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Testlinie
Alexander Borell über:
Olympus OM-1 MD
Viele Fotografen meinen, daß Motorkameras a.) schwer und b.) vorwiegend eine Sache für Spezialisten (z. B. Sportfotografen) seien. Punkt a.) stimmt meistens, Punkt b.) grundsätzlich auch. Der Sinn einer Motorkamera liegt natürlich besonders in der schnellen Serie - ebenso reizvoll ist aber auch das blitzschnelle Nachschießen von weiteren Aufnahmen eines bestimmten Motives. Und daß es auch eine extrem leichtgewichtige Einheit von Motor + Kamera gibt, das zeigt die Olympus OM-1 MD. Womit bewiesen ist, daß der technische Fortschritt in der Fotografie sehr wohl auch bildmäßige Fortschritte ermöglicht und uns dennoch nicht belastet. Red.
Heldentaten wurden zu allen Zeiten besungen. In der Fotoindustrie bedeutet es nach meinen Erfahrungen eine Heldentat, wenn jemand schon nach drei Jahren etwas Neues macht, und nicht erst nach 30 Jahren. Und dies ist nicht, wie sonst bei mir üblich, maßlos übertrieben. Erinnern Sie sich einmal bitte zurück: Als Mr. Eastman den ersten Rollfilm produzierte, transportierte er ihn in der Kamera weiter, wie man dies seit Erfindung des Rades getan haben würde: durch Drehen.
Als Herr Barnack die Leica erfand, machte er außen einen geriffelten Knopf dran, mit dem man den Film weitertransportieren konnte. Und dieser Knopf blieb uns auf Zeit und Ewigkeit erhalten. Bis zum Kriege drehten wir an geriffelten Knöpfen, bei den inzwischen hochgezüchteten Leitz-Modellen ebenso wie bei der nachempfundenen Contax von Zeiss, aber wir drehten auch an unzähligen anderen, heute längst vergessenen Kameras.
Etwa in den 50iger Jahren geschah dann etwas Sensationelles. Da gab es eine Metallwarenfabrik, die u. a. auch Fahrradglocken herstellte. Damit vermutlich nicht genug ausgelastet, entschloß man sich, auch preiswerte Kameras zu fabrizieren. Herr Niggeloh sen., Chef dieser Firma, betrachtete eines Tages voll Interesse eine geöffnete Fahrradglocke und entdeckte dabei, daß man die Bewegung eines Hebels in eine Drehbewegung umsetzen konnte. Und da geschah endlich, also nach einer ganzen Generation von Drehern, das Wunder. Der Schnellschalthebel an den Kameras war erfunden!
Inzwischen ist eine weitere Generation erwachsen geworden, lind es amüsiert mich immer wieder, mit welch geradezu rührender Stupidität Kamerafabrikanten und deren Werbeagenturen in Anzeigen ihrer neuesten Modelle, lobend erwähnen, daß dieses modernste Prachtstück den Film mittels "Schnellschalthebel" fortbewegt. Das ist etwa genauso, wie wenn Daimler Benz in seiner Werbung für einen Mercedes 450 betonen würde, daß die Scheinwerfer elektrisch aufleuchten und nicht mit Karbid betrieben werden müßten.
Trotzdem kreisen die Gedanken der Fabrikanten und der Werbeleute hin und wieder um diesen Schnellschalthebel. Man hat ihn bequemer gemacht, man kann ihn von der Ruhestellung an der Kamera bis zur Daumenfreundlichkeit ausschwenken, und anschließend behaupten manche, man brauche die Kamera beim Weiterschalten nicht vom Auge zu nehmen.
Tatsächlich funktioniert dies bei keiner. Man kann sie sich höchstens auch während des Welterschaltens wie ein Brett vors Hirn halten, aber der einmal im Sucher sorgfältig gewählte Bildausschnitt ist nach dem Weiterschalten unweigerlich futsch.
Wenn man auf den Auslöser drückt, tut man es ohnedies nur dann, wenn man glaubt, es stimme alles: Bildausschnitt, bei spielenden Kindern die Szene, beim Porträt der Gesichtsausdruck und beim Sport der richtige Augenblick. Jäger mucken bekanntlich nicht: Sie behalten das Auge auch beim Schuß offen und können, wenn sie gute Schützen sind, mit ziemlicher Präzision sagen, wo sie "abgekommen` sind. Gute Fotografen können das auch. Aber was nützt das, wenn man zum Nachschießen erst schalten und dann das ganze Bild wieder suchen muß?
Einfach tut man es heute nicht mehr: Ich empfand die Möglichkeit des blitzschnellen zwei- und dreimaligen Nachschießens vor 25 Jahren bei den Robot-Modellen mit ihrem Federwerk stets als besonders angenehm. Diese einfache Lösung kann man Kunden heute, wo sie Elektronik erwarten, natürlich nicht mehr anbieten. Aber es gibt heute schon eine ganze Reihe von Kameras, deren Filmtransport von einem Motor besorgt wird.
Gewöhnlich glauben der Laie und der Amateur, das Wichtigste an einem Motortrieb (motor drive = MD) sei die Möglichkeit, eine Art Film mit dieser Kamera zu produzieren und Bewegungsabläufe mit mehreren Bildern pro Sekunde festzuhalten. Ich betrachte diese Möglichkeit in vielen Fällen als Notwendigkeit, für mich ist aber das Nachschießen, wie oben beschrieben, eigentlich noch viel wichtiger. Ich kann die Kamera mit Motorantrieb wirklich am Auge lassen und bekomme so nahezu von jeder Situation optimale Aufnahmen mit feinsten Korrekturen im Sucher. Das ist es, weshalb sich anspruchsvolle Amateure für Motorkameras interessieren, sollten.
