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Foto Professional
Junge Großbild-Fotografie
Sinar p - die Kamera, die den Fortschritt brachte
Sie ist schon lange keine Neuheit mehr. Großbild-Fotografen kennen sie seit Jahren. Sie kennen sie als die Kamera, die in der Großbild-Fotografie den ersten, bedeutenden Fortschritt seit einem Menschenalter brachte; als die Kamera, deren Erscheinen die fruchtlose Diskussion um Vor- und Nachteile von Zentral- und Basisschwenkung gegenstandslos machte. Denn diese Kamera nahm der Großbild-Fotografie durch ihre asymmetrisch angeordneten Schwenkachsen die Mühe der Technik und gab ihr kreative Leichtigkeit. Ihr Name - Sinar-p. Es wäre widersinnig, wenn in einer Reihe über junge Großbild-Fotografie die Vorzüge dieser Kamera nicht wenigstens kurz umrissen würden.
Entscheidend für die Großbild-Fotografie ist gezieltes Beeinflussen von Schärfe und Perspektive. Alle großformatigen Kameras modernerer Bauart, die nicht gerade speziellen Zwecken dienen, sind deshalb mit Verstelleinrichtungen ausgerüstet, die Hoch-, Tief- und Seitenverschiebungen ebenso ermöglichen wie Schwenkungen um die vertikale und die horizontale Achse. Erfahrene Großbild-Fotografen können mit jeder dieser Kameras nahezu jede erforderliche Verstellung erzielen: Sie wissen, was sie tun. Sie brauchen die Schritt-um-Schritt-Kontrolle durch das Auge nicht. Wandert zwischendurch die Schärfe ab, verlagert sich der Bildausschnitt was tut's? Am Ende bekommen sie das schon hin - mitsamt vielleicht noch anderer Einstelldifferenzen. Auch, wenn es manchmal recht lange dauert, zum Schluß oft gar nicht so genau ist, wie sie glauben.
Zweierlei allerdings ist dabei Voraussetzung - gründliche Ausbildung, jahrelange Praxis. Das hat die Großbild-Fotografie unbeliebt gemacht. Es hat ihr den Stempel des fototechnisch Schwierigen, aller kreativen Spontaneität Beraubten aufgeprägt. Junge Fotografen wollten von dieser Art der Großbild-Fotografie nichts mehr wissen.
Da stellte ihnen schon vor Jahren Carl Koch seine Sinar-p hin - die Kamera, an der so ziemlich alles fehlte, was die Großbild-Fotografie in Verruf gebracht hatte: Blockierhebel oder Schrauben, die gelöst und wieder festgezogen werden mußten, Schwenkeinrichtungen, die nicht in der Achse lagen, Standarten, die bei komplizierteren Verstellungen ausscherten. Dafür hatte diese Sinar-p, was auch junge Fotografen mit gesundem Mißtrauen gegen die altertümlich wirkenden, großformatigen Kamerakonstruktionen sofort interessierte, zum Teil sogar begeisterte:
Die Sinar-p hatte Drehknöpfe mit selbsthemmenden Feintrieben für praktisch alle Einstellfunktionen. Das Lösen und Festziehen von Klemmschrauben und Hebeln entfiel. Man brauchte unter Beobachtung der Mattscheibe nur mit einer Hand am richtigen Knopf zu drehen, und die Kamera tat, was sie sollte. Man konnte es beobachten:
Denn die Sinar-p hatte asymmetrisch in Bildrandnähe angeordnete Schwenkachsen sowohl für die horizontale als auch die vertikale Schwenkung, die genau in der Bildebene lagen. Diese Achsen waren auf der Mattscheibe markiert. Suchte man sich den einen Bildendpunkt auf einer dieser Achsen und stellte scharf, dann blieb er scharf - gleichgültig, was für Schwenks man anschließend ausführte, um auch den anderen Bildendpunkt scharf heranzuholen.
Ich erinnere mich noch heute mit Vergnügen der erstaunten Gesichter einiger - auch großbild-erfahrener - Kollegen, die das bei Vorstellung der Sinar-p zum ersten Mal erlebten.
