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Artikel

Erfahrungsbericht

Eine 2-Sekunden-Story aufgeschrieben mit der

Canon F-1 Motor Drive

Im vergangenen Jahr brachten wir Testberichte über einige Motorkameras. Inzwischen hat sich das Angebot geändert: Minolta hat z. Z. kein Motormodell, dafür gibt es die klein Olympus OM-1 MD, das heißt, an jede neuere OM-1 läßt sich der Motor-Drive anbauen. Es gibt auch ein Modell von Topcon, das allerdings mehr einen Filmaufzug besitzt, wie ihn zusätzlich zum eigentlichen Motor auch die schon vor ihrem Erscheinen legendäre Contax haben wird. Überall in der Praxis ist der Trend zum Motor spürbar - nur In einzelnen Konstruktionsbüros noch nicht. Wer bei diesem Rennen zu spät startet, disqualifiziert sich selber.

"Photographieren" (mit ph!) kommt bekanntlich aus dem Griechischen und heißt: "Mit Licht schreiben".
"Graphologie" kommt ebenfalls aus dem Griechischen und bedeutet: "Die Lehre von der Schrift.` Daß zwischen Fotografieren und Schreiben sehr enge Zusammenhänge bestehen, wurde bis jetzt weitgehend übersehen. Ebenso aber, wie man aus der Schrift Rückschlüsse auf den Schreiber ziehen kann, ist es möglich, aus seinen Fotos auf den Fotografen zu schließen. Beiden, den Schreibern und den Fotografen, ist nämlich eins gemeinsam: Sie lernen das Gleiche, aber jeder macht etwas anderes daraus.
Wir alle [ernten Schreiben in der Schule, wir alle [ernten früher ein deutsches, später ein lateinisches F mit der Hand zu malen, nach einer bestimmten Vorschrift. Aber schon früh beginnt jeder Schüler, seine ihm angelernten, oft sogar eingedrillten Buchstaben selbständig zu verändern. Es würde zu weit führen, den ganzen Weg vom Kind zur Persönlichkeit zu beschreiben: in seinen Schriftbildern aber zeichnet sich diese Entwicklung ab. Und eins steht fest, ob man nun die Graphologie ernst nehmen will oder nicht: je enger sich ein Erwachsener an das angelernte Schriftbild gehalten hat, desto mehr fehlt ihm Intelligenz und schöpferische Phantasie. Und umgekehrt . . . In der Fotografie ist es nicht anders: jeder hat irgendwann zum ersten Mal in seinem Leben fotografiert, nämlich das, was er gerade im Sucher seiner neuen Kamera entdeckte. Der Fotohändler hat den Film entwickelt, die "Abzüge" oder die "Buntfotos" davon gemacht, und man war überrascht, sowas überhaupt zuwege gebracht zu haben. Aber schon bald passiert hier das Gleiche wie mit der Schrift: Je "erwachsener` der Fotograf wird, desto mehr sucht er eigene Möglichkeiten, das zu verändern, was sein Werkzeug naturgetreu aufzeichnet. Da fängt er zunächst wohl an, seine Filme selber zu entwickeln, dann vergrößert er und legt neue Ausschnitte fest, und schließlich findet er, wie in der Handschrift, auch seinen ihm eigenen Bildstil, eine ganz bestimmte Art zu fotografieren. Und es sind ganz bestimmte Motive, die ihn am meisten reizen.
Gut, wenn es sein muß, kann ich heute noch so schreiben, wie ich es in der Schule gelernt habe, und jeder kann's lesen. Schreibe ich für mich allein, sind es Hieroglyphen, von denen nur wenige wissen, was sie bedeuten sollen.
So gibt es Fotografen, denen es höchste Befriedigung verschafft, mit einer 18x24-Kamera das Schloß Neuschwanstein oder München vom Fernsehturm aus aufzunehmen, und er ist noch mehr befriedigt, wenn man hinterher die Dachziegel erkennen kann. Im Gegensatz dazu produzieren andere teils mit Kamera und Colorfilm, teils im eigenen Labor, nur noch farbige Impressionen. (Von denen dann manche unserer Leser verächtlich sagen: "So was werfe ich in den Papierkorb" - was ebenso töricht ist wie die Behauptung, ein Schulkind könne ebensolches "Geschmier" produzieren, wie z. B. Kandinsky oder Picasso.)
Auch die Fotografie durchläuft alle Stile, von der Realistik über Impressionismus und Expressionismus bis hin zur abstrakten Kunst, und ein paar Dadaisten gibt es auch schon. Aber das alles hat eigentlich nur mit dem Inhalt eines Schreibens zu tun, nicht mit der Handschrift, der fotografischen in diesem Falle. Hier muß jedoch auch jeder das finden, was seiner Persönlichkeit am meisten entspricht. Ich z. B. bin ein Geschichtenerzähler, als Schriftsteller sogar im Hauptberuf, aber ich bin es auch fotografisch. Das Kalenderbild eines Hochofens hat seinen absoluten Stellenwert in der Fotografie, aber eine Geschichte erzählt es mir nicht. Dazu brauche ich immer Menschen. Und selbst eine Ruine erzählt mir erst dann eine Geschichte, wenn heutige Menschen dabei sind.
Menschen aber haben es so an sich, daß sie nur selten stillhalten. (Auch ein Toter erzählt keine Geschichte mehr, sondern nur die, die um ihn trauern oder die ihn zu beerben hoffen!)
Und deshalb kommt mir kein fotografisches Instrument so entgegen, wie eine Kamera mit Motor.
Ich halte mich keineswegs für einmalig, sondern bin sogar davon überzeugt, daß ein großer Teil meiner Fotofreunde die gleichen Ambitionen, die gleichen Beziehungen zur Fotografie hat, wie ich. Und für alle die habe ich diese Zeilen geschrieben, und ihnen wollte ich mit den sieben Aufnahmen die Geschichte von dem Jungen erzählen, der versuchte, einen Ball zu fangen und - ihn auch bekam!
Diese Geschichte habe ich mit meiner Canon F-1 und ihrem griffigen und zuverlässigen Motor in genau zwei Sekunden aufgeschrieben.
Alle guten Geschichten sind aber nicht nur vordergründig, es passiert auch im Hintergrund etwas:
Da kommt ein Junge rechts oben zu seinem Freund, aber viel lustiger ist es, den Federballspieler im linken Hintergrund zu beobachten: wie er seinem Federspiel erwartungsvoll entgegenschaut, wie er danach fiebert, es zurückzuschlagen - gut, er tat es, aber ich wollte Ihnen genau abgestoppt auf zwei Sekunden zeigen, was -in zwei Sekunden nicht nur alles passieren kann, sondern welche Geschichten man mit einer Motorkamera in zwei Sekunden festzuhalten in der Lage ist.
Nicht jeder sollte Geld für einen "Motor-Drive" ausgeben: nur der, der Fotogeschichten erzählen will, wird wirklich glücklich damit werden. Sehr glücklich sogar, wie ich Ihnen aus eigener Erfahrung versichern kann!

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