt nicht nur das bisher schon übliche Positiv in noch gesteigerter Schärfe wieder, sondern produziert, mit dem gleichen Ruck-Zuck wie bisher, zusätzlich ein Negativ. Und das hat es in sich!
Fein abgestufte Halbtöne und eine Auflösung bis zu 150 Linien pro Millimeter!
Und das war hauptsächlich der Grund, weshalb ich Ihnen diese Kamera in Verbindung mit diesem neuen Film einmal nahebringen wollte. Denn jetzt haben wir ein Klasse-Negativ von unseren Aufnahmen, das wir in jedem Falle am vorhandenen Positiv sofort an Ort und Stelle kontrollieren können. Und somit hört unsere Arbeit auch nicht mehr, wie bisher bei Polaroid, vor der Dunkelkammer auf, sondern läßt sich dort, ganz konventionell, fortsetzen.
Es ist ein Vergnügen, diese Negative zu vergrößern, beinahe uferlos, denn von Korn findet man so gut wie nichts.
Die Positive werden wie bisher, vom Papierstreifen abgezogen und sind fertig. (Will man sie behalten, muß man sie lackieren. Noch . . . ) 
Auch das Negativ wird abgezogen, es ist verschmiert und undurchsichtig, weshalb man es in einer Lösung von Natriumsulfit etwa 30 bis 60 Sekunden Klären muß.
Und genau hier wird die ganze Sache superamerikanisch.
Polaroid liefert nämlich zum Zwecke dieser Nachbehandlung der Negative einen weißen Plastikeimer mit Fächern für acht Aufnahmen. Nun stellen Sie sich mal einen deutschen Fotografen vor, der mit seiner wunderschönen Polaroid und dem wunderschönen 105er Film durch die Lande zieht, um zu fotografieren, wobei er in einer Hand stets ein weißes Plastikeimerchen mit sich trägt, als wolle er Frösche fangen. So etwas absurdes hat es bisher selbst bei Polaroid noch nicht gegeben. Offenbar hat man dort vor lauter Entwicklung neuer Super-Kameras einige Selbstverständlichkeiten völlig übersehen: daß man nämlich rechteckige Geräte besser im Labor nebeneinander stellen kann, als runde. De Eimer aber ist mit acht Aufnahmen voll - was ist das schon für einen Profi? Außerdem sind Negative bekanntlich papierflach, und es gibt nichts unrationelleres, als flaches Papier in einen runden Eimer zu stecken. Wenn die Amis das nicht begreifen, sollte Polaroid-Deutschland auf eigene Kosten einen schwarzen Kunststofftank in rechteckiger Form bauen lassen, mit einem kippsicheren Deckel und Fächern für etwa 24 Negative: den könnte man unterwegs, wie ein Blitzgerät, umhängen, man könnte ihn ins Auto legen - aber stellen Sie jetzt mal diesen verflixten Eimer voll Natriumsulfit in Ihren Kofferraum!
Gewiß, das Eimerlein mit Fächern kostet keine zwanzig Mark, aber ich würde lieber das Dreifache für einen vernünftigen Fixiertank bezahlen, noch dazu, wo man die Negative dann unbeschadet ihrer Qualität bis zu drei Tagen drinlassen kann. Und so wie ich denken alle Profis, mit denen ich bisher über den neuen Film 105 gesprochen habe. Aber trotzdem: probieren Sie ihn einmal aus, er paßt auch in andere Polaroid-Packfilm-Kameras und ist von tatsächlich verblüffender Qualität!

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