Eine Eigenschaft der neuen Kamera aber begeisterte insbesondere die Kenner: Auch bei der in der Praxis so häufig benötigten, indirekten Verschiebung erlaubte die Sinar-p Schwenks um die Vertikalachse, ohne daß ihre Standarten ausscherten. Der Bildausschnitt blieb unverändert, Schärfe und Perspektive ließen sich in vollem Umfang korrigieren.
Herzstück der ganzen Konstruktion war der für Front- und Rückteil gleiche, unterhalb der Standarten angeordnete Gelenkblock, der auf den ersten Blick recht ungewöhnlich wirkte: Unterhalb des im breiten Querträger eingelassenen Drehgelenks für Vertikalschwenks befand sich ein völlig unkonventionelles Segmentgelenk, das die Horizontalschwenks ausführte. Beide Bewegungen liefen über denselben, umschaltbaren Feintrieb.
Die Seitenverschiebung wurde über eine Rändelscheibe geführt, die Hoch-Tief-Verstellung und die Fokussierbewegung bewerkstelligten zwei koaxial angeordnete Feintriebe am Längsträger des Gelenkblocks. Der einzige Klemmhebel des ganzen Aufbaus wirkte auf das Drehgelenk zwischen dem Längsträger und dem Laufbock auf dem Grundrohr. Der Laufbock selbst war ebenfalls mit einem Klemmhebel ausgerüstet, um ihm nach Grobverschiebung festen Halt auf dem Grundrohr zu sichern.
Wirkten die vielen Einstellelemente zunächst verwirrend, so überzeugten gerade sie junge Fotografen, die vielleicht zum ersten Mal an einer Großbild-Kamera standen: Bei der Sinar-p vergriff man sich nur ein- oder zweimal. Dann war jede der Funktionen klar, denn die Mattscheibe zeigte deutlich ihre Wirkung.
Das Nicht-Ausscheren der Standarten faszinierte alte Hasen. Bewirkt wurde es dadurch, daß sich bei der indirekten Verschiebung das Gelenk für die Vertikalachse mit aufrichtet. Die Reihenfolge in der Anordnung der Gelenke ist hier entscheidend. Und bei der Sinar-p war sie eben praxisgerecht getroffen worden.
Damals bei der Vorstellung der Sinar-p zog mich ihr Konstrukteur, Herr Carl Koch, beiseite. Bevor ich selbst draufkommen konnte, vertraute er mir an, daß auch bei seiner "p" die eine Ebene kippt - allerdings bei einer Verstellung, die in der Praxis kaum angewendet wird, bei der indirekten Seitenverschiebung und gleichzeitigem Schwenk um die Horizontalachse. Wie gesagt, das liegt an der Gelenkreihenfolge, ist unvermeidlich und - bei einer richtig durchdachten Konstruktion auch unerheblich.
Die Sinar-p ist eine Kamera für das wichtigste Großformat 9x12 cm/4x5". Ihr Rückteil erlaubt das Ansetzen von Rollfilm-Kassetten und damit den Einsatz aller kleineren Formate, die für Großbild-Zwecke wünschenswert sind. Das Rückteil ist auswechselbar gegen Rückteile mit 13x 18 und 18 x 24 cm Format. Ebenso überzeugend wie die Konstruktion selbst sind die erzielbaren Verstellwerte:
hoch/tief: insgesamt 80 mm
seitlich: insgesamt 80 mm
Vertikalschwenk: 600 pro Seite, insgesamt 1200
Horizontalschwenk: 20xGRADx fein und 45xGRADx grob, insgesamt 130xGRADx.
Gut ablesbare Skalen und an allen erforderlichen Stellen eingelassene Wasserwaagen geben volle Kontrolle über die Einstellung, erlauben in gewissen Grenzen, Verstellungen des Rückteils auf die Objektiv-Standarte zu übertragen.
Eingebettet ist diese Kamera in ein praxisnah durchdachtes Zubehör- und Baukasten-System, das nicht nur allen unmittelbaren Anforderungen gerecht wird, sondern auch so manch trickreiche Gestaltung ermöglicht.
Dieses System hat nicht zuletzt dazu beigetragen, daß die Sinar-p heute noch genauso jung ist wie damals vor fast acht Jahren, als sie vorgestellt wurde. Profis in aller Welt verdienen ihre besten Brötchen mit dieser Kamera. Übereinstimmendes Urteil: Vorbildlich in der Konstruktion, kreativ im Einsatz.
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