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Artikel
2009
NÖRGELMANN ÜBER: FUJICA ST 701
In dieser Ausgabe beginnt das „Foto-Magazin" eine Reihe von Kameratests, die - ganz bewußt als Gebrauchstests für die Praxis aufgezogen - unsere wissenschaftlichen Objektivprüfungen ergänzen sollen. Autor dieser Tests ist Alexander Borell, unseren Lesern als „Herr Nörgelmann" seit Jahren ein Begriff. Nörgelmann hat sich ausbedungen, nur Kameras von Herstellern zu testen, die von vornherein seine bewußt subjektiven Standards und Wertungen akzeptieren. Und die seinen unkonventionellen Stil zu schätzen wissen. Denn er will, wie er sagt, nicht Fertigungskontrollen wiederholen, sondern jene Kriterien beurteilen, die - über die als selbstverständlich vorauszusetzende optisch-mechanische Leistung hinaus
- für den Kauf einer Kamera entscheidend sind: Zukunftssichere Konzeption und Bedienungskomfort in Relation zum leistungsgerechten Preis. Aus Gründen der Aktualität nimmt unser erster Test die neue Fujica ST 701 unter die Lupe - eine Kleinbild-Spiegelreflex, die auf der photokina '70 Premiere hatte und in diesen Tagen erstmals in den Schaufenstern des Fotohandels zu sehen ist.
Redaktion
Erster Eindruck über Handlichkeit, Verarbeitung, Konstruktion: ausgezeichnet. Zweiter Eindruck: desgleichen! Beim Filmeinlegen kommt das erste „schade - daß ..." Immer noch Einfädelspule! Auch wenn sie sich, entgegen der Drehrichtung, leicht einfädelt. Für das Bildzählwerk sind trotz Lupe gute Augen oder Brille nötig. Verschlußzeiten üblich: B bis 1/1000 s. Schlitzverschluß, mit 1/60 blitzsynchron.
Und jetzt kommt das große Vergnügen: das Auslösen! Butterweich, nur ein leises Klick - absolut einsame Klasse! Der Auslöser selber: wie eine gestochene Büchse: nur ein leises Tupfen - schon ist es passiert. Das hat mich aber nebenbei fünf leere Bilder gekostet: die Fujica macht diesen sanften, butterweichen Klick nämlich auch dann, wenn man den Deckel der Bereitschaftstasche schließt! Also: entweder Auslöser werksseitig verriegelbar machen - oder immer erst vor der nächsten Aufnahme weiterschalten.
Mattscheibenbild mit Makroprismenfeld auffallend hell, sehr leichte Entfernungseinstellung.
Schwieriger wird die Belichtungsmessung: rechts im Sucherbild zwei Klammern, zwischen die der Zeiger eingependelt werden muß. Da die Kamera nur mit Arbeitsblende mißt - (nach Betätigen eines Knopfes neben dem Objektiv!) - kann die ganze Belichtungszeigerei so ins Dunkel von Motiv und Abblendung geraten, daß man kaum noch etwas sieht. Es geht halt nichts über die Offen-Meßmethode. Dafür ist das Objektiv schraubbar, gottseidank mit dem M 42-Praktica-Gewinde, so daß man über siebenhundert Objektive zur Verfügung hat. Mit den Original Fujinon-Wechselobjektiven (von 28 mm bis 1000 mm!) sind Blende und Verschluß wahlweise gekuppelt. Es arbeitet sich gut mit dieser Kamera, wenn man sich auch an der rechten Hand einen Finger mehr wünscht. Oder spielen Sie etwa Klavier? Mit dem dritten auf dem Belichtungsknopf, mit dem zweiten auf dem Auslöser: ich habe dreimal die Finger durcheinandergebracht und ausgelöst, statt Belichtung gemessen - aber daran wird man sich gewöhnen.
Die Blendenskala reicht nur bis 16! Bei 27-DIN-Film wird vermutlich ein Graufilter nötig werden, was ich ohnedies für besser halte als Blende 22, die gelegentlich schon durch Beugung Unschärfen erzeugt.
Der Suchereinblick ist groß, er reicht für mich sogar mit Brille - beinahe! Immerhin gibt es viel Schlechteres auf dem Markt, im Ernstfalle sind Korrekturlinsen am besten, die es auch für die Fujica gibt.
An das Blitzen haben die Konstrukteure offenbar nicht gedacht, oder es für nebensächlich gehalten: man kann einen Sucherschuh für das Blitzgerät extra kaufen. Oder man verwendet den Blitz an der Schiene. Wäre ich selber Herr Fuji, würde ich meinem Konstrukteur einen Blitzschuh mit Mittelkontakt zur Auflage gemacht haben. Zumal ich ja mit dieser Kamera in ein neues Gebiet vorstoße: bisher hat Fuji, der aktivste Fotochemie-Großkonzern in Japan, nur seine tollen Single-8Kameras und ausgezeichnete Filme geliefert, jetzt steigt er auch mit einer Kleinbild-Spiegelreflex in den Weltmarkt ein. Und das gleich mit einer sehr beachtlichen Kamera, die nicht mehr Mängel hat, als andere ihrer Klasse auch, dafür aber einiges besser: Auslöser, Mattscheibenbild und - den rascheren Silizium-Belichtungsmesser, der unwahrscheinlich schnell reagiert. (Für mich könnte er es auch langsamer tun, denn er ist schneller, als ich selber es mit dem Auslösen bin!)
Meine Testaufnahmen auf Fujichrome R 100 (21 DIN) ergaben beim ersten Film leichte Überbelichtung, dann ging ich beim zweiten und dritten entweder mit der Meßnadel im Sucher an die untere Grenze, oder ich gab 2 DIN zu, stellte also auf 23 DIN, dann war alles bestens! So was muß aber jeder für sich und sein Material ausprobieren.
Ich erinnere mich noch der Zeiten, wo Fotohändler verächtlich die Nase rümpften, wenn man nach einer japanischen Kamera fragte. Heute rümpfen sie bei manchem deutschen Erzeugnis die Nase. So ändern sich die Zeiten. Aber: ein Volk, das die Kamikazeflieger hervorgebracht hat, fürchtet sich natürlich auch nicht vor Weltkonkurrenz, am wenigsten zur Zeit vor der deutschen. Was zum Teil auch dadurch bewiesen ist, daß man ausgerechnet dem so bösen Nörgelmann eine neue Kamera zum Testen überlassen hat. Es hätte ja auch eine Art von Harakiri daraus werden können, und ich hätte das mit Genuß getan - wenn die Kamera danach gewesen wäre. Aber ich verreiße nichts, um des Verreißens willen, und so bekommt diese Fujica ST 701 von mir meine Note 2!
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