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Alexander Borell über:

Die Hasselblad

Die Hasselblad - das ist mehr als nur eine Kamera mit Zubehörsystem. Die Hasselblad ist fotografische Weltanschauung, das Hasselblad-System ist ein Symbol für schöpferisches Denken, für eine Synthese aus Geist, industrieller Fertigkeit und praxisgerechter Erfüllung in allen Anwendungsgebieten, die diese Kamera und ihr System eröffnen. Die Kamera und ihr System sind übrigens 25 Jahre alt geworden - aber immer noch so jung und zeitlos, wie am ersten Tag ihres Bestehens. Ohne Hasselblad wäre unsere Welt der Fotografie um vieles ärmer. Red.

Wenn Sie ihre guten Jahre hinter sich haben und in die besten Jahre gekommen sind, dann können Sie es sich als gestandenes Mannsbild gelegentlich leisten, eine hübsche Frau prüfend anzuschauen und zu sagen: "Na, wie wär's mit uns?" Aber selbst in Ihren besten Jahren werden Sie, wenn Sie nicht ein völlig ausgekochter Bursche sind, das gleiche mit einer Königin kaum tun. Erstens gibt es nicht mehr viele, und zweitens kommt man ja nicht so ohne weiteres in die Situation, einer Königin ein solches Angebot unter vier Augen machen zu können. Und drittens fragt man sich gerade als gestandener Mann, ob sich dann der Aufwand überhaupt lohnt.
Etwa so weit entfernt wie eine Königin war von mir bis jetzt immer die nun schon beinah legendäre 6x6 Kamera Hasselblad. Ich habe es nie recht gewagt, mir einfach mal eine unter den Nagel zu reißen, sondern sie war für mich eine Idealkamera, in den Händen von Profis gelobt oder gescholten, aber doch eben nichts für mich als normalen Sterblichen.
Das scheint auch anderen Amateuren ähnlich zu gehen, denn gerade am Telefon höre ich in zunehmendem Maße die Frage nach mittelformatigen Kameras, man fragt mich nach allen möglichen Fabrikaten, aber nie nach der Hasselblad. Das hat sicherlich zum Teil seine Ursache darin, daß der Aufwand, mit einer Königin intim zu sein, eben doch wesentlich größer ist, man glaubt, das sei einfach eine Nummer zu weit für unsereins. Andererseits dachte ich mir, es könne nichts schaden, diese Frage doch einmal gründlich zu untersuchen, und ich will das Ergebnis vorwegnehmen: Man muß recht gut bei Kasse sein, um mit der Dame Hasselblad zum wahren intimen Vergnügen zu kommen. Denn es gehört halt schon ein zweites Magazin dazu, vielleicht auch der handliche Meßsucheraufsatz mit schrägem Einblick, und natürlich, neben dem Standard-Planar 2,8/80, der 40iger Weitwinkel und das 150iger Tele. Da es sich hierbei durchwegs um Zeiss-Objektive handelt, die außerdem für die Hasselblad noch alle mit einem eigenen Zentralverschluß ausgerüstet sind, kostet Sie dieses Vergnügen über den Daumen gepeilt etwa soviel wie ein mittlerer BMW.
Aber hier beginnen schon die von der Liebe sehr verschiedenen rein materiellen Berechnungen. Für einen BMW, für den Sie neu aus dem Laden zwischen 15-20.000,- Mark bezahlt haben, bekommen Sie nach einem Jahr nur noch die Hälfte, nach 3 Jahren bekommen Sie für ihn nur noch die Hälfte von dem, wofür Sie dann Ihre gebrauchte Hasselblad-Ausrüstung verkaufen könnten. Sie legen also Ihr Geld mit einer Hasselblad-Ausrüstung besser und wertbeständiger an. Wenn Sie darüber hinaus weiter bedenken, daß Sie - falls Sie der richtige Mann am Drücker, bzw. Auslöser sind, von dieser Ausrüstung bereits leben können, dann sind Sie, verglichen mit einem kleinen Dorffriseur, fein heraus: Er muß mindestens das Doppelte, wenn nicht die dreifache Summe in seinen Laden investieren, um damit Geld zu verdienen. So betrachtet, ist also die Hasselblad eine sehr preiswerte Existenzgrundlage. Selbstverständlich hinkt dieses Beispiel schwer. Ich kenne nämlich bisher noch keinen Menschen, dessen Hobby es war, Haare zu schneiden, zu färben oder Dauerwellen zu machen, und der sich das Hobby so viel Geld kosten ließ. Wir aber sind ja Amateure, Liebhaber in des Wortes wahrer Bedeutung Liebhaber der Fotografie, und
erst recht Liebhaber schöner und guter Kameras. Wohl dem, der dann für dieses Hobby 15 Mille auf den Tisch legen kann! Immerhin bekommen Sie die Hasselblad mit Standardobjektiv und Magazin, also fotografierfertig für einiges unter 3000 Mark. Sie ist damit nicht die allerteuerste ihrer Art, aber es gibt auch einige preiswertere.
Einen Teil Ihres Geldes legen Sie bei der Hasselblad für den Namen dieser Kamera an, einen anderen Teil für Ihr persönliches Prestige. Denn es ist natürlich schön, so nebenbei sagen zu können, daß man mit einer Hasselblad fotografiert, das hebt den fotografischen Kredit und das Selbstbewußtsein.
