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2009

DIE ERSTE GUMMILINSE FÜR DAS KLEINBILD-FORMAT

Für die Kleinbild-Fotografie eröffnet sich eine völlig neuartige photographische Aufnahmetechnik. Zum erstenmal wird jetzt ein pankratisches System, ein Objektiv mit kontinuierlich veränderlicher Brennweite im Bereich von 36 bis 82 mm angeboten, das den für die Kleinbild-Fotografie wichtigsten Bildwinkelbereich von 62xGRADx bis 30xGRADx umfaßt. Dieses Objektiv, ein Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen den Firmen Voigtländer, Braunschweig, und Zoomar, New York, ist ein weiterer wesentlicher Markstein auf dem Wege zur Automatisierung der Kamera und zu einer Vereinfachung des Fotografierens. Darüber hinaus wird bei der Kleinbild-Fotografie eine formatgerechte individuelle Gestaltung des Bildausschnittes ermöglicht und damit eine Aufnahmetechnik erschlossen, die bisher nur den Film- und Fernsehkameras vorbehalten war.

Die Entwicklung optischer Systeme mit veränderlicher Vergrößerung

Optische Systeme, bei denen eine Veränderung der Brennweite und damit des Abbildungsmaßstabes möglich ist, sind an und für sich lange bekannt. So wurden schon Ende des vergangenen Jahrhunderts Fernrohre mit veränderlicher Vergrößerung industriell gefertigt. Voigtländer lieferte vor etwa 40 Jahren bereits ein Zielfernrohr, das Panskopar, bei dem durch Verschiebung des Umkehrsystems die Vergrößerung von 3,5fach bis 6fach variiert werden konnte. Als Beispiel für ein anderes optisches System mit veränderlicher Brennweite sei der pankratische Kondensor der Fa. Zeiss genannt, der es ermöglichte, die Apertur des Mikroskopkondensors den Werten der Mikroobjektive anzupassen und somit beim Arbeiten mit Mikroobjektiven verschiedener Vergrößerung optimale Verhältnisse zu gewährleisten.
Es ist verständlich, daß auch in der Fotografie sehr bald der Wunsch nach Aufnahmeobjektiven mit kontinuierlich veränderlicher Brennweite entstand. Die Konstrukteure griffen das Problem auf zweierlei Weise an: Einmal in Anlehnung an die bereits bekannten teleskopischen Vorsätze, die in Verbindung mit einem normalen Aufnahmeobjektiv die Gesamtbrennweite in einem festen Verhältnis verlängern oder verkürzen, je nachdem der im allgemeinen als Galilei-Fernrohr ausgebildete Fernrohrvorsatz vergrößert oder verkleinert. Bei der Brennweitenänderung vermittels dieser Vorsatzsysteme ist nun für die resultierende Kombinationsbrennweite bereits eine für pankratische Systeme außerordentlich wichtige Forderung erfüllt: die bildseitige Schnittweite, das ist der Abstand der Brennebene von der Hinterlinse, bleibt für den Objektabstand „Unendlich" konstant, da die abbildenden Strahlen aus dem Vorsatz wieder parallel aus- und damit als Parallelbündel in das Grundobjektiv eintreten. Es ist somit keine Nachfokussierung der Kamera erforderlich. Die Erfüllung dieser Forderung konstanter Schnittweite macht bei pankratischen Vorsatzsystemen mit variabler Brennweiteneinstellung natürlich einen wesentlich komplizierteren Aufbau erforderlich, wobei mindestens drei Glieder benötigt werden, von denen im allgemeinen zwei variabel sind. Der andere Konstruktionsweg sah den Aufbau des pankratischen Objektivs als ein einheitliches, für sich korrigiertes System vor. Die Forderung nach einer für alle Brennweiten konstant bleibenden Schnittweite gilt natürlich auch für diese Konstruktion. Als Beispiele für diese beiden Konstruktionsprinzipien seien die beiden ersten auf dem deutschen Photomarkt erschienenen Systeme genannt: das Busch-Objektiv Vario Glaukar 1:2,8 als Gesamtsystem mit Brennweitenbereich 25-75 mm und der Astro-Transfokator mit einer Vergrößerungsänderung im Verhältnis 3: 1 als teleskopisches Vorsatzsystem. Beide Objektive sind nur für einen kleinen Bildwinkelbereich geeignet und wurden für die Kino-Schmalfilm-Fotografie benutzt.
Die Erfüllung der Forderung nach konstantbleibender Schnittweite hat wegen der Notwendigkeit gegeneinander verschiebbarer Linsenglieder eine Anordnung komplizierter mechanischer Fassungen, die durch Kurvenführungen gegeneinander verschoben werden, zur Folge. Im Rahmen der Weiterentwicklung pankratischer Systeme ist es jedoch gelungen, diese Forderung auf optischem Wege durch einen Aufbau des Systems aus fünf Linsengliedern, von denen zwei variabel sind, zu erfüllen, so daß zur Brennweitenvariation nur eine lineare Verschiebung der entsprechenden Linsenglieder erforderlich ist. Auf diesem Konstruktionsprinzip ist auch, wie noch ausführlicher erläutert wird, das Voigtländer-Zoomar aufgebaut.

