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Artikel
Testlinie
Alexander Borell über:
Mamiya RB67 Professional S
Wie schon in COLOR 3/75 angedeutet, hatte ich inzwischen Gelegenheit, mit der neuen Mamiya RB 67 Professional S zu arbeiten. Sie wird gerade jetzt, während Sie diese Zeilen lesen, an den Handel ausgeliefert.
Diese Kamera ist keine umwälzende Neukonstruktion. Es gibt "die RB 67" schon lange, und sie dürfte keinem Leser dieser Zeitschrift unbekannt sein. Sicher gibt es auch viele Leser, die meinen Artikel über diese universellste aller Mittelformatkameras im Februarheft 1974 (!) gelesen haben. Inzwischen aber haben sich die ständigen Leser von COLOR um weitere runde 10.000 vermehrt. Ich glaube, daß ich es auch diesen neuen Lesern schuldig bin, einiges über diese Mamiya RB 67 Professional S sagen zu sollen, selbst wenn ich mich gelegentlich wiederhole.
Nach wie vor ist an dieser Kamera im Format 6x7 cm der Drehrahmen das markanteste Kennzeichen. Vermutlich fing man seinerzeit beim Mittelformat überhaupt nur deshalb mit dem quadratischen 6x6 cm an, weil es bei den damals vorhandenen Kameras mit Schwierigkeiten verbunden war, hochformatige Aufnahmen zu machen. Beim Quadrat kann man die Kamera immer gleich halten und immer von oben auf die Mattscheibe schauen. Prismensucher, die seitenrichtig abbilden, gab es ja erst später. Stets aber blieb die alte Streitfrage im Raum: Wer verwendet schon quadratische Bilder? Man muß also beim Quadrat immer Material opfern, um nachträglich ein hoch- oder querformatiges Bild daraus zu vergrößern.
Mamiya hat in eine bewegliche und universelle Mittelformatkamera etwas hineingebaut, was es sonst bisher nur bei großen professionellen Atelierkameras gab: Die RB 67 bekam einen drehbaren Rahmen, der die Kassette aufnimmt. Nun war es möglich, bei gleicher Kamerahaltung wahlweise die Kassette auf Hoch- oder Querformat zu drehen.
Beim bisherigen Modell war die Stellung "hoch" oder "quer` nur auf dem Drehrahmen symbolisch angezeigt. Im Eifer der Arbeit könnte man dieses kleine Symbol leicht übersehen und schoß nun quer, obwohl die Kassette auf "Hochformat` stand oder umgekehrt. Bei dem neuen Modell "S" grenzen bei Querformat zwei deutliche rote Balken das Bild im Sucher ab, so daß dieses Querformat nicht zu übersehen ist. Dreht man den Rahmen mit der Kassette auf Hochformat, verschwinden die roten Balken, und es bleibt nur die Formatbegrenzung für das Hochformat sichtbar.
Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, das Objektiv bei jeder Entfernungseinstellung zu verriegeln. Versehentliches Zusammenschieben des Balgens bei grober Berufsarbeit, insbesondere mit einer langen Brennweite, ist damit nicht mehr möglich. Selbstverständlich gibt es mehrere Mattscheiben, die mit einem Handgriff untereinander auswechselbar sind. Es läßt sich nicht nur die Kassette, sondern auch der Drehrahmen abnehmen und durch andere Verbindungsstücke ersetzen. Hierdurch ist es möglich, auch ein Polaroidrückteil zu verwenden. Dies ist ganz besonders interessant, seit es den neuen Polaroid-Film Typ 105 gibt, der einerseits nach der üblichen Methode ein Sofortbild als Kontrolle liefert, zusätzlich aber auch noch ein unerhört feinkörniges Negativ, das sich beinahe in jeder beliebigen Dimension vergrößern läßt. Es ist ein Genuß, mit dieser Kamera zwei oder drei gezielte Aufnahmen zu machen, mit denen man schon wenige Minuten später in der Dunkelkammer am Vergrößerungsgerät weiterarbeiten kann. Auch hier, mit dem Polaroidrückteil, steht Ihnen wieder das voll ausnützbare Format 6 x 7 cm in Hoch oder Quer zur Verfügung.
Ein Geräteschuh an der linken Kameraseite ist eine angenehme Zugabe, und daß bei diesem Modell die Suchersysteme gegen versehentliches Lösen von der Kamera extra abgesichert sind, erscheint mit ebenfalls wichtig. Der neue Lichtschacht braucht nicht mehr wie bisher gefaltet zu werden, er funktioniert auf Fingerdruck automatisch.