Natürlich haben diese Kameras, ohne Motor schon nicht gerade leicht, mit der Maschinerie zusammen, ein sehr beträchtliches Gewicht.
Eine, im ersten Augenblick geradezu verblüffende Handlichkeit bietet sich bei der Olympus OM-1 MD.
Die Kamera selber ist nicht neu, mein Kollege Meisnitzer hat sie in COLOR 9/73 schon ausführlich besprochen, sie ist inzwischen auch weit verbreitet, und es erübrigt sich, über die Kamera selber noch viel zu sagen. Erwähnen sollte man vielleicht immer wieder, daß ihr Verschluß einer der leisesten auf dem Weltmarkt ist und ihr Sucherbild eins der hellsten und größten. Der Motorantrieb besteht aus drei Teilen: Einmal dem Motor selber, der mit der Kamera fest verschraubt wird. Hierdurch erhöht sich das Kameragewicht so wenig, daß Kamera und Motor zusammen nur 860 Gramm wiegen. Das ist weniger als eine andere SLR ohne Motor! Zugleich bekommt diese Kamera, von Japanern für Japanerhändchen konstruiert, durch den angebauten Motor auch für meine Hände eine Griffigkeit, wie ich sie bei kaum einer anderen Kamera habe.
Angetrieben wird der Motor durch ein wahres Kraftwerk, das 12 Batterien enthält, die für zweieinhalbtausend Auslösungen ausreichen. Dieses Kraftpaket kann man mit einem Handgriff am Motor einrasten. Je nach Gusto ist es dann möglich, entweder über den Drücker auf dem Motor auszulösen und das Kraftpaket einfach unten hängenlassen, oder man verwendet diesen Batteriebehälter als Pistolengriff und löst an ihm selber aus. Der Auslöser am Griff kann blockiert werden, und rückseitig schaltet man entweder ganz ab oder stellt auf Einzelbild bzw. Serie. Wer es ganz elegant machen will, verbindet Kraftwerk und Motorkamera mit einem Kabel, steckt das Kraftwerk in die Tasche und hat dann eine leichte Kamera, die stets für präzise, gezielte Einzelschüsse ebenso bereit ist, wie Serien von etwa 4-5 Bildern pro Sekunde.
Vielleicht haben Sie mir noch nie etwas geglaubt, aber das sollten Sie mir jetzt wirklich glauben: In dieser Kombination ist das Fotografieren mit der OM-1 das höchste Vergnügen, das ich bisher mit einer Kamera je erlebt habe!
Von Aufnahme zu Aufnahme ziehe ich mit der Linken die Schärfe und die Blende nach, mit Einzelschaltung sind zwei Bilder pro Sekunde ohne jedes Verwackeln kein Problem.
Als ich diese OM-1 MD bekam, zeigte ich sie Fritz Meisnitzer, der damals den ersten Test geschrieben hatte. Ich hatte bereits einen Film geladen. Während wir uns noch über diese blitzsaubere und gescheite Technik unterhielten, schaute die Katze Tinka im Garten nach, ob es vielleicht irgendwo eine Maus gäbe. Meisnitzer ließ sie knappe vier Sekunden auf sich zukommen, die Kamera war auf Serie geschaltet, und das Resultat waren 14 Aufnahmen, die mit dem E. Zuiko 1: 3,5/135 entstanden sind.
Äußerlich unterscheidet sich dieses MD-Modell von der normalen OM-1 nur durch eine etwas veränderte Bodenplatte, die es eben ermöglicht, den Motor anzubauen und ihn mit dem Filmtransport zu kuppeln. Und weil immer irgend etwas, selbst an der durchdachtesten Kamera, komisch ist, muß das wohl auch bei Olympus so sein: Man muß eine hauchdünne Kappe vom Kameraboden wegnehmen, um die Motorkupplung dort anschließen zu können. Diese Kappe, leichter und etwa gleich groß wie ein Pfennigstück, soll man laut Bedienungsanleitung sorgfältig aufbewahren, damit weder Staub noch Fremdlicht in den Kamerakörper gelangen kann, wenn man die MD einmal ganz ohne Motor, wie jede normale Kamera, verwenden möchte. Wo zum Teufel aber soll man dieses winzige Plättchen "sorgfältig" aufbewahren? Ich habe es mir mit Isolierband auf die Rückwand der Kamera geklebt, was zwar nicht hübsch aussieht, aber es ist die einzige Möglichkeit, das Ding nicht zu verlieren. Wäre hierfür nicht ein Platz im Batteriemagazin gewesen? Es gibt zu dieser Kameraausrüstung auch noch ein Verbindungskabel zwischen Motor und Batterien von 10 Meter Länge, wenn man ein Netzgerät weit entfernt von der Kamera verwenden will. Und selbstverständlich läßt sich die Rückwand auswechseln und gegen ein Magazin für 250 Aufnahmen vertauschen.
Der Preis für dieses Vergnügen, komplett mit Objektiv 1,8, liegt deutlich unter zwo Mille. ich kann mich nicht erinnern, daß japanische Hersteller sich jemals dafür interessiert hätten, was deutsche Verbraucher sich wünschen. Falls dies bei Olympus ausnahmsweise anders sein sollte: Ich wünsche mir die gleiche Kamera mit dem gleichen Motor, aber einem wesentlich kleineren und leichteren Batterieansatz, nicht gedacht für die große Serie, bei der ein 36iger Film in 9 Sekunden durchsaust, sondern für motorischem Weiterschalten nach der gezielten Einzelaufnahme. Dadurch ließe sich die Kamera noch leichter machen, weil viel weniger Batterien nötig wären, und außerdem noch billiger. Ob man's drüben liest?
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