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2009

EINE »GUMMILINSE« FÜR KLEINKAMERAS

DAS VOIGTLÄNDER ZOOMAR 2,8/36-82 mm

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Diese Schreibweise zur Charakterisierung eines Objektives weicht - wie man sieht - von der bisher üblichen ab. Unter den feststehenden Werten: Lichtstärke und Brennweite, ist der letztere variabel. Das bedeutet also, daß das Zoomar mit seiner relativen Öffnung 1:2,8 eine kontinuierlich veränderliche Brennweite zwischen 36 und 82 mm besitzt, d. h., daß es eine „Gummilinse" ist.
Beim Fernsehen, beim Berufs- und Amateurfilm, wird der Gummilinseneffekt bereits seit längerer Zeit angewandt. Man sieht z. B. eine Szene - eine sogenannte „Totale" -, in die man allmählich näher und näher hineingleitet, um in kleinerem Ausschnitt, dafür aber vergrößert, die Einzelhandlung besser verfolgen zu können. Früher wurde dieser Effekt mit der sogenannten „Fahraufnahme" bewerkstelligt. Die laufende Aufnahmekamera wurde auf Schienen in die Szene hineingeschoben, wobei es dem Kameraassistenten oblag, die Scharfeinstellung des Objektives kontinuierlich nachzustellen.
Mit Gummilinsen entfällt heute dieser komplizierte Aufwand. Der Kameramann verläßt seinen Aufnahmestandort nicht; er hat lediglich einen Verstellhebel am Objektiv kontinuierlich nach vorne oder nach rückwärts zu schwenken. Dadurch werden die Einzelglieder der Gummilinse in Bewegung gesetzt, und ihre veränderten Abstände voneinander ergeben eine größere bzw. kleinere Abbildung. Mit einem Wort: die Kamera „fährt" nicht mehr. Das Hineingleiten in den Raum erfolgt durch allmähliche Änderung der Brennweite bei gleichzeitiger Veränderung des Abbildungsmaßstabes, ohne den Aufnahmestandort zu verändern.
Daß diese Methode nicht nur bedeutend einfacher als die Fahraufnahme ist, steht außer Frage. Dazu kommt aber noch, daß die Gummilinse - einmal scharf eingestellt - keiner Korrekturen mehr bedarf, gleichgültig, ob der Abbildungsmaßstab groß oder klein ist, d. h., ob das Motiv bei gleichbleibendem Ausschnitt nun groß (wie aus der Nähe) oder klein (wie aus der Entfernung) aufgenommen wird.
Die zwangsläufig notwendigen großen Dimensionen, die eine solche komplizierte Gummilinse einnimmt, spielen bei Film- und Fernsehkameras keine Rolle, zumal ja Schienen und Aufnahmewagen gänzlich erspart werden und die Kamera sowieso auf einem schweren Stativ verwendet wird; ganz abgesehen davon, daß sie im Verhältnis zum kleinen Aufnahmeformat gar nicht so besonders voluminös ausfällt, wie sie notgedrungen beim 24X 26-Format ausfallen müßte. Kanonenobjektive scheiden für den Kleinbildphotographen jedoch aus, weil er sie nicht mit sich herumtragen könnte. Für die Konstruktion einer Gummilinse, die an Kleinbildkameras verwendet werden kann, waren daher folgende Gesichtspunkte entscheidend

1. Ein äußerer Umfang, der das Mittragen zumindest nicht schwerer macht als die Mitnahme von drei Einzelobjektiven von z. B. 35 mm, 50 und 80 mm Brennweite.

2. Größtmöglichste Lichtstärke, die noch keine unhandliche „Kanone" voraussetzt.

3. Beste optische Korrektion für alle Brennweiten und Zwischenstufen, die um ein Beträchtliches präziser sein muß, weil im Standbild Fehler natürlich bedeutend augenfälliger werden als im Laufbild mit seinen rasch aufeinanderfolgenden „bewegten" Szenen.

