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Alexander Borell über:

Fujica ST 901

Mit diesem Testbericht von Alexander Borell stellt COLOR Foto-Journal eine der großen Kamera-Novitäten dieses Jahres vor. Der funktionelle Zusammenhang von Belichtungsmessung, Belichtungsanzeige und Automatik machen die Fujica ST 901 im Verein mit der Digitalanzeige zu einem bahnbrechenden Kameramodell. Red.

Gute Vorsätze, sagt Oscar Wilde, haben den Nachteil, daß sie immer zu früh gefaßt werden. Ich hatte den besten Vorsatz, künftig mit Superlativen etwas vorsichtiger und sparsamer umzugehen, was mir prompt die Rüge eines Fabrikanten einbrachte, weil ich nur "gut" geschrieben hatte, wo er lieber "hervorragend" gelesen hätte.
Ich meine aber, wir sollten uns von den Reklamesuperlativen allmählich freischwimmen, und gut ist eben gut. Wobei es in einem direkten Vergleich durchaus möglich sein kann, daß eine Sache gut, eine andere besser ist, und daß es sogar eine beste gibt. Und damit bin ich mitten im Thema, der FUJICA ST 901. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Sie hat die beste, weitaus beste Verbindung zwischen Automatik, Belichtungsmessung und Anzeige im Sucher, von allen Kameras, die ich kenne.
Dazu ist eine Menge zu sagen: ich habe nie verschwiegen und meine Meinung ist überall hinreichend bekannt - daß ich kein Freund der Verschlußautomatik bin. Ich habe bisher stets argumentiert, daß mir die Verschlußzeit wichtiger für eine bewegungsscharfe Aufnahme ist, als die Einstellung der Blende. Für Leute, die hauptsächlich Kirchen und Schildkröten fotografieren, ist das nicht so wichtig, denn beide Motive zeichnen sich nicht durch besondere Rasanz aus. Ich aber bin in erster Linie ein Action-Fotograf, mich interessieren Menschen, Schnappschüsse, und dazu brauche ich halt eine bestimmte Zeit.
Nach meiner Ansicht kranken alle bisherigen Zeit-Automatiken daran, daß man die Verschlußzeiten im Sucher nur an einem lächerlichen, oft kaum sichtbaren Zeigerlein ablesen kann. Und, so argumentierte ich bisher, wenn ich schon Zeit und Aufmerksamkeit opfern muß, um zu erkennen, welche Stellung dieser windige Zeiger hat, dann kann ich gleich auf Automatik verzichten und mit Nachführzeiger arbeiten.
Völlig anders ist das bei der FUJICA ST 901, sie setzt für meine Einstellung zur Verschlußzeitautomatik neue Maßstäbe. Aber ehe man das Vergnügen hat, die digital angezeigte Verschlußzeit im Sucher zu bewundern, beginnt das Vergnügen an dieser Kamera schon woanders. Ich muß nicht irgendwo an der Kamera einen Hebel von "Off" auf "On" stellen, um die Elektrizität in Schwung zu bringen: das geschieht bei der ST 901 durch leichtes Antippen des verriegelbaren Auslösers. Kein Druck, kein Stromverbrauch, man kann nichts vergessen.
Wir blicken also durch den Sucher und tupfen ganz leicht auf den Auslöser: sofort leuchten die von kleinen Elektronenrechnern hinlänglich bekannten Digitalzahlen auf. Oben am Sucherrand, bei Sahara-Sonne ebenso deutlich abzulesen, wie in einem dunklen Keller bei Neumond ohne Sterne. Als nächstes fährt man, mit der Kamera am Auge, durchs Zimmer, vom Fenster bis zur dunkelsten Ecke. Blitzschnell folgen im Sucher die rot leuchtenden Zahlen: 100/60/30/15/1 und dann sogar weiter bis 10, was bedeutet, daß der Verschluß nun volle 10 Sekunden offen bleibt. Er schafft es aber bis zu 20 Sekunden, und jeder Wert wird deutlich angezeigt.
Die Anzeige erfolgt in den üblichen Zeiten, der Verschluß aber kennt keine Stufen, er arbeitet auch mit Zwischenzeiten, so daß die Anzeigen etwa wie Leitzahlen zu werten sind. Wenn also die Werte bei Sportaufnahmen von der 1/200 im Sucher auf die 1/100 springen, öffne ich die Blende um einen oder zwei Werte weiter. Das geht so deutlich, daß es auch rasch geht, man verliert die digitale Anzeige gewissermaßen keinen Sekundenbruchteil aus den Augen. Das erst macht die Verschlußautomatik wirklich brauchbar, auch für schnelle Fotografen.
