← Zurück
Artikel
2009
PRÜFBERICHT
Leicaflex
Der Prüfbericht dieses Monats befaßt sich mit der »Schwester der Leica« in Reflex-Ausführung, der Leicaflex. Dem Verfasser standen seit Ende vergangenen Jahres von der E. Leitz (Instruments) Ltd., London, zwei Leicaflex-Kameras zur Verfügung. Sie wichen nur in unbedeutenden Kleinigkeiten vom Serienmodell ab, wie es jetzt auf dem Markt ist. Hersteller der Leicaflex ist die Ernst Leitz GmbH, Wetzlar. Mit Summicron-R 2/50 kostet sie 1510 DM, das Kameragehäuse allein 1060 DM. Zusatz-Objektive: Elmarit-R 2,8/35: 480 DM, Elmarit-R 2,8/90: 540 DM, Elmarit-R 2,8/135: 630 DM. (sämtliche Objektive einschließlich Gegenlichtblende) - In Vorbereitung: Super-Angulon-R 3,4/21 und Elmarit-R 2,8/180.
Am 1. März dieses Jahres hat die Ernst Leitz GmbH in Wetzlar, Begründer der 35-mm- Fotografie und Hersteller der besten E- Messerkamera der Welt, der Leica, ihre einäugige Reflexkamera 24 x 36 mm auf den Markt gebracht: die Leicaflex. Sie hat ein fest eingebautes Pentaprisma, der Sucher ist also nicht auswechselbar. Der Spiegel kehrt unmittelbar nach der Belichtung in die Sucherstellung zurück. Der eingebaute CdS-Belichtungsmesser ist mit der Blenden- und Verschlußeinstellung gekuppelt. Der Schlitzverschluß hat die Zeiten 1 bis 1/2000 s und B. Die vollautomatischen Objektive haben ihr spezifisches Leicaflex- Bajonett. Mit einem Adapterring können Leica-Objektive von 65 bis 400 mm an der Leicaflex benutzt werden.
Der Kamerakörper wiegt 820 g, mit dem Normalobjektiv Summicron-R 2/50 1150g. Ausmaße der Kamera: 149 mm Länge, 94 mm Höhe, 64 mm Tiefe. Mit eingeschraubtem Filterhaltering ist die Leicaflex 99 mm tief. Das Kameragehäuse ist in mattem Silberchrom gehalten. Die Seiten der Kamera sind mit dem üblichen griffigen Material bedeckt. Es ist etwas weicher als bei der Leica M und ein wenig glatter. Das Kameragehäuse ist an der Vorder- und Rückseite gewölbt. Vorne ist dies kaum sichtbar, an der Rückseite dagegen ist diese Wölbung deutlich ausgeprägt. Bei einer Dicke des Kamerakörpers von 40 mm (in seiner Mitte) ergibt diese Durchbiegung eine sehr gute Lage in der Hand. Mit 75 mm Höhe des Kameragehäuses (ohne Prismahaube) ist die Leicaflex dank niedrigen Schwerpunktes gut ausgewogen. Man spürt keinerlei Tendenz, nach vorne umzukippen, wenn man sie normal mit beiden Händen umgreift.
Am leichtesten ruhig zu halten
Der Verfasser fand, daß die Leicaflex die Spiegelreflexkamera ist, die sich am leichtesten auch bei langen Verschlußzeiten ruhig halten läßt. Dazu tragen auch andere Tatsachen bei, die weiter unten beschrieben werden. Der Überblick bei Aufsicht auf die Oberseite der Kamera ist klar. Prisma und damit das Okular sind etwas nach links von der Mitte des Gehäuses verschoben. Dadurch und durch die Tatsache, daß der Schnellschalthebel zur Funktion aus seiner Ruhestellung ausgeklappt werden muß, ist die Kamera gleichgut geeignet für links- und rechtsäugige Benutzung. Der Schnellschalthebel hat einen Arbeitswinkel von 200xGRADx. Davon sind die ersten 80xGRADx für das Ausschwenken von der Ruhe- zum Beginn der Arbeitsstellung bestimmt. Man braucht den Schnellschalthebel zum Filmtransport und Verschlußspannen nur in einer einzigen Bewegung durchgehend bis zum Anschlag betätigen. Im Vergleich zu den M-Leicas erscheint die Schnellschalthebel-Führung noch etwas weicher. Insgesamt läßt sich der Schnellschalthebel mit gleichmäßigem Widerstand bewegen. Seine Form ist sympathisch und das Kunststoffteil an seinem Ende gibt sicheren Griff. Wäre die glatte Grifffläche geriffelt, hätte man dieses Sicherheitsgefühl bei schnellster Arbeitsweise noch steigern können.
