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Artikel

2009

FM TESTET

Das Nikkor-System

In der Vorstellung von der idealen Kamera steht die Vielseitigkeit an erster Stelle. Die ideale Kamera soll alles können, und das jeweils in Perfektion. Sie soll darüber hinaus ein Höchstmaß an Bedienungskomfort und absolute Bedienungssicherheit bieten. Schließlich soll sie auch noch zeitlos modern sein. Dieses Idealbild einer vollkommenen Kamera wird wohl immer eine Utopie bleiben. Einfach schon deshalb, weil Universalität und Komfort grundsätzlich Extreme sind, weil es die Kamera fürs Leben, die stets den neuesten Stand der Technik repräsentiert, nicht geben kann. Es sei denn, man könnte den Fortschritt stoppen. Wenn es also schon keine ideale Kamera gibt - wie hat dann der ideale Kompromiß auszusehen ? Wir haben versucht, diese Frage am Beispiel der Nikkor` zu analysieren, einer Systemreflex, die heute zu den Großen des Weltmarktes gerechnet werden muß.

Vielseitigkeit ...

Gegenpol zur Einsatzbereitschaft in allen Aufnahmebereichen ist die Perfektion im Einzelfall, die nur durch Spezialisierung erreichbar scheint. In der Nikkor ist dieser Gegensatz durch die Addition von Einzel-Höchstleistungen zum Allzwecksystem überbrückt.
Objektivsystem: insgesamt 33 Objektive von f = 7,5-1200 mm Brennweite bilden das optische Rückgrat der Nikkor
1. Standard-Nikkore hoher Lichtstärken (f: 1,2, 1,4 und f: 2).
2. Weitwinkel-Nikkore mit 21, 24, 28 und 35 mm Brennweite.
3. Langbrennweitige Nikkore von 85 bis 300 mm Brennweite.
4. Nikkor-Fernobjektive mit 400, 600, 800 und 1200 mm Brennweite. Abnehmbarer Einstellteil zur raumsparenden Objektivkombination.
5. Reflex-Nikkore mit 500 und 1000 mm Brennweite. Extrem kurze Bauweise durch Spiegellinsen-System.
6. Zoom-Nikkore mit Variobereich von 43-86 mm (2fach), 50-300 mm (6fach), 85-250 mm (3fach), 200600 mm (3fach).
7. Micro-Nikkor 55 mm mit Einstellbereich bis 1:1, Nikkor-Objektivkopf 135 mm zur Verwendung am Balgen-gerät.
8. Spezialobjektive
Medical Nikkor 200 mm mit eingebautem Ringblitz und Pilotlicht für schattenlose Ausleuchtungen im Nahbereich (medizinische und industrielle Fotografie).
Fisheye-Nikkor 7,5 mm. Extrem-Weitwinkel mit 180xGRADx Bildwinkel (kreisrundes Bildfeld mit 24 mm Durchmesser). Für astroßfotografische und meteorologische Zwecke wie auch für effektbetonte Bildwirkungen in der Werbefotografie.
PC-Nickohr 35 mm. Weitwinkel-Objektiv mit Perspektive-Ausgleich
durch Verschiebung des Linsensystems um 11 mm aus der optischen Achse. Für Entzerrungen in der Architektur- und Sachfotografie.
Suchersystem: 4 Sucher, 14 Einstellscheiben.
1. Standard-Pentanprisma. Als Grundausrüstung in die Nikkor F eingebaut.
2. Pentanprisma mit eingebauter Innenmessung (Photomic-T-Sucher). Zeit/ Blenden-Kupplung. Auch als Grundausrüstung lieferbar (Nikkor F Photomic-T).
3. Extended Eye Point Finder mit längertem Einblick, besonders für Schutzbrillenträger geeignet. Verbindet die Vorzüge des Prismensuchers (Horizontal-Einblick) mit den Vorzügen des Rahmensuchers (Presse-und Sportfotografie).
4. Lichtschachtsucher mit ausklappbarer Sucherlupe. Suchereinblick von oben (Aufnahmen in Bodennähe usw.).
Exakte Fokussierung in allen Aufnahmesituationen setzt ein variables Einstellsystem voraus. Für die Nickohr-Kameras stehen insgesamt 14 Einstellscheiben zur Verfügung, die untereinander ausgetauscht werden können und mit allen Suchertypen verwendbar sind: Fresnellinse mit Schnittbildzentrum und Mattscheibenkreis; Fresnellinse mit Mattscheibenzentrum; Klarglaskreis mit Fadenkreuz; Mattscheibe mit und ohne Koordinaten; Mikro-Spaltbild mit klarer oder mattierter und ohne Fresnellinse. Bei allen Suchertypen und Einstellscheiben stimmen Sucherbild und Filmbild in der Nikkor 100%ig überein.

