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Testlinie
Alexander Borell über:
Rolleiflex 3,5F und Yashica Mat 124 G
Dieser Beitrag ist nicht als Gegenüberstellung oder als eine vergleichende Wertung beider Mittelformatkameras aufzufassen. Sicher - wir wissen, wie sehr derlei Überlegungen oft Inhalt ausgiebiger Diskussionsgespräche unter engagierten Amateuren und auch Profis sind. Im Grunde genommen sind solche Wertungsversuche hinfällig. Denn beide Kameras erfüllen sehr hohe Ansprüche. Alexander Borell und auch der Redaktion scheint viel wichtiger zu sein, daß die besondere Vielseitigkeit der zweiäugigen 6x6Kamera in diesem Beitrag zum Ausdruck kommt. Zusätzlich, da es sich um eine Vielseitigkeit, handelt, die mit einem Minimum an Aufwand und einem Maximum an Robustheit verbunden ist. Kameras vom Typ 6x6-Zweiäugige sind einfach, schnell und vielseitig zu bedienen und gewähren ihren Besitzern ein hohes fotografisches Erfolgsvergnügen. Red.
Immer wieder dreht es sich bei einem großen Teil der Anrufer, die wissen, daß man mit mir so ziemlich über alles reden kann, um die Frage nach optimaler Schärfe. Schärfe allein ist aber, wie man auf Ausstellungen und in Zeitschriften immer wieder feststellen kann, nur seiten der wirkliche Wert einer Aufnahme. Aber, und das weiß ich aus eigener Erfahrung, Schärfe kann zu einem Vergnügen für sich werden, vielleicht sogar zu einer Sucht. Da sie von allen Süchten die unschädlichste ist, versuche ich am Telefon Schärfefanatikern klarzumachen, daß sie dann eigentlich mit einer Großbild-Kamera auf 18 x 24 Material fotografieren müßten. Was dazwischen liegt, also zwischen Kleinbild und Großformat, ist immer ein Kompromiß, wenn auch unter Umständen ein sehr guter.
Und deshalb scheint es mir an der Zeit, wieder einmal die guten alten "Zweiäugigen" mit dem Format 6x6 ins Gespräch zu bringen.
Etwa in den Fünfziger- und Sechzigerjahren wurden mit der "Rollei` nahezu alle professionellen Aufgaben gelöst: Sport, Landschaft, Mode, Architektur.
Wer sich Bildbände aus dieser Zeit vornimmt, wird vielleicht überrascht feststellen, daß er dort Aufnahmen findet, die wir heute auch nicht besser machen können. Man empfand zwar in dieser Zeit das Manko, daß man keine Brennweiten wechseln konnte. Aber die Klasse-Profis fanden erstaunlicherweise immer Möglichkeiten, das vergessen zu lassen, soweit es ihre Bilder betraf.
Es ist nicht Aufgabe dieses Artikels, die beiden abgebildeten Kameras, die ROLLEI 3,5 F und die YASHICA-Mat-124 G miteinander zu vergleichen oder gar sie gegeneinander auszuspielen. Denn schließlich ist es bekannt, daß es lange Zeit keinen Patentschutz gab, und es ist ebenso bekannt, daß man weiter östlich von Braunschweig bedenkenlos und sehr präzise abgekupfert hat, was nur irgend möglich war, bis ins kleinste Detail.
Die ROLLEI ist schwerer, faßt sich gewissermaßen auch wertvoller an, dafür ist sie auch teurer. Für normalen Amateurgebrauch aber wird man weder in der Handhabung, noch in der Qualität der Aufnahmen große Unterschiede zwischen den beiden Kameras feststellen können. Beide Modelle haben eingebaute Belichtungsmessung. Die ROLLEI mißt ohne Batterie mit Selenzelle, die YASHICA übe CdS mit Batterie. Der Belichtungsmesser sitzt nämlich auf dem Rad für die Entfernungseinstellung, und das ist zum Ablesen nicht ganz so praktisch, wie bei der YASHICA, deren Belichtungs-Ablesung direkt oben vor dem Lichtschacht im Blickfeld auf die Einstelldaten liegt. Und nun wäre es beinahe doch ein Vergleich geworden . . .
Nach wie vor sind diese Kameras viel universeller, als man gewöhnlich denkt. Es bieten sich nicht nur Möglichkeiten, auf KB-Film (nur für die Rollei) zu fotografieren, und das mit einer angenehmen Brennweite, sondern auch im Nahaufnahmebereich leisten diese Kameras überraschend viel. Zwar braucht man neben Vorsatzlinsen auch Korrekturlinsen, um die Parallaxe zwischen Sucher- und Aufnahmeobjektiv auszuschalten, dafür sieht man auf der Mattscheibe mit hoher Präzision das Motiv auch noch während der Auslösung. Kameras, bei denen man im entscheidenden Augenblick wörtlich nicht im Dunkeln tappt. Gewiß gibt es heute Mittelformatkameras mit Wechselobjektiven, teils als schwere Kästen, teils als Vergrößerung von KB-Kameras, aber es gibt immer noch keine Kamera in diesem Format, mit der man so handlich und so unaufwendig in einem Bereich arbeiten kann, der einen überwiegenden Teil aller Aufnahmen ausmacht.
Viele Amateure schweifen in die Ferne, aber leider in Fernen, die finanziell nicht erreichbar sind. Denn für zwei- bis dreitausend Mark bekommt man anderwärts auch nur eine Spiegelreflex im Mittelformat mit einem Objektiv. Jedes weitere Objektiv kostet manchmal mehr, als eine der guten und bewährten zweiäugigen Kameras. Das gute liegt also näher, als manche glauben, und ich finde, die Zeit dieser Kameras ist noch lange nicht
abgelaufen.
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