Der Verschlußstellknopf hat die gleiche Mittelachse wie der Auslöser und der Schnellschalthebel. Der Knopf hat 26 mm Durchmesser und ist an der äußeren Umrandung leicht gerändelt. Die Zahlen der Verschlußzeiten sind in großen Buchstaben klar markiert, schwarz auf mattsilbernem Chromuntergrund. Weiße Zahlen auf schwarzem Untergrund wären noch angenehmer gewesen. Da die Objektive schwarze Fassung mit weißer Gravur haben, wäre ein schwarzer Zeitenknopf kein Stilbruch gewesen. Eine sehr praktische Eigenart ist, daß der Verschlußstellknopf ein wenig über die Vorderseite der Kamera herausragt. So findet der Zeigefinger den Knopf leicht, auch wenn man durch den Sucher sieht. Da die Verschlußzeiten auch im Sucher sichtbar sind, kann man die Kamera zum Einstellen am Auge lassen. Der Verschlußstellknopf sollte etwas stärkere Noppen haben, da dann die Finger noch festeren Halt hätten. Die Verschlußzeiten rasten wie üblich ein. Alle Zwischenzeiten (außer 1/4 bis 1/8) sind voll wirksam. Der Knopf schlägt bei B und 1/2000 s an.
Der Auslöser liegt in einer Vertiefung in der Mitte des Verschlußstellknopfes. Seine Lage läßt versehentliches Auslösen nicht erwarten. Normaler Drahtauslöser kann in den Knopf eingeschraubt werden.
Auslöser - erstaunlich und bemerkenswert
Die Funktion des Auslösers ist eine der bemerkenswertesten Eigenheiten der Leicaflex. Der Knopf braucht nur 1,5 mm bewegt zu werden. Dazu muß nur ganz wenig und völlig
gleichbleibender Widerstand überwunden werden. Am besten läßt es sich beschreiben durch die Feststellung, daß der Unterschied zwischen diesem Verschlußauslösen und dem der M-Leica unmerklich ist. Das ist für eine einäugige Reflexkamera erstaunlich. Nach Ablauf des Verschlusses läßt sich der Auslöser nicht eindrücken. Mit etwas Übung kann man so feststellen, ob der Verschluß gespannt ist oder nicht. (Sicherer ist es meines Erachtens, mit dem Schnellschalthebel zu kontrollieren, ob gespannt werden kann. D. U.)
Der Spannhebel für das Vorlaufwerk ist vorne rechts an der Kamera angeordnet. Wenn man das Vorlaufwerk einmal aufgezogen hat, muß man es auch beim Auslösen benutzen. Es läßt sich vor und nach dem Verschlußspannen aufziehen; Laufzeit ist zwischen 4 und 10 s verstellbar. Das Vorlaufwerk läuft gut hör- und sichtbar lauter ab als in den M-Modellen. Die Filmuhr ist rechts hinter dem Verschlußstellknopf sichtbar. Berücksichtigt man, daß genügend Platz zur Verfügung steht, so ist sie in ihren Ausmaßen einschließlich der Skala recht klein. Die Zahlen sind weiß auf schwarzem Grund und in Viererwerten graviert (1,4,8 usw., Zwischenwerte in Punkten). Wenn der Schnellschalthebel ausgeklappt ist, bedeckt er die Filmuhr zum größeren Teil. Die Filmuhr zählt bis 42, eine Annehmlichkeit, wenn man seine Kassetten selber lädt und Filme dünnen Schichtträgers benutzt.
Rückspulen mit Kontrolle
Beim Rückspulen des Films zählt die Uhr selbsttätig bis Durchmesser zurück. Es ist mir aber nicht gelungen, beim Rückspulen exakt eine bestimmte Filmnummer wiederzufinden. Man hat jedoch eine sichere Anzeige, wann der Film ganz zurückgespult ist, so daß man es einfach und sicher vermeiden kann, auch den Filmanfang in die Patrone einzuspulen.