Auch die Magazine sind neu konzipiert worden. Sie waren vielleicht der schwächste Punkt bisher, denn wenn man nicht mit voller Konzentration auf die Kamera arbeitete, konnte es leicht zu ungewollten Doppel- bzw. Mehrfachbelichtungen kommen. Die neuen Kassetten verhindern versehentliche Doppelbelichtungen, ermöglichen sie aber dann, wenn man sie wirklich haben will.
Wer von einem anderen System kommend, zum ersten Mal diese schwere Mamiya RB 67 Professional S in die Hand nimmt, ist geneigt zu glauben, er könne vielleicht mit weniger Gewicht das gleiche erreichen. Es gibt Mittelformat-Spiegelreflex-Kameras, die weniger wiegen, und wem es nur ums Tragen zu tun ist, der wird keine RB 67 wählen. Es gibt aber keine Mittelformat-Spiegelreflex-Kamera, die an Leistung soviel bietet, wie die RB 67. Alle technischen Möglichkeiten wie Magazine, Drehrahmen und eingebauter Balgen, erfordern nun einmal Konzessionen an Volumen und Gewicht. Es hängt jedoch davon ab, welchen Gegenwert an technischen Möglichkeiten ein Fotograf für sein Geld bekommt. Ich glaube, es kann mir niemand widersprechen, wenn ich die Ansicht vertrete, daß es augenblicklich auf dem Weltmarkt keine zweite Kamera gibt, die technisch so viele Möglichkeiten für so wenig Geld bietet.
Natürlich ist "wenig Geld" ein relativer Begriff. Bisher kostete die RB 67 komplett mit Lichtschacht, einem Magazin, dem Drehrahmen und dem Standardobjektiv 3,8/127 einiges unter DM 2000,- Das neue Modell, die Professional S, wird jetzt etwas teurer sein. Alles Schöne auf der Weit ist ja im Laufe des letzten Jahres teurer geworden, hier aber bekommen wir für mehr Geld auch tatsächlich eine verbesserte Kamera. Die Preisrelationen in der Aufstellung am Ende dieses Artikels beziehen sich noch auf das bisherige Modell. Trotzdem ergibt sich ein gewisser Überblick, wie günstig diese Kamera liegt, erst recht dann, wenn man sie auf ihre Leistung hin prüft.
Auch die Objektive sind neu gestaltet worden. Ich meine, sie hatten es dringend nötig, denn bisher konnten Böswillige sagen, sie sähen aus, wie die Trichter von Milchzentrifugen jedenfalls schön und technisch perfekt sahen sie äußerlich tatsächlich nicht aus. Leistungsmäßig liegen die MAMIYA-Sekore nach meinen Erfahrungen an der Spitze des Weltmarktangebotes. Es gibt Leute, die sie nicht nur mit den Zeiss-Objektiven der Hasselblad vergleichen, sondern sie sogar noch für besser halten. Nach meinen bisherigen Tests stimmt das nicht. Sie arbeiten ein wenig härter und erwecken bei oberflächlicher Prüfung dadurch den Eindruck größerer Schärfe. Immerhin ist diese Vermutung mancher Mamiya-Besitzer ein Beweis für die hohe Qualität dieser Objektive, die jetzt auch äußerlich dem angeglichen sind, was man sonst von Spitzenobjektiven der Weltklasse gewöhnt ist.
Jedes dieser Objektive hat einen Zentralverschluß für sich. Das hat nach meiner Ansicht den einzigen Nachteil, daß ich mit den Verschlußzeiten nicht so hoch gehen kann, wie mit einem Schlitzverschluß. Es bieten mir aber diese Objektive den weit größeren Vorteil, daß ich mit dem Elektronenblitz in jede Verschlußzeit blitzen kann, und daß mir bei Ausfall eines Objektivs immer noch die Möglichkeit bleibt, mit dem anderen weiter zu fotografieren. Fällt hingegen ein Schlitzverschluß in der Kamera aus, nützt mir auch ein ganzer Koffer voll Objektive nichts mehr.
Es gibt bisher, soviel ich weiß, noch keine Mittelformatkamera, mit einem so universellen Anwendungsbereich, denn selbstverständlich gibt es zu dieser RB 67 auch verschiedene, dem jeweiligen Verwendungszweck bestens angepaßte Suchersysteme.
Ob man sie nun als reine Atelierkamera verwenden will, oder ob man um einer vollendeten Fotografie willen diese Kamera auch mit hinaus nimmt, ist einesteils eine Frage der körperlichen Konstitution, zum anderen aber tatsächlich eine Frage der gewünschten oder erforderlichen Qualität der Aufnahme.
Wer Spitzenqualität verlangt, muß schleppen. Das ist überall so, und der Film von der Durchkletterung der Eiger-Nordwand, den ich im Fernsehen sah, wurde auch nicht mit einer Agfa Microflex gedreht - so gut das kleine Ding auch ist.
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