Prinzipielle Forderungen und Schwierigkeiten bei pankratischen Objektiven für Kleinbild-Fotografie

Es ergibt sich nun die Frage, welches wohl die Ursachen dafür sind, daß ein Objektiv variabler Brennweite für das Kleinbildformat erst jetzt auf dem Photomarkt erscheint. Der größte Teil der besonders in den beiden letzten Jahrzehnten erteilten Patente auf pankratische Objektive ist für die Anwendung auf dem Schmalfilmgebiet vorgesehen. Dabei werden nur relativ kleine Bildwinkel benötigt. Beim Kleinbildformat ist jedoch der Bildwinkel für die Weitwinkelposition bei der kürzesten Brennweite wesentlich. Bereitet nun die Korrektion über ein großes Bildfeld bei Weitwinkelobjektiven konstanter Brennweite bereits einige Mühe, so sind die Schwierigkeiten im vorliegenden Falle um ein Vielfaches größer, zumal noch eine Reihe zusätzlicher Forderungen, die heute an ein modernes Objektiv dieses Typs gestellt werden, erschwerend hinzutreten

1. Die Verwendung des Objektivs in einäugigen Spiegelreflexkameras setzt eine lange Schnittweite voraus.

2. Bei der Brennweitenänderung muß die relative Öffnung erhalten bleiben, damit sich die Belichtung nicht verändert. Zu diesem Zweck muß entweder die Blende mitbewegt oder der Ausgleich auf optischem Wege erreicht werden.

3. Die Entfernungseinstellung muß von der eingestellten Brennweite unabhängig sein.

4. Die zur Brennweitenänderung erforderlichen Verschiebewege und der zur Korrektion der Bildfehler benötigte Aufwand an Linsen führt zu großen Baulängen dieser Systeme. Die unter großem Bildwinkel einfallenden Strahlenbündel durchstoßen dann besonders die Linsenflächen im Vorderglied in relativ großen Abständen von der optischen Achse und führen damit zu großen Linsendurchmessern.

5. Trotz dieser im Hinblick auf die gleichzeitige Korrektion der Bildfehler für die Bildmitte und den Rand sehr ungünstigen Bedingungen muß ein guter Korrektionszustand, der die gesteigerten Schärfeforderungen der Kleinbild-Fotografie berücksichtigt, erreicht werden. Bei Kinoaufnahmen machen sich ja bekanntermaßen geringe Unschärfen weniger störend bemerkbar, so daß hierbei gewisse Zugeständnisse hinsichtlich des Korrektionszustandes leichter möglich sind.

6. Beim Voigtländer-Zoomar bestand zusätzlich noch die Forderung, die Verwendung des Objektivs in einer einäugigen Spiegelreflexkamera mit festeingebautem Zentralverschluß zu ermöglichen. Dazu mußte die Schnittweite gegenüber der 1. Forderung noch weiter verlängert werden in Verbindung mit einer starken Einschnürung der Strahlenbündel, damit durch das im Durchmesser stark eingeengte Hinterglied keine Beeinträchtigung der Bildfeldausleuchtung eintritt.

7. Nicht zuletzt ist darauf zu achten, daß für Größe und Gewicht gewisse Maße nicht überschritten werden, damit das Objektiv noch für Freihand-Aufnahmen benutzt werden kann.