Die Leicaflex hat die konventionelle, ausklappbare Rückspulkurbel links an der Oberseite der Kamera. Das Rückspulen geht weich und schnell vor sich. Man spürt mühelos, wenn der Filmanfang von der Aufwickelspule abgezogen wird. Eine zusätzliche Hilfe zur bereits beschriebenen Eigenart der Filmuhr: Der Rückspulknopf am Boden der Kamera wird einmal eingedrückt und verbleibt in der Rückspulstellung, so daß man die Hand völlig frei zum Halten der Kamera hat.
Die Lage des Rückspul-Freigabeknopfes an der Unterseite der Kamera muß konstruktiv unumgänglich gewesen sein. Sie bedingt, daß man die Kamera aus der Bereitschaftstasche herausnimmt. Dann aber hat man die Kamera ungesichert in den Händen, da der Halteriemen an der Bereitschaftstasche angebracht ist. Je nach Größe des Stativkopfes muß man die Kamera zum Filmwechsel eventuell abnehmen, obwohl die abklappbare, fest angelenkte Rückwand dies erübrigt.
Die Filmmerkvorrichtung ist um die Halterung der Rückspulkurbel angeordnet. Es gibt vier Symbole für Schwarzweiß-, Farbnegativ-, Farbtages- und Farbkunstlicht-Film. Die Filmempfindlichkeit wird in 1xGRADx-DIN-Werten an einem Ring in Werte von 10 bis 39 DIN eingestellt (8 bis 3200 ASA). Der Ring läßt sich nur nach Entsperren eines Arretierungsknopfes verstellen, so daß versehentliches oder unbeabsichtigtes Verstellen ausgeschlossen ist. Dieser Empfindlichkeitsring ist natürlich nicht nur Gedächtnisstütze, sondern auch wesentlicher Funktionsteil des Belichtungsmessers.
Meßwinkel entspricht etwa dem 90-mm-Elmarit-Bildwinkel
Die CdS-Zelle der Leicaflex ist links und über der optischen Achse angeordnet. Die Zelle liegt hinter der Blende einer Kondensorlinse und im Bildwinkelbegrenzer. Letzterer hat rechteckige Form und ragt oben weiter nach vorne, um störendes Oberlicht abzuschirmen. Leitz gibt den Meßwinkel mit 21xGRADx in der Horizontalen und 14xGRADx in der Vertikalen an.
Dies entspricht etwa dem Bildwinkel des 90-mm-Objektivs. Energiequelle für den Belichtungsmesser ist eine Quecksilberbatterie Mallory PX 625 R. Sie sitzt ein wenig unelegant untergebracht rechts neben der Meßzelle unter einer kreisrunden, herausschraubbaren Verschlußkappe. Es ist schade, daß eine so nüchterne Sache wie eine Batteriekammer an einer so ins Auge springenden Stelle angebracht wurde. Dies mag aber konstruktiv bedingt gewesen sein. Veröffentlichte Patente zeigen eine Selenzelle an dieser Stelle. Wenn man Zelle und Batteriekammer umgekehrt links und rechts vertauscht angebracht hätte, so erscheint mir dies praktischer. Man kann nämlich beim üblichen Fokussieren mit der linken Hand allzuleicht die Zelle teilweise abdecken, wenn man den Daumen unten und den Zeigefinger oben am Objektiv hält. Deshalb greift man zumindest beim 35- und 50-mm-Objektiv die Optik besser so, daß der Zeigefinger rechts und der Daumen links vom Objektiv liegen. (Dies scheint uns überhaupt die natürlichere und auch sonst bessere Haltung der Kamera zu sein. D. U.) Links und etwas unterhalb der CdS-Zelle ist der Batterie-Prüfknopf angebracht. Man drückt auf ihn und sieht durch den Sucher. Ist die Batterie noch aktiv, schlägt die Meßwerknadel nach unten aus. Der Meßbereich des Leicaflex-Belichtungsmessers wird von Leitz mit 6,3 bis 50000 Asb angegeben. Diese Zahlen entsprechen etwa denen eines guten Selen-Handbelichtungsmessers. Das Meßgerät ist mit dem Verschlußstellknopf und mit dem Blendeneinstellring gekuppelt. Wenn Leica-Objektivköpfe mit dem Leitzadapter für die Leicaflex gebraucht werden, ist ein Blendensimulator vorgesehen, so daß auch hier das Gerät voll funktionsfähig ist. Man muß jedoch die für die Messung gewählte Blende nachträglich am Objektiv einstellen.