Ich hatte die Gelegenheit, längere Zeit mit dieser Kamera zu arbeiten. Sie ist, das kann ihr niemand nehmen, von allen Kameras dieser Konstruktion die kleinste und wahrscheinlich auch die handlichste. Das ist sicherlich einer der Hauptgründe, weshalb sich Profis gerade immer wieder für die Hasselblad entscheiden. Daß sie bei mir im normalen Gebrauch einige Dutzend Filme klaglos verarbeitet hat, ist kein Kriterium. Sie tut das aber auch seit vielen Jahren und in ganz anderen Stückzahlen im harten Einsatz bei den Profis. Daß sie trotzdem nicht mehr ganz jung ist, und daß sich der auf Profit und Sparsamsamkeit bedachte schwedische Hersteller gerade ängstlich davor gehütet hat, irgendwelche Neuerungen an dieser Kamera vorzunehmen, tut ihr bei der Arbeit kaum Abbruch. Trotzdem empfinde ich es als unbefangener Liebhaber als wenig freundlich, daß ich z. B. das Okular am Meßprisma nicht auf meine Dioptrienzahl einstellen kann. Ich finde es ebenso unzumutbar, daß man in all den Jahren an dieser Kamera kein Plätzchen fand, wo man den Kassettenschieber unterbringen kann, wenn man ihn herausgezogen hat. Und bei der Arbeit am Gardasee war ich, mangels aller anderen Möglichkeiten gezwungen, ihn in meine Badehose zu stecken, wo er später beinahe wie eine Guillotine funktioniert hätte. 
Ich mache auch kein Hehl daraus, daß ich bisher gern mit der Rollei SL 66 gearbeitet habe, und daß es meinen nicht gewerkschaftlich organisierten Händen mehr liegt, mit drei Fingern meiner linken Hand den gesamten Einstellbereich von unendlich bis nahe durchfahren zu können, statt mit der rechten an einem großen Ring, der noch dazu sehr zügig geht, drehen zu müssen. Aber der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier, und bei der praktischen Arbeit mit der Hasselblad habe ich gemerkt, daß man während des Arbeitens den Bereich von unendlich bis auf 1 Meter höchst selten ganz durchfährt, meistens bleibt man in einer Ebene und die läßt sich wiederum auch an Hasselblad-Objektiven leicht im Griff behalten. Vielleicht ist es auch sympathisch zu wissen, daß jedes Objektiv seinen Zentralverschluß hat. Wenn einmal ein Verschluß wirklich nicht mehr funktioniert, kann man auf andere Objektive ausweichen. Außerdem kann man mit allen bis zur 1/500 sek. blitzen, und wenn schließlich bei der Hasselblad der Hilfsverschluß streikt, ist dieses Gehäuse - hat man es als einziges genauso überflüssig, wie ein anderes Gehäuse mit einem nicht mehr funktionierenden Schlitzverschluß.
Wenn ich nicht falsch unterrichtet bin, gibt es aber zu keiner anderen Kamera dieses Formates auf der Welt ein so umfangreiches Zubehör, und wollte ich alles kaufen, was mir beim Durchblättern der Zubehörliste so in etwa gefallen würde, ginge die Summe rasch auf 50 Mille. Für einen Profi wiederum verglichen mit einem ländlichen Frisiersalon bestimmt noch preiswert, für uns Amateure eine königliche Summe. Das aber muß man ja nicht alles haben, und vor allem nicht alles gleich auf einmal. Aber auch das ist ein Vorteil: Auf der photokina wird bei Hasselblad nichts passieren, was diese Kamera entwertet. Man kann einen 5-Jahresplan aufstellen und hat am Ende dieser 5 Jahre im großen und ganzen genau das in der Hand, was andere Leute schon vor 10 Jahren haben konnten. Diese konservative Einstellung bringt eine finanzielle Sicherheit für den Käufer mit sich, noch mehr für Herrn Hasselblad, denn jede Neuerung kostet Geld, und das gibt Herr Hasselblad, was ich bis jetzt von ihm weiß, nur höchst ungern aus. Somit kauft man sich mit einer Hasselblad zugleich ein Stück Zukunft.
Ich finde es immer ein wenig rührend, wenn ich woanders lese, eine Kamera mache sehr gute Bilder, eine andere weniger gute. Die Hasselblad ist eine der besten Kameras der Weit, die zu dieser Kamera lieferbaren Zeiss-Objektive sind die besten der Welt: Wie die Bilder zu dieser Kamera werden, liegt ausschließlich an dem, der sie benützt.
Vor wenigen Monaten noch hätte sie mich so fasziniert, daß ich sie mir gekauft hätte. Wenn ich das im Augenblick nicht tue, dann nur deshalb, weil ich mir gerade ein Motorboot anschaffen möchte, das ungefähr soviel kostet wie diese Kamera mit den vier wichtigsten Objektiven.
Schließlich ist es vielleicht nötig, noch einen anderen Punkt zum Thema Hasselblad zu erwähnen. Ich arbeite nun seit über 20 Jahren in dieser Branche, und auch damals gab's schon die Hasselblad. Wollte man aber etwas von diesen Leuten, hatte man bis vor kurzer Zeit das Gefühl, es sei eine Art Gnadenakt, wenn jemand von der deutschen Hasselblad-Vertretung, der Firma Nordic, es überhaupt für nötig hielt, mit einem zu sprechen. Das hat sich in der Zwischenzeit geändert: Die Königin ist bereit, unters Volk zu gehen. Vielleicht führt das dazu, daß nun auch das Volk sich öfters mit seiner Königin beschäftigt. Ich würde das im beiderseitigen Interesse für segensreich halten.

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