Der optische Aufbau des Voigtländer-Zoomar

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Das Voigtländer-Zoomar ist das Ergebnis einer langjährigen Entwicklungsarbeit. Dabei ist es gelungen, die aufgeführten Forderungen weitgehend zu erfüllen. Mit dem Brennweitenbereich zwischen den Werten 36 und 82 mm wird der in der Kleinbild-Fotografie wichtigste Bildwinkelbereich überstrichen und noch eine handliche Bauform des Objektivs erreicht. Eine Vergrößerung des Brennweitenbereiches wäre optisch ohne weiteres möglich, würde jedoch eine beträchtliche Verlängerung des Objektivs und, wegen des großen Blickwinkels in der Weitwinkelstellung, eine Vergrößerung insbesondere des Vordergliedes zur Folge haben.
Die vierzehn Linsen des Systems lassen sich funktionsmäßig in fünf Glieder unterteilen. Das erste Glied ist eine Meniskuslinse negativer Brechkraft, mit der die Objektentfernung eingestellt wird. Das zweite, aus zwei Sammellinsen aufgebaute Glied und das vierte, aus einer Sammel- und einer Zerstreuungslinse verkittete Glied sind zur Änderung der Brennweite variabel angeordnet und werden in einer gemeinsamen Fassung verschoben. Zwischen beiden Gliedern befindet sich starr in der ortsfesten Fassung das dritte Glied, dem in einem festen Abstande die Irisblende und als fünftes Glied das ebenfalls ortsfeste sechslinsige Hinterglied nachfolgen. Der einer bestimmten Blendenzahl entsprechende Durchmesser der Blende bleibt für alle Brennweiteneinstellungen konstant. Es ändert sich jedoch mit der Verstellung der variablen Glieder das Vergrößerungsverhältnis zwischen der Blende und dem vom Vorderglied entworfenen Blendenbild, der Eintrittspupille des Objektivs, in gleicher Weise wie die Brennweite. Dadurch bleibt für jede Brennweiteneinstellung der Quotient aus dem Durchmesser der Eintrittspupille und der Objektivbrennweite und damit das Öffnungsverhältnis konstant.
Durch den beschriebenen charakteristischen Aufbau des Vordergliedes aus variablen und feststehenden Gliedern wird sowohl die Möglichkeit der Brennweitenänderung durch eine einfache lineare Verschiebung als auch die Kompensation der Schnittweitenwanderung gewährleistet. Die Lage der Bildebene bleibt mithin für jede Brennweiteneinstellung bei jeder eingestellten Objektentfernung konstant. Es ist verständlich, daß bei diesem diffizilen Kompensationsvorgang wie bei jedem technischen Ausgleichsvorgang der Grad der Annäherung an den idealen, mathematisch exakten Wert über den gesamten Funktionsbereich hinweg eine Frage des günstigsten Kompromisses zwischen der zu fordernden Genauigkeit und dem vertretbaren Aufwand ist. Beim Voigtländer-Zoomar liegen die Restabweichungen innerhalb des Schärfentiefebereiches und bleiben damit bei üblichen Aufnahmen praktisch unmerklich. Trotz der erweiterten optischen Möglichkeiten ist die Bildleistung des Objektivs durchaus mit der von Objektiven konstanter Brennweite zu vergleichen. Bei den großen Brennweiten können unter Umständen die Restfehler der Verzeichnung merkbar werden. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Aufnahmen ist diese Erscheinung jedoch ohne jede Bedeutung.

Die Benutzung einer Gummilinse ergibt den gerade für Farbaufnahmen wichtigen Vorteil, daß der Farbton der Diapositive völlig einheitlich ist. Bei Wechselobjektiven ist diese Forderung wegen des unterschiedlichen Aufbaues der Objektivtypen und der verschiedenen verwendeten Gläser bisweilen nur mit großen Schwierigkeiten zu erfüllen.
Das Voigtländer-Zoomar wird für die Bessamatic-Spiegelreflexkamera, aber auch für zahlreiche andere Spiegelreflexkameras mit Schlitzverschluß geliefert. In der Wechselfassung für die Bessamatic ist das Objektiv mit einer automatischen Springblende ausgerüstet. Beim Auslösen der Kamera springt die Blende selbsttätig auf den mit dem Belichtungsmesser eingestellten Blendenwert. Das Spannen der Springblende und die Rückführung auf volle Öffnung erfolgt gleichzeitig mit dem Filmtransport.
Bei der Ausführung für Spiegelreflexkameras mit Schlitzverschluß wird die Auslösung der Vorwahl-Springblende über ein Auslösekabel bewirkt. Nach der Aufnahme ist in bekannter Weise die Springblende zu spannen. Dabei wird gleichzeitig die Blende auf die größte Blendenzahl geöffnet. Die aus der jeweiligen Belichtung sich ergebende Blendenzahl wird am Vorwahlring eingestellt.

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