Im Sucher sichtbar: Verschlußzeit und Meßwerknadel
Die Meßwerknadel ist auf der rechten Seite im Sucherbild sichtbar. Ein zweiter Zeiger hat an seinem Ende eine kreisförmige Öffnung. Durch Verstellen von Blende oder Verschlußstellknopf müssen beide Zeiger zur Deckung gebracht werden. Der Meßwerkzeiger halbiert dann den Kreis des zweiten Zeigers. Rechts im Sucher sind oben ein größerer und unten ein kleinerer Kreis sichtbar; sie geben an, ob man beim Verstellen des Blendenvorwahlringes auf- oder abblendet.
Alle Verschlußwerte von B bis 1/2000 s sind weiß auf einer schwarzen Skala, unten dicht neben der Sucherumrandung, zu erkennen. Eine Marke zeigt den eingestellten Verschlußwert an. Das ist natürlich eine große Annehmlichkeit und einer der wichtigsten Vorteile der Kamera.
Neben der Angabe im Sucher besitzt die Kamera keine andere Kontrolle des Meßwerks, d. h. der Belichtungsmesser ist nach Hochklappen des Spiegels außer Funktion, also auch wenn das 21-mm-Objektiv eingesetzt ist. In der Praxis gibt es auch manchmal Gelegenheiten, bei denen es angenehm ist, den Belichtungsmesser in Aufsicht auf die Kamera ablesen zu können, z.B. bei Makroarbeiten oder wenn man mit der Kamera die Belichtung messen will, ohne dadurch aufzufallen, weil man durch den Sucher blickt. Freilich muß zugegeben werden, daß der häufigste Gebrauch unbedingt in Augenhöhe erfolgt.
Störung bis 135 mm nicht zu erwarten
Bei einer über dem Objektiv angeordneten Fotozelle besteht beim Gebrauch von Objektiven sehr langer Brennweiten die Gefahr, daß die Objektivfassung in das Meßfeld des E-Messers hineinragt oder aber Licht in die Zelle reflektiert. Beim 90- und 135-mm-Objektiv ist mit einer solchen Störung in der Praxis nicht zu rechnen. Wenn man jedoch Visoflex-Objektive ab 200 mm Brennweite benutzt, ist das zu berücksichtigen. Da die Leica-Objektive schwarze Fassung haben, ist Störlichtreflexion nur bei Freiluftaufnahmen zu erwarten, kaum jedoch im Studio.
Der hellste Reflexsucher
In der Leicaflex werden die Lichtstrahlen über den wie üblich um 45 geneigten Spiegel auf eine Fresnel-Scheibe gerichtet. Diese hat eine kreisrunde Scharfstellfläche mit Mikroprismen. Das Sucherokular ist zweilinsig. Alle Glas- Luft-Grenzflächen sind vergütet. Zweifellos ist der Leicaflex-Sucher der hellste jeder bisher auf den Markt gebrachten einäugigen Kleinbild-Reflexkamera. Dieser Vorsprung ist beträchtlich. Vergleicht man die Bildhelligkeit mit der irgendeiner anderen Präzisionskamera mit ähnlichem Suchersystem, so macht der Gewinn 2 bis 3 volle Blendenwerte aus. Diese erhöhte Helligkeit erreichte man, indem man praktisch auf ein Mattscheibenbild verzichtete und ein Luftbild erhielt, abgesehen von der Scharfstellfläche des Mikroprismensystems. So hat die Leicaflex auch keine Einrichtung, die Schärfentiefe bei abgeblendetem Objektiv im Sucher zu kontrollieren. Man kann zwar durch Lockern des Objektivs in seinem Bajonett die Blende effektiv verkleinern, doch ermöglicht der Sucher kein wirkliches Erkennen der Blendenwirkung. Da in jedem Fall die Nützlichkeit einer Blenden-Schärfentiefenkontrolle im Sucher umstritten ist, nicht aber der Vorteil größtmöglicher Bildhelligkeit im Sucher, so ist die Entscheidung für die letztere zweifellos richtig.
