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Artikel

2009

NÖRGELMANN ÜBER: POLAROID COLORPACK 80

Sie ist seit dem 1. April auf dem deutschen Markt, also brandneu. Sie ist das, was man eine problemlose Kamera nennt (elektronische Belichtungssteuerung bei Tages- und Blitzlicht) und gleichzeitig eine, die nach wie vor keine Konkurrenz hat. Weil das Polaroid-Sofortbild eben doch nicht so einfach nachzumachen ist. Im Gegenteil: Die Filme zur Colorpack 80 sind weiterentwickelt worden - ganz im Sinne einer größeren Popularität beim Amateur. Sie sind nämlich billiger geworden. Wie es heißt, wurden auch die Emulsionen geändert. Subjektiv wie immer testet Nörgelmann die Colorpack 80 auf den Spaß an der Freud'. Einen exakten Qualitätstest des neuen Polacolor-Films bringt FM im Sommer, wenn die ersten Erfahrungen der Praxis vorliegen. Redaktion

„Credo, quia absurdum", hat ein alter Römer kurz nach Christus gesagt, als er den ersten Zwocevau auf der Straße fahren sah. Um diesen, vermutlich nicht auf Anhieb erklärlichen Satz zu verdeutlichen: es hat zu allen Zeiten schon Leute gegeben, die etwas glaubten, nur weil es verrückt war. Und es gab ebenso zu allen Zeiten Fabrikanten, die mehr in ihrem Hirn hatten, als SOLL und HABEN! Zum Beispiel das häßlichste Auto der Welt, das zugleich einer der größten Erfolge auf dem Automarkt wurde: den 2 CV von Citroen. Und nun die häßlichste Kamera ... Nein, das wäre falsch und bösartig gegenüber der „Colorpack 80", einer direkten Tochter von Mütterchen „Swinger" und Väterchen „Colorpack II". Häßlich ist für dieses Ding gar kein Ausdruck: diese Kamera steht über allem, was unser Sprachschatz ausdrücken kann. Würde man einem unserer intelligentesten Fotofabrikanten die Idee dieser Kamera erklärt auf Papier skizziert haben, würde er (weil er ja der Intelligenteste ist!) sicherlich die eingangs erwähnten Worte auf Deutsch ausgesprochen haben: „Ich glaube es, weil es so verrückt ist." Soweit die Vorrede, und wer jetzt noch nicht neugierig ist, eignet sich überhaupt nicht als Partner für ein vernünftiges Fotogespräch.
Und ich muß nochmal auf das „häßliche Entlein", den 2 CV, zurückkommen: wir fuhren diesen Apparat jahrelang, vollbepackt mit Familie und Ausrüstung, und wir schafften mit den 12 PS stets genau einen Durchschnitt von 59,3 km, auf allen Strecken in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Den 60er haben wir nie ganz geschafft, aber wer Autofahrer ist, weiß, was auch ein 59er bedeutet.
Und ich bin damit immer noch nicht bei der „Colorpack 80" angekommen, für deren Test ich von der Redaktion honoriert werde. Aber was soll man an einer Kamera schon testen, die man sich vors Gesicht hält, abdrückt und 30 Sekunden später ein Bild in der Hand hat. Und wo sich der Beschauer fragt, bei welchem Händler man entwickeln und kopieren ließ, weil es so gut ist. Das Ganze in Farbe dauert 60 Sekunden, und man kramt wiederum in seiner Erinnerung: „Wo, zum Teufel, hat 'mir schon mal ein Labor so ausgezeichnete Colorbilder gemacht?"
Seit ich die etwas ältere Colorpack II in den diversen Kofferräumen meiner Autos herumsausen habe, heißt diese Kamera in meiner Familie „das Ding". Und wenn unterwegs ein Unfall war, und niemand hatte, was man
immer haben sollte, sagte ich anfangs: „Ich hole meine Kamera."
Die Polizisten waren ratlos, was ich da wollte, und selbst halbtote Autofahrer flüsterten noch aus dem Straßengraben: „Das ... eine Kamera?"
Und später bedankten sich die Nichtschuldigen, die Versicherungen und die Polizei „für die hervorragenden Aufnahmen".
DAS DING, das neue, ist billig. Ich habe ausgerechnet, daß es sich der deutsche Durchschnittsbürger kaufen kann, wenn er insgesamt sechzehnmal statt Schweinebraten am Sonntag nur Rindfleisch ißt. Die Filme in dem neuen, fast quadratischen Format sind billiger, weil man das Überflüssige zum Rechteck weggelassen hat. (Man läßt etwa 25% weg und macht etwa 20xGRADx/o billiger, so clever sind diese Pola-Leute!) Immerhin: das Bild mit 8,2 X 8,6 cm ist für normale Zwecke voll ausreichend, und man erspart sich die lästige Nachlackiererei bei Schwarzweiß. Belichtungsautomatik: von 1 s bis zur 1/500; Innenaufnahmen am besten blitzen, ebenfalls automatisch mit Würfeln: es ist alles eingebaut, was man braucht. Was rede ich? Würden Sie sich früher einen 2 CV nach. der Beschreibung eines Autofahrers gekauft haben? Gehen Sie zum Fotohändler und lassen Sie sich „das Ding" geben, drücken Sie auf den Auslöser (arretierbar!) und schauen Sie sich das Bild selber an. Und wenn Sie ein Mann sind (ich meine ein richtiger Mann, in dem noch was vom Kind steckt!), dann kaufen Sie sich das Ding. Und wenn Sie eine Frau sind, dann kaufen Sie es „ihm", - wenn er keinen Spaß dran hat, sollten Sie sich von ihm trennen, denn dann ist er auch sonst im Leben eine leere Flasche.
Allerdings, werden Sie zu Hause vor die Raumfrage gestellt: wohin mit dem Ding? Zweizimmerwohnung geht. Aber möbliertes Zimmer oder Einzelappartement macht schon Probleme: unter eine moderne Couch geht es nicht, die Schränke und Regale hat man voll - es ist eine ganze Menge umbauter Raum, dieses Ding. Genau das Gegenteil von dem, was man sonst als Fotomensch möchte: klein und kompakt. Es sind zwei Batterien drin und Luft, viel Luft. Und ich wollte, ich hätte einen technisch begabten Sohn: ich ließe ihn ein paar kleine Transistoren und sonst noch was einbauen, zusätzlich, so daß ich mit „dem Ding" wenigstens auch noch den Ortssender hören könnte. Und weil das so verrückt ist, halte ich es für möglich, daß Mr. Land auch noch auf diese Idee kommen wird, wenn sich seine kleine Tochter - oder ist es jetzt schon die Enkelin?, darüber ärgert, daß das Ding nur Fotos, aber keine Musik macht.
Und noch was gefällt mir: da haben diese Polaleute in der (sehr guten!) Gebrauchsanweisung ein wunderschönes Landschaftsbild als Beispiel dafür, was das Ding kann. Und darunter steht, man soll doch bitte die alten Pack-Kassetten oder die Negative mit den Papierstreifen nicht einfach in diese Landschaft schmeißen, sondern in einen Abfalleimer!
Natürlich stimmt meine Benotung, für richtige Kameras gedacht, bei dem Ding nicht mehr. Was soll ich tun? Ich werde meine alte Colorpack II verschenken und das Ding, das neue, behalten und bezahlen. Das entspräche dann allerdings meiner Note 1. Aber die will ich mir für die Polaroid-Kamera aufheben, die sicherlich eines Tages auch noch kommen wird: gleiche Leistung, aber so, daß nicht alle Leute glauben, man würde aus Gaudi durch ein Vogelhäuschen fotografieren.

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