Das aus 14 Einzellinsen bestehende Zoomar beschränkt sich nicht auf die drei üblichen Hauptbrennweiten der gebräuchlichen Wechselobjektive von 35, 50 und 80 mm, sondern umfaßt sämtliche in diesem Bereich möglichen Zwischenbrennweiten. Dadurch ist es möglich, schon bei der Aufnahme den jeweils passenden größeren oder kleineren Ausschnitt festzulegen. Voraussetzung dazu ist natürlich eine Spiegelreflexkamera, die die exakte Bestimmung des Bildausschnittes visuell gestattet.
Das Voigtländer Zoomar ist in erster Linie für die Bessamatic konstruiert worden, läßt sich aber auch noch an sieben weitere Kleinbild- Spiegelreflexkameras anpassen (Alpa, Asahi-Pentax, Edixa, Exakta, Minolta, Miranda, Pentacon).
In Verbindung mit der Bessamatic arbeitet das Zoomar vollautomatisch. Zur Entfernungseinstellung ist es in jeder Lage voll geöffnet, und erst knapp vor dem Auslösen des Verschlusses springt die Blende auf den vorgewählten Wert. Beim Weitertransport des Films nach der Aufnahme stellt sich die Blende von selbst wieder auf ihre volle Öffnung, d. h. 1:2,8, um ein möglichst helles und übersichtliches Sucherbild zu erhalten. Welchen Wert hat nun eine Gummilinse für die Praxis des Kleinbildphotographen ?

1. Er kann sich das Scharfeinstellen dadurch erleichtern, daß er zunächst die längste Brennweite wählt, weil dabei alles - wie durch eine Betrachtungslupe gesehen - größer im Bildfeld steht.

2. Mit der Sicherheit, so scharf als möglich eingestellt zu haben, kann er sodann den besten Bildausschnitt sozusagen „anpeilen". Der entlang der Objektivfassung vor und rückwärts verschiebbare

Brennweiten-Wählring braucht nur in der einen oder anderen Richtung verschoben zu werden, wobei sich der Abbildungsmaßstab - je nach Wunsch - vergrößert oder verkleinert. Es ist dabei nicht nötig, näher an das Motiv heranzugehen oder sich weiter von ihm zu entfernen, weil man vom selben unveränderten Standpunkt aus die Möglichkeit hat, durch einfaches Vor- oder Rückwärtsbewegen des genannten Ringes das Motiv an sich „heranzuziehen" oder von sich „fortzuschieben".

3. Bei Umkehraufnahmen besteht kaum eine Möglichkeit der nachträglichen Abänderung des Bildausschnittes, außer durch Abkleben der Ränder, die jedoch in der Projektionsfolge kleinere Bildgrößen auf der Leinwand nach sich zieht. Mit dem Zoomar läßt sich bereits bei der Aufnahme der endgültige und passende Bildausschnitt ohne jede Behinderung festlegen. Alle Kompromisse, zu denen die Wechselobjektive mit ihrer starren bzw. unveränderlichen Brennweite zwingen, fallen somit fort.

4. Da die gebräuchlichen Brennweiten von 36 bis 82 mm in einem einzigen Objektiv vereinigt sind, ist der Farbcharakter bei allen Aufnahmen der gleiche. Dadurch ergibt sich - die gleiche Farbfilmmarke vorausgesetzt - bei der Projektion die erwünschte Regelmäßigkeit und Geschlossenheit der Farbwirkung, die bei Verwendung unterschiedlicher Wechselobjektive mitunter variiert.

5. Schärfe und Belichtungszeit bleiben, sobald sie einmal festgelegt sind, in jeder Stellung unverändert gleich, ob nun an der untersten Grenze mit 36 mm oder an der obersten Grenze mit 82 mm Brennweite aufgenommen wird. Zum Brennweitenwechsel genügt ein sekundenschneller Schub am Wählring.

6. Da der Aufnahmeabstand bei Blitzlichtaufnahmen unverändert bleibt, gleichgültig, ob mit der langen Brennweite ein Porträt oder mit der kurzen eine Gruppe aufgenommen wird, muß auch die Leitzahl nicht geändert werden. In schnellster Folge ist es also möglich, sowohl eine ganze Szene, als auch sofort danach eine Einzelperson aus ihr „herauszuschießen", da die Blende nicht geändert werden muß.

Die Entfernungsskala umfaßt einen Bereich von 1,30 m bis m. Bei Verwendung von Vorsatzlinsen erweitert sich dieser Bereich bis auf etwa 27 cm.
Das Zoomar verdankt seine Entstehung der Zusammenarbeit der Firmen Zoomar Inc., New York, und der Voigtländer AG in Braunschweig. Es ist wohl zu erwarten, daß dieses System in Zukunft noch zu weiteren Entwicklungen, wie z.B. auf dem Gebiet der Projektion, führen kann.

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