Das Normalobjektiv (50 mm) ergibt einen Sucher-Abbildungsmaßstab von 0,9, das 35-mm- Objektiv 0,6, das 90-mm- Objektiv 1,5, das 135-mm-Objektiv 2,3. Die Bildhelligkeit ist bei allen Objektiven gleich, sie haben alle maximale Öffnung 2,8 (außer dem Normalobjektiv mit 1:2).
Brillenträger gaben an, daß sie auch bei aufgesetzter Brille das Sucherbild gerade noch ganz überblicken könnten, jedoch wäre eine Verbesserung möglich. Das Okular hat eine Fassung, in die sich eine Halterung für Augenkorrekturgläser, wie sie beim Visoflex III benutzt werden, einschieben läßt.
Scharfstellen - mit höchster Genauigkeit
Außerhalb der Mikroprismen-Kreisfläche in der Suchermitte kann man bei der Leicaflex nicht scharfstellen. Die Mikroprismen sind ein von Leitz entwickelter Typ; jeder Sucher hat über 13000 Elemente. Eigenschaft eines Mikroprismas ist es, alle Lichtstrahlen zu zerstreuen, die kein scharfes Bild ergeben. Einen im Prinzip ähnlichen Vorgang sehen wir bei der Mattscheibe, nur verstärken die Mikroprismen den Effekt. Je feiner mattiert eine Mattscheibe ist, um so leichter ist es bei ihr, auf feinste Details scharfzustellen. Aber bei einer sehr feinkörnigen Mattscheibe ist es schwieriger, schnell zu fokussieren als bei einer gröberen, da bei der letzteren das Scharf- bzw. Unscharfwerden bei größeren Objekten rascher ins Auge fällt. Das gleiche gilt auch für Mikroprismen. Je feiner sie sind, um so genauer kann man fokussieren, doch mit gröberen ist das Scharfstellen meistens schneller möglich. Die gröberen Sucherprismen geben das kontrastreichere Bild, das schnelleres Fokussieren erlaubt. Die gröberen Mikroprismen sind beim Gebrauch von Objektiven langer Brennweite nachteilig, da hier die Einstellelemente leichter abdunkeln, und bei Weitwinkelobjektiven ist das geringere Auflösungsvermögen zu großer Mikroprismen nicht ausreichend. Es ist, wie oft im Kamerabau, ein Kompromiß notwendig. Leitz hat für die Leicaflex kleine Mikroprismen gewählt, die die höchstmögliche Auflösung dieses Systems ergeben.
Der Verfasser fand, daß sich das 35-mm-Elmarit in der Leicaflex leichter fokussieren ließ als bei anderen Mikroprismensystemen. Da ein 28-mm-Leitz-Objektiv für die Leicaflex noch nicht erhältlich ist, wurde ein gutes 28-mm-Objektiv anderer Herkunft verwendet. Auch hier zeigte sich bessere Scharfstellmöglichkeit als mit anderen Mikroprismensystemen. Hier zeigt es sich mehr noch als beim 35-mm-Objektiv, daß das Auge vollkommen im Zentrum des Okularausblicks liegen muß, um ein Abdunkeln der Mikroprismen zu vermeiden. Sonst ist auch ein Abdunkeln der Bildränder zu beobachten. Das 90-mm-Elmarit gibt ein brillantes Sucherbild. Bei kritischem Überprüfen sieht man an den Bildkanten im Sucher ein schwaches Dunkelwerden, das ohne praktische Bedeutung ist. Auch hier muß das Auge möglichst zentrisch ins Okular einblicken. Beim Vergleichen einer Kamera mit gröberer Mikroprismenstruktur war größere Genauigkeit erforderlich. Benutzt man das Elmarit 2,8/135 mm, bleiben die Mikroprismen im Sucherbild hell, wenn man nicht deutlich seitlich zur optischen Achse einblickt.
