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Alexander Borell über:

Canon EF

Verschlußzeitenautomatik oder Blendenautomatik - diese Frage bewegt, teils heftig, teils weniger, die Gemüter nicht nur unserer Leser, sondern so manche Kreise der Welt der Fotografie. Wie immer es sei:
Jeder, der mit dem Ankauf einer "Automatischen" liebäugelt, sollte sich vor dem Kauf darüber im klaren sein, welches der beiden Automatik-Systeme gewünscht wird. Ober Grundsätzliches zu dieser Frage werden Sie auch in diesem Beitrag informiert, der der vollautomatischen Canon EF gewidmet ist. Red.

Während ich mir ein Leben ohne Kartoffeln durchaus vorstellen kann, sogar eins ohne Arbeit, halte ich ein Leben in heutiger Zeit ohne Tesafilm für absolut unmöglich. Mit Tesafilm ersparen wir uns täglichen Ärger und reparieren damit vor allem erst einmal sämtliche farbikneuen Geräte, gleichgültig, ob es sich um Plattenspieler, elektrische Schreibmaschinen, Kühlschränke oder Autos handelt. Auch beim Kauf einer CANON EF empfehle ich Ihnen, an einer bestimmten Stelle sofort ein Stück Tesafilm hinzukleben. Sonst geht es Ihnen wie mir:
Sie haben sicher den ausführlichen Prüfstandtest von Barnim A. Schultze in COLOR 4/74 gelesen. Ich auch. Und da ich ohnedies eine ziemlich komplette F 1 besitze, interessierte mich die EF natürlich brennend. Darüber hinaus wollte ich Ihnen auch berichten, wie ich persönlich, ohne Prüfstand (!) mit dieser Kamera zurechtkomme. Ich nahm sie also mit an den Gardasee, wo ein Freund sein neues Segelboot zum ersten Mal ins Wasser lassen wollte. Er bat mich, dies alles für ein neues Bordbuch zu fotografieren. Meine Überlegung: Mit der Automatik der CANON EF bin ich schnell, über das mitgelieferte Objektiv 1,4/50 hinaus habe ich noch meine CANON FD-Objektive, und folglich ist diese CANON EF genau die Kamera für eine so wichtige Serie.
Es war ein sonniger Mittag, als mein Freund mit seiner Yacht auf dem Trailer in der kleinen Werft ankam. Die ersten Aufnahmen mit dem Weitwinkel, um die Totale zu haben. Geladen hatte ich Kodachrome II.
Man schaltet auf der Rückseite einen Hebel von "off" auf "on": Damit hat die Kamera für alle Funktionen Strom.
Dann schaute ich durch den Sucher und nahm an, ich müsse nun bei der 1/125 sek. rechts vom Sucherbild den Zeiger etwa bei Blende 8 sehen. Er stand aber oben im roten Feld über Blende 22.
Um diesen Bericht spannender zu machen, möchte ich hier unterbrechen und etwas über die Automatik dieser Kamera sagen: Es haben sich inzwischen zwei Formen von Automatiken eingebürgert. Die Verschlußzeitenautomatik und die Blendenautomatik. Wer mich länger kennt, weiß, daß ich Anhänger der Blendenautomatik bin, wie sie seit einigen Jahren z. B. die KONICA hat. Man stellt die gewünschte Verschlußzeit ein, die Blende kommt automatisch auf den richtigen Belichtungswert.
Für 97% aller Aufnahmen halte ich diese Automatik für besser, als die Zeitenautomatik, weil ich meine Zeit fest und unter jeder Lichtbedingung habe, und wie weit die Blende auf- und zugeht, ist mir ziemlich gleichgültig, da ich ja ohnedies auf einen wichtigen Punkt scharf einstelle. Für mich ist das die schnellste Art der Fotografie, zumal es mir ja genügt, aus dem Augenwinkel beim Fotografieren zu erkennen, daß der Blendenzeiger nicht oben oder unten im roten Feld steht. Bei den Zeitautomatiken, zum Teil mit winzig gravierten Zahlen und haardünnen Zeigern, muß ich hinschauen, wo der Zeiger steht, weil ich sonst mit meiner Zeit völlig daneben hauen kann. Diese Aufmerksamkeit hebt einen Teil der schnellen Automatik wieder auf. (Einzige Ausnahme bis jetzt: die Fujica ST 901, bei der die Zeiten überdeutlich digital angezeigt werden!) Es gibt Anhänger beider Systeme und es ist selbstverständlich, daß manche Autoren der Zeitenautomatik den Vorrang geben, zumal wenn diese Autoren für Firmen arbeiten, die solche Kameras herstellen. Und nun zurück an den Gardasee.
Ich drehte am griffigen Verschlußzeitenrad, und erst ganz am Schluß, bei der 1/1000, kam der Blendenzeiger aus dem roten Feld auf Blende 16. Das war aber technischer Unfug. Verzweifelt schaltete ich den Strom ein und aus. Dann maß ich mit dem Druckknopf an dem Boden der Kamera die Batteriespannung. Das rote Blinklicht signalisierte eifrig, daß die Batterien in Ordnung seien. Ein neuer Versuch! Das gleiche Resultat: 1/1000 sek. bei Blende 16.
Inzwischen war mein Freund mit der Yacht und dem Hänger unter den großen Hebekran gefahren. Er winkte mir zu und dachte, ich würde fleißig Aufnahme um Aufnahme schießen. Dann, dachte ich, kann es nur an meinem FD-Objektiv liegen: der Blendenmechanismus ist kaputt. Ich wechselte gegen das Originalobjektiv aus und erlebte die gleiche Katastrophe. Bayerische Leser können sich denken, mit weichem Ausdruck ich in meiner Muttersprache in diesem Augenblick diese Kamera bedachte.
