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Artikel

2009

NÖRGELMANN ÜBER: NIZO 1000

Der Knipser will knipsen, nicht aber etwas über seine Kamera oder deren Handhabung lesen. Behaupten die Experten. Ich selber lese nichts so gerne, wie gut gemachte, ausführliche Bedienungsanleitungen, sie sprechen bei mir für den Wunsch des Herstellers, ich möge nützen, was er da für mich produziert hat und mich daran in vollem Umfange erfreuen. Also bin ich Partei, nicht objektiv, was die Bedienungsanleitungen betrifft. Zwischen diesen Extremen aber liegt sicherlich der Normalverbraucher, der Mann also, für den die NIZO 1000 konzipiert scheint. Denn für den Knipser ist sie viel zu gut, zu intelligent, und dem Fachfotografen bietet sie, als „Einzige", wiederum nicht genug. Also meine ich, der Bedienungsanleitung kommt einige Bedeutung zu. Ich habe mich also, gewissermaßen wie ein Normalverbraucher, in diese Bedienungsanleitung vertieft und wollte danach mit der Kamera verfahren, und da beginnt die NIZO 1000-Story.
Zunächst einmal sehe ich, daß man eine Art von kleinem Tresor vor sich stehen hat, und ich denke mir: „Gut nachempfunden ist besser, als gar nichts empfunden", denn solch eine Art von Verkapselung habe ich schon mal wo gesehen und - gelobt. Wo? War's nicht bei Polaroid? Gut auf alle Fälle, faszinierend geradezu die einfache Art, den Trageriemen ein- und auszuhängen. Allerdings das Ganze wieder nicht ganz so gut, wie früher etwa eine Contessa, denn die war auch im Gehäuse, aber noch kleiner. Dafür ...
Also weiter, was kann sie dann, diese NIZO 1000?
Öffnen wir das Schatzkästlein aus schwarzer Plastik .genau nach der Bedienungsanleitung: „Der Deckel läßt sich abschwenken, wenn man auf den hellen Punkt der Verschlußlasche drückt."
In einem Foto ist der „helle Punkt" nicht gezeigt, aber man sieht ihn deutlich und drückt drauf. Nichts rührt sich ...
Er steckt tief drin, ist vielleicht beim letzten Drücken stecken geblieben? Also mit dem Fingernagel ... nichts rührt sich. Mit dem Kugelschreiber? Nichts rührt sich. Schließlich werde ich brutal, ziehe einfach dran, und auf ist der Deckel! Mein Gott, warum schreiben das die Leute nicht?
Ich gebe die Kamera meiner Frau: „Mach sie mal auf!" Ohne zu zögern, .- wann je zögern technisch unbedarfte Damen, wenn es gilt, ein Wunderwerk zu zerstören? -drückt sie zwei „Griffstücke" zusammen und - die Rückwand klappt ab. Im Ernstfalle wäre der Film verdorben. Diese „Szene" ist auch abgebildet, aber es steht drunter: „Soll der Deckel ganz vom Gehäuse abgenommen weiden, so schiebt man die geriffelten Griffstücke am Kameradeckel zusammen."
Wer schaut schon, wenn er ein falsches Foto sieht, wo der richtige Text steht? Oder umgekehrt? Ich bin überzeugt, es werden' mit keiner , Kamera so viele Filme durch versehentliches Öffnen verdorben werden, wie mit dieser. Aber vielleicht gibt man sie besser nicht aus der Hand?
Der richtige Text zur Rückwand steht dann auf der nächsten Seite und dem Foto, wie das Ablösen der Trageriemen demonstriert wird. Jetzt schon steigt in mir der Verdacht auf, der Verfasser dieser Druckschrift müsse ganz besonders rätselhafte Ambitionen gehabt haben, als er die Texte und die Fotos so kunstvoll verschlüsselte. Oder war die Geschäftsleitung etwa geizig• und wollte an Klischees und gar echten Hinweisen sparen? Wen- wundert es jetzt noch, wenn er drei Einzelfächer für drei Knopfbatterien deutlich sieht, dazu im Text aber liest, diese Kamera nehme „eine Batterie aus drei, Knopfzellen auf". Na ja, denkt man, die Fremdarbeiter erobern auch schon die technischen Büros ... Daneben ist eine halbe Seite leer. Schönes, weißes Papier, wo man eine Menge hätte zeigen oder erklären können... nichts! Im Druck hätte das kaum mehr gekostet. Daß es auch umständlich geht, beweist der klassische Satz: „Die Kassette kann zwangsläufig nur richtig eingelegt werden." Mein Schullehrer hätte das rot angestrichen und daneben geschrieben: „... kann nicht falsch eingelegt werden!"
Dann zwei Vexierbilder nach dem Motto: „Suchen Sie zwei Veränderungen." Sie suchen und suchen und würden es nicht glauben, wenn nicht darunter stünde, daß es
sich um die Demonstration der Wirkung des Doppelbild-Entfernungsmessers handelt. Hat der Gute doch lauter Säulen ,fotografiert, lauter senkrechte Säulen, und von Doppelbild sieht man gar nichts!
Es würde einen jetzt schon wundern, wäre das Foto mit dem Schärfentiefenbereich so, wie man das richtig an der Kamera sieht: die Zahlen lesbar und deutlich. Nein, das Foto ist von' vorn, alles steht Kopf und ... ach du lieber Gott, wie klingt das merkwürdig
„Wird der Drahtauslöser mit einem handelsüblichen Selbstauslöser gekoppelt, so kommt der Fotograf mit aufs Bild."
„Je besser, stärker das Licht ist ...", na ja,. auf „heller" ist man nicht gekommen.
Und so steht das da, Seite um Seite. Und man selber steht auch da und fragt sich, was ist da passiert? Wollte man die Einfachheit dieser Kamera durch Primitivität der Bedienungsanleitung dokumentieren? Ich meine, diese Kamera hätte etwas besseres verdient, und um dieser Kamera willen bin ich zu einer kostenlosen Neutextung bereit, wenn's am Geld liegen sollte.
Und jetzt eine Bitte an meine Leser: machen Sie von dem vielgerühmten Service der Fotohändler einmal Gebrauch, gehen Sie in Mengen hin und schauen Sie sich diese NIZO 1000 an!
Sie macht Ihnen Freude, sie wird auch im Dienst nicht enttäuschen! Ich habe mit ihr gearbeitet: unaufwendig wie ein gebrauchtes Damenrad, in der Leistung ein 300 SEL. Der Verschluß so leise, daß Sie zweimal drücken möchten im Glauben, er hätte nicht funktioniert. Die Arme im Wirtshaus auf dem Tisch, die Kamera macht bis zu vier Sekunden, aber das ist kaum nötig, wenn Sie den 23er Ekta hineintun - und dann tolle Dias bei natürlichem Licht! Draußen für den Sport schafft sie die 1/1000 - und Sie sehen die Zeiten im Sucher! Himmel, macht dieses Ding Spaß! Und wenn Sie einen Nachmittag und einen Abend (vor den Schaufenstern aus der Hand!) mit ihr unterwegs waren, schmeißen Sie zu' Hause die Bedienungsanleitung ohnedies weg, aber sicherlich nie mehr die NIZO 1000. Was immer Sie auch sonst noch haben: sie wird Ihr liebstes Kind.
Daß Sie zunächst nach dem Blitzen vergessen, den kleinen Hebel wieder auf Automatik zu stellen, merken Sie bald ...
Und nun meine Note: Natürlich 1, denn ich habe sie mir bereits angeschafft, zu allen anderen, trotz allen anderen und - trotz dieser unbedarften Druckschrift!

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