In der Praxis überragend
Bei Nahaufnahmen wird mit zunehmender Bildgröße ein Luftbildsucher wie der der Leicaflex immer nützlicher. So ist der Sucher der Leicaflex für dieses Aufnahmegebiet zweifellos der beste jeder Kamera mit nicht auswechselbarem Suchersystem. Brillanz und Klarheit des Bildes sind für das Auge eine bemerkenswerte Unterstützung. Ohne Zweifel wird die Kamera vorwiegend mit den Objektiven von 35 bis 135 mm benutzt. In der Praxis ist der Leicaflex-Sucher bei Objektiven dieser Brennweite überragend. Zweifellos wird man Kritiken hören, daß Pressefotografen und mancher Profi es vorziehen, wenn man überall auf der Mattscheibe scharfstellen kann. Für sie ist der Leicaflex- Mikroprismensucher, obwohl er äußerst genaues Scharfstellen ermöglicht, etwas langsamer als die gröberen, sonst meist gebräuchlichen Mikroprismen.
Bei schwacher Beleuchtung unbestimmt
Dies gilt auch für Objekte niedrigen Kontrastes bei schwacher Beleuchtung, wo der Verfasser die Leicaflex-Mikroprismen-Scharfstellung unbestimmt fand. Hier ist es wieder eine Frage des Kompromisses. Leitz hat sich für äußerste Genauigkeit bei der Scharfstellung entschieden.
Abkehr vom Leica-Prinzip
Die Leicaflex weicht gänzlich vom alten Leica-Prinzip mit ihrem abnehmbaren Gehäuse-Bodenteil ab. Die Rückwand ist konventionell rechts am Kamerakörper mit Scharnier angelenkt. Wenn der Rückspul-Freigabeknopf nicht vom Stativkopf verdeckt ist, braucht man die Leicaflex zum Filmwechsel nicht vom Stativ zu nehmen. Zum Offnen der Kamerarückwand drückt man auf einen Knopf in der Mitte des Schiebers an der linken Kameraseite. Das macht man am besten mit dem Zeigefinger der linken Hand. Mit dem Daumen wird der Schieber nach oben gedrückt. Zum Verschließen genügt es, den Schieber nach unten zu drücken. Die Verriegelung ist nach Ansicht des Verfassers unnötig umständlich und ausgesprochen langsam. (Der Übersetzer ist genau entgegengesetzter Ansicht; er würde das Prädikat »schnell genug und außerordentlich sicher« geben. Liegt es daran, daß er Linkshänder ist ?)
Das Kamerainnere
Die Andruckplatte ist sehr lang. Sie erstreckt sich fast über die gesamte Filmgleitfläche. Obwohl der Film unter die Aufwickeltrommel gespult wird, ist noch zusätzlich eine Rolle vorhanden, die für sicherste Filmführung sorgt. Eine Platte an der Rückwand sichert die Lage der Patrone beim Rückspulen.
Die Aufwickelspule hat nicht die bestmögliche Form, da ihre Schlitze nicht über die volle Filmbreite gehen, man also nur zugeschnittene Filmanfänge einführen kann. Die Aufnahmekammer für die Filmpatrone ist geräumig und gab beim Einlegen oder Herausnehmen keinerlei Schwierigkeiten. Etwas überraschend war der sehr scharfe Winkel, den der Film nach dem Verlassen der Kassette macht, wenn er auf die Filmführung hinübergleitet. Das Innere der Kamera ist wirksam matt geschwärzt, ebenso alle Mechanik, um Reflexe zu vermeiden.
Leitz-Patent: Kurbelschleifengetriebe des Schwingspiegels
Die Leicaflex ist mit einem Schwingspiegel eines neuartigen Konstruktionsprinzips ausgestattet: Kurbelschleifengetriebe. Die Mehrzahl aller einäugigen Reflexkameras haben ein »Kissen«, meistens aus Schaumstoff, auf das der Spiegel aufschlägt, bevor er in die Sucherstellung zurückkehrt. Die Leicaflex hat keine derartige Vorrichtung. Sie besitzt dagegen einen patentierten Mechanismus (»Kurbelschleifengetriebe«), der die Spiegelbewegung an ihrem oberen Punkt auffängt. Er berührt so während der Belichtung niemals direkt das Kameragehäuse. Danach kehrt er zurück und schlägt auf einer Nadel am Kameraboden auf. Dabei gibt es einen sanften Schlag. Das geschieht aber erst dann, wenn die Belichtung bereits beendet war.