Der Verschlußzeitenknopf rastet in der Stellung "Auto` ein, kann sich also nicht verdrehen. Aber zusätzlich hat man die Möglichkeit, jeweils in Stufen von 1 DIN eine Unter- oder Überbelichtung der Automatik bis zu zwei vollen Blenden vorzuprogrammieren. Darüber hinaus funktioniert aber die ST 901 auch dann noch mit den Zeiten 60, 125, 250, 500 und 1000 mechanisch, wenn die Batterie einmal ausfallen sollte.
Und weil wir vom Verschluß sprechen: es ist einer der leisesten, schlagfreiesten Verschlüsse auf dem Markt. Man verzeiht es ihm sogar, daß er nur bis zur 1/60 x-blitzsynchronisiert ist.
Rechts neben dem Objektiv befindet sich ein drehbarer Knopf: drückt man ihn ein, wird mit Arbeitsblende gemessen, was keine weiteren Manipulationen nötig macht. Verriegelt man diesen Knopf, kommt man mit jedem M42-Objektiv in den vollen Genuß dieser Verschlußautomatik! Selbstauslöser, heißer Sucherschuh und noch zwei Blitzkontakte sind vorhanden. Ebenso ein kleiner Hebel zur Abdeckung des Sucherokulars, nach meinen Beobachtungen nur nötig bei Stativaufnahmen mit Sonne im Rücken.
Die Rückwand wird durch Ziehen am Rückspulknopf geöffnet. Sie hat ein lichtdichtes Fenster, durch das man die eingelegte Filmpatrone sehen kann. Aber das funktioniert nur bei Fuji-Filmen, auf anderen Patronen kann man jedoch ein kleines Selbstklebe-Etikett anbringen. Die Aufwickelspule hat jede Menge Schlitze, man braucht nicht zu suchen.
Die Scharfeinstellung wird im Sucher - der außerdem noch die jeweilige Verschlußstellung zeigt - über Schnittbildindikator und Mikroprismenring betätigt. Die Qualität des Suchers selber entspricht nicht ganz der sonstigen Qualität dieser Kamera; die Fuji-Konstrukteure sollten sich da noch etwas Besseres einfallen lassen.
Wie schon gesagt, es werden M42-Objektive verwendet. Die Originale von Fuji rasten ein. Die optische Qualität des von mir mit Testaufnahmen geprüften EBC Fujinons 1:1,4/50 entspricht voll der Kameraqualität. Aber . . .
Schon früher, bei meinem Bericht über die ST 801 habe ich die eng beieinanderliegenden farbigen Striche für die Schärfentiefenskala kritisiert. Auch dieses Fujinon hat das wieder: für die Blenden verschiedene Farben, die man schon bei leichter Dämmerung nicht mehr voneinander unterscheiden kann. Außerdem liegen sie, infolge der großen Steigung der Einstellschnecke, so nahe beieinander, daß jedes Ablesen zu einem Gefiesel wird. Ganz abgesehen davon, daß diese Buntheit auf dem schwarzen Objektiv beim unbefangenen Betrachter den Eindruck einer idiotensicheren Billigkamera aus dem Warenhaus erweckt. Auch hier sollte der deutsche Fuji-Vertrieb dem japanischen Hersteller einmal klar machen, daß solche Kinkerlitzchen von uns hier nicht geschätzt werden: unsere Objektive sollen sachlich und unbunt aussehen, vor allem aber deutlich ablesbar sein. Allerdings ist mir hinreichend bekannt, daß japanische Hersteller nur recht seiten glauben, was ihnen deutsche Importeure sagen.
Wie dem aber auch sei, das ist an der FUJICA ST 901 nur ein Schönheitsfehler, es wäre höchst töricht, sie deshalb nicht zu kaufen.
Die Stromversorgung kommt von einer 6 V-Batterie. Man tut gut daran, auf eine Reise eine Reservebatterie mitzunehmen: sie ist nicht überall erhältlich.
Daß Fujica technisch einwandfreie Kameras bauen kann, ist längst erwiesen. Die ST 901 ist sauber gearbeitet, gut im Design, wiegt nur 830 Gramm bei den Maßen: 133x92x91. Sie werden für diese Kamera etwa DM 1.100,- bezahlen müssen, und das ist sie mehr als wert.

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