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2009

EINE KAMERA MACHT PHOTOGESCHICHTE

Eine Million Retinas seit 1946

Wenn in diesen Tagen die millionste Retina seit 1946 die Kodak-Fertigung in Stuttgart verläßt und in die Hände ihres glücklichen Besitzers wandert, dann sind in diesem Modell mehr als 20 Jahre Photogeschichte vereinigt. Alte Kleinbildfreunde erinnern sich roch daran, daß die Retina 1934 zu einer Zeit erschien, als Kleinbild-Kameras noch eine durchaus kostspielige Sache waren, die ich die wenigsten leisten konnten. Da gab Kodak der Retina die beiden Vorzüge, die ihr zu einem einzigartigen Erfolg verhalfen: Präzision bei kleinem Preis.
Revolutionierend wirkte diese Kombination, denn mit einem Schlag war das dynamische Format 24/36 für weiteste Kreise erschwinglich. Dem ungenannten Liebhaber der Malerei mit Licht brachte die Retina das neue Photogefühl, sie brachte die große Liebe zum Kleinbild überall hin.
Mit den ersten Kodak-Rollfilmkameras hat George Eastman vor 70 Jahren die Amateurfotografie geschaffen. Mit der Kodak-Retina erhielt sie ihr Temperament, ihr Tempo, ihre Vitalität. Wie sehr eine solche Kamera dem Wunsch der Amateure entgegenkam, wie sehr das „klassische" Kleinbildformat geradezu erwartet wurde, beweist die Sympathie, die der Retina vom Start weg entgegengebracht wurde. Die neue Kamera erwarb sich einen ständig wachsenden Anhängerkreis in aller Welt.
Kein Wunder also, daß man sich 1945 nach der Neueinrichtung des schwer getroffenen Dr.-Nagel-Werkes der Kodak AG in Stuttgart entschloß, auf dem Erfolg und der Tradition der Retina weiterzubauen. Das Kleinbild hatte mit ihr gewonnen. Jetzt ging es darum, mit ihr das Letzte aus diesem Format herauszuholen. Folgerichtig verzichtete Kodak daher auf eine Vielfalt von Kamerakonstruktionen und konzentrierte sich auf die eine, die jedes photographische Problem meistern sollte: auf die Retina, die Kleinbildkamera mit Zentralverschluß.

Aus der Retina wird ein System

Das erste Nachkriegsmodell ließ bereits 1946 das Ziel der Kodak-Konstrukteure erkennen: die Bedienung zu vereinfachen und der Retina neue Anwendungsgebiete durch ein sinnvolles System von Zusatzgeräten zu erschließen. Der photographische „Ernst des Lebens" trat an das Kleinbild heran. Wo mußte in Technik, Wirtschaft und Wissenschaft nicht Fotografiert werden! Wo muß nicht täglich immer mehr Fotografiert werden!
Um nun die eine Kleinbildkamera überall einsetzen zu können, wo man überhaupt eine Kamera brauchen kann oder brauchen könnte dafür verbesserte und vollendete Kodak in diesen letzten Jahren die Retina. Dafür veredelte man die Optik, schuf man Wechseloptiken, Spezialstative, Mikroansätze, Stereovorsätze und wie die vielen Geräte alle heißen, die Kodak-Konstrukteure für die Mikro-, Makro- und Nahfotografie mit der Retina IIIc 1955 ersonnen haben.
Wie vor 20 Jahren gilt auch hier der gleiche Grundsatz, man möchte ihn fast einen Kodak-Grundsatz nennen: Größte Präzision bei kleinerem Preis. Seinerzeit hat er das Kleinbild populär gemacht, heute macht er das Kleinbild zum universellen Format. Die umfassende Zusatzausrüstung der Retina ist nicht für eine Handvoll Spezialisten geschaffen worden, die sie sich allein leisten dürfen oder sich allein damit auskennen - ganz im Gegenteil! Alle Fotografieren alles mit der Retina, denn die Handhabung blieb besonders einfach, die Preise besonders niedrig und die Geräte besonders leistungsfähig.
So nimmt der Pressemann die publikumsscheue Prominenz, der Sportfreund den dahinfegenden Rennwagen ebenso sicher aufs Korn wie der Mediziner seine Mikroben, der Gelehrte seine Keilschrift, der Techniker seine Modelle, der Sammler seine Münzen -aber nach wie vor knipst Onkel Eberhard begeistert seine jeweils jüngste Nichte, und wir selbst machen Photoferien, am liebsten leuchtend in Farben. Das ist das Retina-System. Für jeden bringt es, was er braucht, und jeder kann es sich leisten.

Was steckt in einer Millionen-Kamera ?

Wenn ein Werk in zehn Jahren eine runde Million Kameras der gleichen Grundkonstruktion herstellt und man trotzdem häufig auf die Retina-Modelle warten muß, fragt man sich unwillkürlich: Was gehört eigentlich zu einer Kamera, auf die zu warten sich lohnt? Was gehört zu einer Millionen-Kamera?
Natürlich haben sich Form und Technik der Retina im Lauf ihrer großen Karriere ganz wesentlich gewandelt. Was ist aus dem allerersten Modell geworden! Die Kamera erhält ihr gepflegtes, schnittiges Gesicht. Der Objektivträger ersetzt den Lederbalgen. Der Sucher wird zum Leuchtrahmen-Meßsucher, die Optik zur vergüteten, farbgerechten Wechseloptik. Der Zwischenlinsenverschluß wird geschaffen. Die Vollsynchronisation ist selbstverständlich geworden. Schnellaufzug und Lichtwertverschluß sparen dem Retina-Besitzer bei jeder Aufnahme drei Handgriffe. Mit einer Bewegung des Schnellschalthebels wird der Film transportiert, der Verschluß gespannt und das Zählwerk geschaltet. Mit jeder Lichtwerteinstellung fixiert man Blende und Belichtungszeit: fünf Einstellungen werden mit zwei Bewegungen erledigt. Die Retina ist schneller und wendiger, hellwach für die Aufnahme.

Mehr als Technik: Das „gewisse Etwas"

Offenbar gehört aber noch mehr zu einer Millionen-Kamera, denn Güte und Ausrüstung hat die Retina nicht gepachtet. Einen so durchschlagenden Erfolg aber hat sie als einzige. Nur einmal gibt es die Beliebtheit einer Retina.
Es ist das Persönliche an ihr, das „gewisse Etwas", das in ihr mehr zusammenfügt als einige neue technische Ideen und einige hundert Teile: Sie hat Photo-Appeal, sie wird zum Freund. Man hängt an seiner Retina. Die Retina hat Photogeschichte gemacht, weil sie half, die Geschichte von mehr Menschenleben ein wenig reicher zu machen.

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