Es wäre nicht korrekt zu sagen, daß man die Spiegelbewegung nicht fühlt, wenn man die Kamera in Händen hält, wie dies bei ein oder zwei 35-mmReflexkameras der Fall ist. Jedoch ist die Spiegelbewegung eindeutig weicher, und es gibt kein Klappern.
Verschlußablauf erschütterungsfrei
Der Verschlußablauf der Kamera selbst ist vollkommen erschütterungsfrei. Vielleicht sogar noch mehr als bei der M 3, teils auch, weil das Leicaflex-Gehäuse größer und schwerer ist, also stärker absorbiert. Dies kann man leicht prüfen, indem man den Spiegel in der oberen Stellung fixiert und nur den Verschluß ablaufen läßt. Mit einem Hebel neben dem des Selbstauslösers kann man die Spiegelbewegung regulieren. In seiner oberen Stellung des Hebels ist der Spiegelablauf normal, in der horizontalen Lage des Hebels bleibt der Spiegel nach dem Auslösen und Spannen oben stehen, das Sucherbild bleibt also dunkel. Schwenkt man den Hebel ganz nach unten, springt der Spiegel nach oben, sofern der Verschluß gespannt ist. Ist der Verschluß dagegen nicht gespannt, bleibt der Spiegel in der unteren Sucher-Position, um erst beim Spannen nach oben zu klappen.
Das Objektiv-Bajonett
Die Leicaflex besitzt eine spezifische Bajonetthalterung mit drei Zungen. Der Fassungsdurchmesser ist groß: 49 mm. Die Konstrukteure haben sich offensichtlich für zukünftige Optikkonstruktionen viel Platz gelassen. Das Objektiv wird - Rotpunkt auf Rotpunkt - eingesetzt und etwa 35xGRADx rechts herumgedreht (rechts - bei Blick auf die Kamera). Die Sperrtaste für das Objektiv liegt - wiederum bei Blick von vorne auf die Kamera - links unten von der Objektivhalterung. Die Sperrtaste ist etwas scharf geriffelt, gibt aber so einen sicheren Griff. Abgesehen von den Leica - M - Modellen ist die Objektiv-Sperrtaste allgemein meist rechts angebracht. Leitz zieht es offensichtlich vor, daß man den Kamerakörper mit der rechten Hand hält und das Objektiv mit der linken herausnimmt.
Wie nicht anders zu erwarten, gibt das Leicaflex-Bajonett einen präzisen und sicheren Halt ohne das geringste Spiel. Das Auflagemaß (Abstand Filmbühne- Objektiv): 47 mm.
Neben den vier zur Zeit lieferbaren Leicaflex-Objektiven, dem 7 linsigen Elmarit-R 2,8/35 (kleinste Einstellentfernung 30 cm), dem 6 linsigen Summicron-R 2/50 (kleinste Einstellentfernung 50 cm), dem 5linsigen Elmarit-R 2,8/90 (kleinste Einstellentfernung 70 cm) und dem 5linsigen Elmarit-R 2,8/135 (kleinste Einstellentfernung 1,5m) können mit dem Leicaflex-Adapterring 14127 F alle Leica-Objektive vom Elmar 3,5/65 bis zu den längsten Brennweiten benutzt werden. Natürlich auch das Leitz-Focorapid.
Leicaflex-Objektive haben eine Leichtmetallfassung und Geradeführung. Alle besitzen vollautomatische Springblende. Die Fassung ist schwarz mit weißen Zahlen. Das Einsetzen der Objektive wird durch eine rote Halbkugel an Stelle des meist üblichen Rotpunktes erleichtert. Man kann so die richtige Lage, ohne hinzusehen, fühlen. Die Leicaflex-Objektive sind vermutlich die schwersten Kleinbild- Reflexobjektive des Marktes. Präzision und Dauerhaftigkeit verlangen dies, heißt die Antwort. Alle Objektive besitzen Schraubringe zur Filterhalterung, wie es in Amerika gebräuchlich ist. Die Handhabung ist etwas umständlich, doch kommt man mit zwei Filtergrößen, bei den vier zur Zeit lieferbaren Brennweiten, aus.