Inzwischen waren die Gurte bereits um die Yacht gelegt, der Kran hob sie langsam hoch. In meiner Verzweiflung probierte ich es mit der Stop-down-Methode, und kam plötzlich auf den realen Wert von Blende 8 bei 1/125 sek. Als ich soweit war, berührte die Yacht gerade das Wasser, und ich schoß noch einige Aufnahmen.
Später probierte ich zu Hause noch einmal alles in Ruhe durch: und siehe da, die Automatik funktionierte einwandfrei.
Eine kaputte Sache ist nicht schlimm. Aber es ist schlimm, wenn ein Gerät einmal funktioniert und einmal nicht, und man nicht weiß, woran es liegt.
Morgens gegen 2 Uhr wußte ich, was geschehen war, und jetzt nähern wir uns dem Tesafilm.
Auf der Rückseite der Kamera (Sie sehen das an der kleinen Abbildung 2) befindet sich ein winziges Rädchen, das man auf "normal" oder "Blitz" stellen kann.
Aha, denken Sie jetzt, das hat er übersehen, das Rädchen stand auf Blitz. Irrtum, liebe Freunde, es stand auf normal aber nicht ganz. Es genügt der Bruchteil eines Millimeters, mit dem bloßen Auge kaum erkennbar, das Rädchen in Richtung Blitz zu verstellen, und schon ist die Automatik ausgeschaltet. Das war bei mir der Fall gewesen. Woher, weiß ich nicht; ich habe nicht daran gedreht. Das Rädchen rastet sogar schwach in den beiden Stellungen ein, aber es muß nicht ganz ausgerastet sein, um die Funktion der Automatik auszuschalten. Vielleicht geschah das beim Transport der Kamera in der Tasche, vielleicht anders, aber ein Konstrukteur muß so bauen, daß es ein solches Vielleicht Überhaupt nicht geben darf.
Und deshalb empfehle ich CANON, hier etwas zu ändern und allen Käufern eines EF dieses Rädchen mit Tesafilm abzukleben.
Den Tesafilm brauchen Sie aber auch noch dann, wenn Sie Ihre FD-Objektive von der F 1 an dieser Kamera verwenden wollen. Das neue Originalobjektiv rastet nämlich bei Stellung auf Automatik einem kleinen grünen Ring ein und kann nicht mehr verstellt werden, wenn man diese Stellung nicht mittels eines besonderen Knopfes entriegelt. Meine FD-Objektive haben diesen Rastknopf nicht. Es kann daher passieren, und das ist mir später auch einige Male passiert, daß Sie beim Einstellen der Entfernung den Blendenring aus Versehen mitbewegen und dann wiederum zu völlig verrückten Meßergebnissen kommen, weil das Objektiv selber nicht mehr auf Automatik steht, Sie aber den Hebel an der Kamera nicht auf "Stop-down-Fotografie" gedrückt haben. Kleben Sie auch hier diesen Ring mit Tesafilm fest.
Haben Sie aber erst einmal Ihre CANON F 1 gegen Zufälle dieser Art abgesichert, dann ist sie eine der wundervollsten Kameras, die ich kenne. Das fängt schon bei dem CANON-Bajonett an, dem technisch sichersten und besten, meiner Erfahrung nach. Es geht weiter über die leise und butterweiche Auslösung und endet noch lange nicht bei dem griffigen Verschlußzeitenrad.
Vielmehr ist es der Verschluß selber, den ich großartig finde: Er arbeitet in den Zeiten von 1-1/1000 mechanisch, und von zwei vollen Sekunden bis 30 Sekunden elektronisch. Darüber hinaus kann man mit dieser Kamera den Blendenzeiger in jeder gewünschten Stellung festhalten. Das ist für gewollte Unter- bzw. Überbelichtungen bei Automaten ganz besonders wichtig. Daß ich darüber hinaus noch den Spiegel vor der Aufnahme arretieren kann und einen kleinen Knopf im Aus- und Einschalter habe, der mir absolut deckungsgleiche Doppelbelichtungen ermöglicht, macht diese Kamera nicht zu einem preiswerteren Amateurmodell der F 1, sondern zu einem gleichwertigen Gegenstück. Profis werden sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, zu ihrer F 1 eine EF als besonders schnelle Kamera zusätzlich anschaffen. Für den Amateursektor bedeutet diese Kamera eine absolute Spitze, wenn auch immer noch eine konventionelle Sitz.
Gerechterweise muß ich jetzt noch feststellen, daß alle Filme, die ich nach der Anfangspanne mit dieser Kamera fotografiert habe, einwandfrei sind und am Streifen aussehen, als wären sie mit der Maschine belichtet. Und da schließlich auch noch der Blitz mit der 1/125 sek. synchronisiert ist, kann man Aufhellblitzen bei Tageslicht genauso dosieren, wie man sie auch bei bewegten Motiven braucht.
Zwischen unserem Prüfstandbericht und meinem jetzigen ist einige Zeit vergangen, es läßt sich jetzt auch bereits über Preise etwas sagen. Die EF wird mit dem Standardobjektiv 1,8 so um die DM 1.500,- liegen, mit dem 1,4 Objektiv dürfte sie rund DM 200,- teurer sein. Die technische Spitze dieser Kamera liegt höher, als die Spitze ihres Preises.

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