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Artikel
2009
Wir stellen vor
Die Vollautomatischen der Saison 1960
Was ist das eigentlich: Vollautomatisch? Ein Thema, über das in den vergangenen Wochen und Monaten viel geschrieben und fast noch mehr diskutiert worden ist. Eine Entwicklung im Kamerabau, die, wenn sie in ihrer augenblicklichen Form vielleicht auch noch kein absolutes Endstadium erreicht hat, doch in gewissem Sinne einen Höhepunkt darstellt, der eine eingehende Betrachtung lohnt.
„Mach' dir das Leben leicht" - vom Kühlschrank bis zum Fernsehgerät ist uns technischer Komfort heute selbstverständliches Bedürfnis. War es da nicht zu erwarten, daß diese Entwicklung früher oder später auch das gewiß nicht unbedeutende Hobby „Fotografie" erfassen würde ? Konnte man nicht laure- und jahrzehntelang immer wieder das Argument hören: „ja, wenn das Fotografieren nicht gar so kompliziert wäre!" Jetzt also sind sie da, die „vollautomatischen" Kleinbildkameras, in denen scheinbar Unvereinbares so etwas wie eine Ehe eingegangen ist: das Bedienungsideal der einfachen Box und das Leistungsideal einer Präzisionskamera. Es ist durchaus anzunehmen und wohl auch das Endziel dieser neuen Entwicklung, daß nun, da technische Hemmnisse entfallen, die Sprache der Bilder von einem noch größeren Kreis als bisher nicht nur verstanden, sondern selbst gesprochen wird.
Es fehlen auch nicht die kritischen Stimmen. Die Stimmen derer, die in dieser neuen „Ära der Fotografie" nichts anderes als eine Verflachung, den Zug zur kritiklosen Anspruchslosigkeit sehen wollen und die Gefahr einer Bilderflut ohnegleichen. Man kann diese Meinung teilen oder sie ablehnen - sicher ist, daß durchaus zwei Wege zum Hobby „Fotografie" führen können - der eine über das unkomplizierte Bild und der andere über die individuell angewandte, gestaltende Technik. Und was die „Bilderflut" anbelangt - sie fand immer schon ihre ganz natürlichen Grenzen im Fassungsvermögen von Schublade, Album und Diamagazin! Bleiben wir also beim Thema und wenden wir uns der technischen Seite dieser neuen Entwicklung zu.
Was ist das eigentlich: Vollautomatisch? Zur Klärung der Begriffe und um es gleich vorwegzusagen: es ist (noch ?) keine „Totalautomatik" mit selbsttätiger Abstimmung von Blende und Belichtungszeit auf Schärfentiefe und Bewegung des Aufnahmeobjekts. Und auch keine, wie auch immer konstruierte „Motivklingel". Es ist: ein bisher unerreichtes (und, seien wir ehrlich, noch vor wenigen Jahren für undenkbar gehaltenes) Höchstmaß an Bedienungsvereinfachung der Kamera und damit an Fotografierkomfort. Vollautomatisch Fotografieren, das heißt: nicht das „Wie" und das „Warum" des Funktionsablaufs in der Kamera interessiert, sondern einzig und allein das Endergebnis, das fertige Bild!
Technisch gesehen also sind die neuen vollautomatischen Kameras ein (vorläufiger ?) Höhepunkt, das Ergebnis einer zwangsläufigen Entwicklung zur Vollautomatik, die schon früh mit der Kupplung von Filmtransport und Verschlußaufzug, von Entfernungsmesser und Objektiv-Scharfeinstellung begann und über die Zeit/Blenden-Kupplung im Lichtwertverschluß und den Nachführ-Belichtungsmesser zur automatischen Belichtungseinstellung führt. - Es ist die Entwicklung von einer Vielzahl meist komplizierter Einstell- und Bedienungshandgriffe an der Kamera hin zum Bedienungsideal: Blick durch den Sucher - und auslösen !
