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Alexander Borell Kommentar

Nikkormat FT2

Es liegt im Ermessen jedes einzelnen Herstellers, ob er relativ kleine Verbesserungen an einem laufenden Modell in aller Stille vornehmen will, um den Markt nicht zu beunruhigen und im vollen Bewußtsein, daß diese Änderungen zwar das Gerät moderner, komfortabler machen, ohne dabei die Leistungsfähigkeit des vorigen Modells zu mindern - oder ob er solche kleine Änderungen mit einem Paukenschlag als neues Modell der Öffentlichkeit vorstellt. Diesen letzteren Weg hat Nikon gewählt und eine verbesserte Nikkormat FTN als neue Kamera mit der Bezeichnung Nikkormat FT2 herausgebracht. Und um das Ergebnis meiner Erfahrungen mit der Nikkormat FT2 gleich vorauszunehmen: sie ist angenehmer, sie ist verbessert worden, aber niemand braucht traurig zu sein, der ein Nikkormat FTN besitzt, denn alle wesentlichen Charakteristika, insbesondere die Tatsache, daß man mit dem Modell FTN hervorragende Aufnahmen machen kann, haben sich nicht geändert.

Zwei Dinge fallen als Neuheit besonders auf. Einmal ist es der jetzt endlich (!) fest eingebaute Sucherschuh mit Mittenkontakt auf dem Prisma. Das ist insofern wichtig, als er wesentlich stabiler ist und daher auch schwerere, professionelle Blitzgeräte verkraftet. Außerdem kann man ihn nicht mehr verlieren oder irgendwo so gut aufheben, daß man ihn im entscheidenden Augenblick nicht mehr findet. Nikon hat hier eine Selbstverständlichkeit in die Praxis umgesetzt, und es hätte sich eher beim Modell FTN die Frage stellen können, warum man diesen richtigen Weg nicht schon damals gegangen ist. Zum zweiten haben die Objektive eine neue Gestaltung erfahren, wenigstens das mir zur Verfügung stehende Nikkor 1:1,4/50. Es läßt sich an dem breiten, geriffelten Gummiring wesentlich besser einstellen und sieht auch besser aus, weil man nicht mehr wie früher unendlich viele Daten in die Fassung der Frontlinse eingraviert hat. Was mich ehrlich freut, ist die Tatsache, daß auf diesem Objektiv mit dem Unfug Schluß gemacht worden ist, sich über rätselhafte Angaben der Vergütung in eine höhere Qualitätsstufe schmuggeln zu wollen. Die "Coating-Hysterie" schlägt noch immer hohe Wellen, und es gehört Mut dazu, ein schlichtes Objektiv hoher Qualität ohne solche Vergütungsbezeichnungen auf den Markt zu bringen. Vielleicht bürgert sich daraufhin bei Käufern von Objektiven der Grundsatz ein: Wer gute Objektive baut, betrachtet Vergütung als Selbstverständlichkeit, egal, ob es vier Schichten, sieben oder noch mehr sind.
Und da ich gerade am Loben bin: Es gibt noch einige lobenswerte Dinge an dieser Kamera. In erster Linie die Aus- und Einschaltung des Meßwerkes mit dem Schnellschalthebel. Ich halte Konstruktionen dieser Art (zum Beispiel hat das ja auch die Leicaflex!) für optimal, verglichen an irgendwelchen extra angebrachten Schaltern. Zugleich bin ich hier aber auch an einer ausgesprochen wunden Stelle dieser sonst so zweckmäßig in die Hand gebauten Kamera: Hat man nämlich beim Fotografieren den Daumen da, wo er hingehört, nämlich zwischen Gehäuse und Schnellschalthebel, und drückt ihn ein wenig an den Anschlag, wie man das beim Fotografieren ganz unbewußt tut, läßt sich die Nikkormat FT2 nicht auslösen! Ich weiß nicht, ob man sich in der Praxis daran gewöhnt, bei schneller Arbeit nach dem Weiterschalten jedesmal den Daumen am Schalthebel zu lockern, damit man bei der nächsten Aufnahme auslösen kann. Es wäre besser gewesen, man hätte sich bei Nikon diesen sicherlich nicht beabsichtigten Auslöserstop als echte Verriegelung des Auslösers in Ruhestellung des Schnellschalthebels einfallen lassen. So aber ist nach einem Weitertransport der Auslöser nicht verriegelt. Ungewolltes Auslösen hat man dadurch zu verhindern versucht, daß man ihn durch eine Art von Ring schützt. Bei normalem Fingerdruck von oben erfüllt dieser Ring seinen Zweck, Fehlbelichtungen finden nicht statt. Ideal ist dieser Auslöser nicht, man muß mit der Fingerspitze ein wenig "ins Näpfchen`, um auszulösen, aber auch das hat die Nikkormat FT2 mit der Leicaflex gemeinsam.
Ein absoluter Pluspunkt für diese Kamera ist der Druckknopf für die Blendenkontrolle, der nicht nur leichtgängig ist, sondern auch so sitzt, daß man ihn tatsächlich spielend leicht betätigen kann. Bei vielen anderen Kameras ist das ganz anders.
Es ist auch ein Vorteil, daß das Meßwerk nicht nur im Sucher ablesbar ist, sondern ebenso oben auf der Kamera. Das Meßsystem selber ist funktionelle es arbeitet sehr stark mittenbetont, auch hier nicht sehr weit von der Leicaflex entfernt.
Erwähnenswert ist noch die Befestigung der Sonnenblende mittels zweier Drucktasten, normalerweise also angenehmer, als Schrauberei, zumal man sie auch umgekehrt aufs Objektiv setzen kann. Trotzdem täuscht diese Konstruktion eine Sicherheit vor, die nicht unbedingt vorhanden ist: Ich würde davon abraten, diese Kamera an der Sonnenblende hochzuheben, insbesondere würde ich das nicht über Steinboden tun. Es gibt hierfür schlechtere, aber auch bessere Lösungen.
Über die Gabelkupplung der Nikon-Objektive mit der Notwendigkeit, beim Wechsel Blende 5,6 einzustellen, und den Belichtungsmesser durch anschließendes Hin- und Herdrehen der Blende auf die Objektivöffnung zu eichen, habe ich mich schon so oft geäußert, daß ich es hier nicht mehr tun will. Vielleicht muß man in Japan die gleichen Erfahrungen machen wie wir in Deutschland: Man hielt hier einen luftgekühlten Heckmotor viel zu lange für eine ideale Konstruktion, die man noch dann verteidigte, als die Umsätze bereits in die roten Zahlen kamen. Wann je ich etwas gegen dieses System gesagt habe, dann geschah es nur aus dem Wunsch, Nikon vor der gleichen bitteren Erfahrung zu bewahren.
Die Nikkormat FT2 ist eine ausgezeichnete Gebrauchskamera mit einem durchaus vernünftigen Preis und einem unerhörten Angebot an ausgezeichneten Objektiven für alle denkbaren Zwecke.
Sie zahlen für diese Kamera beim Fotohändler in der besprochenen Ausführung auf keinen Fall mehr als DM 1.200,-.

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