Beim Normalobjektiv wird die Sonnenblende zum Tragen der Kamera umgekehrt aufgesetzt. Zum Fokussieren muß man die Sonnenblende abnehmen. In ganz eiligen Fällen ist es wohl nicht zu umgehen, die Sonnenblende schnell in die Tasche zu stecken statt auf die Objektivfassung, um Zeit zu sparen.
Neue Generation optischer Rechnung
In der zur Abfassung dieses Berichts zur Verfügung stehenden Zeit war es nicht möglich, die Objektive mit Meßgerät und in praktischer Arbeit bis ins letzte Detail kritisch zu prüfen. Eines jedoch stellte sich sehr schnell heraus: Die Leicaflex-Objektive sind bis heute die höchst korrigierten, für allgemeine Fotografie erhältlichen Objektive. Allgemein kann man sagen, sie repräsentieren eine neue Generation optischer Rechnung. Der Gebrauch elektronischer Datenverarbeitungsanlagen und das Studium der Charakteristika der Kontrastübertragung haben offensichtlich ihre Früchte getragen. Es befriedigt zu sehen, wie Leitz die deutsche Tradition auf diesem Gebiet wahrt. Der Unterschied ist nicht nur bei starken Vergrößerungen kleiner Ausschnitte aus Schwarzweiß-Negativen sichtbar, sondern auch bei Aufnahmen auf Farbumkehr-Material. Mit der Leicaflex ist eines der für längere Zeit bedeutendsten Geräte erschienen.
Wer eine revolutionär neue und in die Zukunft weisende Konstruktion erwartet hat, wurde enttäuscht. Wie Leitz auf diese Erwartung achtet, ist charakteristisch. Der Verfasser sah die Leicaflex zum erstenmal kurz nach der photokina im März 1963. Sie entsprach schon damals, von Kleinigkeiten abgesehen, der heutigen Ausführung. Welche japanische Firma dächte wohl daran, ein 1963er Modell nach zwei Jahren auf den Markt zu bringen ? Hier liegt der große Unterschied in der Betrachtungsweise. Der deutsche Standpunkt ist: Eine Kamera ist in gewisser Weise ein zeitloses Wesen. Wenn eine erstklassige Kamera im März 1963 ausgezeichnete Ergebnisse ermöglicht, dann wird sie das im März 1 S65 ebenso tun. Diese grundsätzliche Tatsache ist unberührt von irgendwelchen Neuerungen, die man in der Zwischenzeit gefunden haben mag. Leitz hat eine einäugige Reflexkamera konstruiert für das Standard-Kleinbildformat. Sie gibt beste Resultate. Man hat dieses Instrument geschaffen, und es wird ein vorzügliches Instrument auf lange Sicht bleiben, unabhängig von Modeströmungen. Dies ist der natürliche Standpunkt des Herstellers wissenschaftlicher Präzisionsinstrumente. Vielleicht hätten wir es gerne gesehen, wenn Leitz einen Belichtungsmesser hinter dem Objektiv angeordnet hätte. Leitz wird vermutlich die letzte Firma sein, die dies tut, aber wenn man es macht, dann auf eine durch und durch erprobte Weise. Wir sind vielleicht durch Werbung so daran gewöhnt, auf die letzten Neuerungen zu schauen und neigen so zur Ungeduld bei jedem, das nicht von Grund auf neu ist. Die Leicaflex-Objektive sind solch eine grundlegende Neuerung, und die Kamera hat im besten Sinn alles, was 1963 von einem konstruktiven Spitzenreiter erreicht wurde, und sie hat den Vorteil der besten Kameratechnik überhaupt. Die Leicaflex bietet auf dem Gebiet der Spiegelreflex-Kameras nicht die Kleinheit und Leichtigkeit, die die Leica auf dem Feld der E-Messerkamera gewann, aber die Kamera hat Leitz-Ingenieurkunst, -Qualität und -Verarbeitung, und dies ist wichtig in einer Zeit, da ein qualitativer Rückgang der allgemeine Trend ist.
(Deutsche Fassung: Dieder Renner)
{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}