Eine Entwicklung, deren Resultat genaugenommen in erster Linie das Zusammenwirken von Verschlußautomatik und Belichtungsmesser ist (wobei - für die Zukunft - noch das Problem zu lösen wäre, wie auch Verschlußaufzug und Filmtransport in den durch die Betätigung des Auslösers eingeleiteten, automatischen Ablauf der Kamerafunktionen einzubeziehen sind).
Die Forderung also lautete: automatische Belichtungseinstellung, die sowohl einen weitgespannten Aufnahmebereich (mit verschiedenen Zeiten und Blenden) bietet als auch die Verwendung verschieden empfindlicher Filme ermöglicht und die darüber hinaus gleichmäßige Aufnahmeergebnisse auf Schwarzweiß- und Farbfilm im Rahmen der von der Belichtungsautomatik erfaßbaren Beleuchtungsverhältnisse durch einen einzigen Druck auf den Auslöser gewährleistet.
Diese Forderung wurde erfüllt in den belichtungsmesser-gekuppelten Zentralverschlüssen Deckel Compur und Gauthier Prontormat-S bzw. Prontor-Lux.
Compur
Mit Belichtungsmesser gekuppelt. Betätigung des Kameraauslösers leitet folgende Funktionen ein
a) Automatik: (Einstellung am Blenden-Stellring). Belichtungsmesser-Abtastung und selbsttätige Einstellung der Blende von 2,8 bis 22, entsprechend den Lichtverhältnissen. Freie Zeitenvorwahl im Bereich von 1/“ bis 1/5“ Sek. möglich.
b) Handbetätigung, „manuell": Automatik abgeschaltet. Vorwahl der Verschlußzeit B, 1/30 bis 1/500 Sek. mit Zeitskalenring. Einstellung der zugehörigen Blende von 2,8 bis 22 mit Blenden-Stellring.
c) Blitz: Automatik abgeschaltet. X-Synchronisation, Einstellung von Zeit und Blende wie unter b. 1/30 Sek. bei Vaku-, 1/30 bis 1/500 Sek. bei Elektronenblitz.
Einstellung der Filmempfindlichkeitswerte von 10xGRADx bzw. 12xGRADx DIN bis 31xGRADx bzw. 33xGRADx DIN mit Zwischenwerten.
Prontormat-S
Gekuppelt mit Belichtungsmesser. Druck auf Auslöser setzt folgende Funktionen in Gang (Einstellung von 1-3 mit Wahlring)
1. Automatik: Selbsttätige Abfrage des Belichtungsmeßwerts und Einstellung eines den jeweiligen Lichtverhältnissen entsprechenden, bildgünstigen Zeit/Blendepaars (Blende 2,8 = 1/30 Sek. bis Blende 22 = 1/300 Sek.).
2. Blitz: Automatik abgeschaltet. Konstante Verschlußzeit „B", Blendeneinstellung von 2,8 bis 22 von Hand.
3. Blitz oder Handbetätigung: Automatik abgeschaltet. Konstante Verschlußzeit 1/30 Sek. und X-Kontakt für Elektronen- und Vakublitz. Einstellung der Blenden von 2,8 bis 22 von Hand. Filmempfindlichkeits-Einstellung von 11xGRADx bis 27xGRADx DIN.
Prontor-Lux
Gekuppelt mit Belichtungsmesser. Einstellung der Funktionen mit Wahl- und Filmwert-Einstellring
1. Automatik: Selbsttätige Meßwertabfrage und Blendensteuerung im Bereich von 2,8 bis 22 entsprechend der jeweils einer Filmempfindlichkeit zugeordneten Verschlußzeit
2. Blitz: Automatik abgeschaltet. X-Kontakt für Elektronen- und Vakublitz, konstante Verschlußzeit 1/30 Sek., Blendeneinstellung 2,8 bis 22 von Hand.
Einstellung „B" bei Blende 2,8 möglich.
Wir setzen gemeinsame technische Merkmale, wie Schnellschalthebel, Doppelbelichtungs- und Leerschaltsperre, Bildzählwerk, Rückspulknopf oder -kurbel usw., als bekannt voraus und beschränken uns im erläuternden Begleittext deshalb auf optische Ausstattung, Anwendungsbereich, „besondere Kennzeichen" und Preis.
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