Austauschbares Rückteil: Die Normalrückwand der Nikkor ist abnehmbar und gegen einen Motoransatz auszutauschen, der auf Bildsequenzen bis 4 Aufnahmen in der Sekunde einstellbar ist. In Umkehrung des bekannten Robot-Slogans kinografieren ist die Nikkor-Technik des fotografisch analysierten Bewegungsablaufs wohl am treffendsten mit Nikografie zu umschreiben.

. . . contra Komfort

Diese Forderung der Bildermacher-Fotografie ist bei Spiegelreflexkameras stets unter dem Gesichtspunkt des gerade noch Vertretbaren zu sehen. Neben Selbstverständlichkeiten in der Kamera, wie Schnellschalthebel, Rückspulkurbel und Filmzähl-Automatik, bieten vor allem die Nikkor-Objektive in diesem Punkt ungewöhnlich viel: automatische Springblende in fast allen Objektiven, weitgehend identische Objektivfassungen, Nikkor-Schnellwechsel-Bajonett. Das bedeutet in den allermeisten Fällen eine erfreulich standardisierte Bedienung und damit hohe Bequemlichkeit.

Sicherheit ...

Auch in diesem Punkt ist die Nikkor auf neuestem technischem Stand: Innenmessung mit Photomic-T-Sucher für exakte, bildwinkel-identische Lichtmessung in allen Brennweitenbereichen und in der Makro- und Mikrofotografie. Rückschwingspiegel zur praktisch ununterbrochenen Motivbeobachtung, Titanium-Schlitzverschluß (1/1000-1 s) mit B- und T-Stellung für Zeitbelichtungen.

. . . und Kamera fürs Leben

Seit der Einführung der Nikkor F im Jahre 1 959 wurde die Kamera in rd. 800 (! ) Punkten verbessert - ohne sie zu ändern. In einer Zeit der planned obsolence auch im Kamerabau ist diese »VW«-Politik eines der führenden japanischen Kamerawerke zweifellos ein psychologisches Plus. Andererseits hat die notorische Langlebigkeit der Nikkor-Kameras auch noch andere, gewichtige Gründe: In dem Maße, in dem ein Fotografiersystem höchste Ansprüche an technische Präzision und Vielseitigkeit zu erfüllen hat, muß es zwangsläufig um jeden Preis unverwüstlich sein. So kommt der Snob-Appeal des Nikkor-Systems (Unimog zum RollsRoyce-Preis) sicher nicht von ungefähr.
Die Amerikaner wissen das schon lange. Von ihnen stammt der Slogan: Even a used Nikon is better than no Nikon, was heißen soll, daß es immer noch besser ist, einen gebrauchten als gar keinen Rolls Royce zu fahren.
Amerikas Frontreporter haben den Weltruf der Nikkor im Koreakrieg begründet. Heute ist die Nikkor weit über ihre damalige Aufgabe als Kamera für Bildjournalisten hinausgewachsen und zu einer Allzweck-Kamera geworden. Ganz gewiß nicht zuletzt ist sie auch ein aktuelles Beispiel dafür, daß die Zeit, da Kameras aus Japan in jeder Beziehung billig waren, wohl endgültig vorüber ist.

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