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2009

NÖRGELMANN ÜBER: Nicnon TF Fernglaskamera 18x24 mm

Als Otto Lilienthal 1896 mit seinem Flugapparat tödlich abstürzte, gab es Leute, die trotzdem ans Fliegen glaubten, und ihnen verdanken wir, daß heute geflogen wird. Hätten deutsche Fotohändler damals zu entscheiden gehabt, würden wir vermutlich heute noch mit Kutschen fahren. Denn sehr fortschrittlich und experimentierfreudig ist der deutsche Durchschnitts-Fotohändler nicht. Deshalb weiß man heute weitgehend weder beim Fotohandel, noch in Amateurkreisen, daß es eine NICNON-Fernglaskamera gibt: einige frühere Versuche auf diesem Gebiet brachten keine sehr guten Ergebnisse, und deshalb scheint eine solche Idee in alle Ewigkeit für den Fotohandel gestorben zu sein. Sehr zu Unrecht! Denn es gibt inzwischen eben diese NICNON. Ein ganz hervorragendes 7 X50 Fernglas, dessen rechte Hälfte ein ausgezeichnetes korrigiertes Objektiv und eine einfach, aber sicher und präzise funktionierende Kamera darstellt. Normaler KB-Film, Halbformat, also 18 X 24, mit Aufzug für ca. 15 Aufnahmen, wenn es sein muß 2 Bilder pro Sekunde!
Blendenstufen von 3,5 bis 11, Verschlußzeiten 1/60, 1/125 und 1/25o s. Eingestellt wird mit dem rechten Okular, beide Okulare sind korrigierbar, Entfernung von 20 m bis unendlich I Es wird außerdem ein aufsteckbarer Belichtungsmesser geliefert, den man sich, nicht sparen sollte, weil er gleich bei der Anzeige den Lichtverlust durch die Umlenkung aus dem Fernglas auf den Film mit berücksichtigt. (Was da umständlich und nicht ganz richtig über die Bezugszahlen in der Gebrauchsanweisung steht, können Sie mit dem Aufsteckbelichtungsmesser vergessen: was Sie messen, wird aufs Objektiv übertragen!)
Na ja, habe ich mir gedacht, ich kann schon ein normales Fernglas nicht still halten, es wird eine tolle Verwackelei geben. Um dem vorzubeugen, machte ich meine ersten Testaufnahmen mit Tri-X, auf 30 DIN belichtet. Und siehe da: die Aufnahmen waren, bei ca. Blende 8 und 1/25o s, alle scharf!
Allerdings hatte ich dieses Fernglas zur Sicherheit auf ein Einbeinstativ geschraubt. Dann wollte ich es genau wissen, weil ich mir sagte, daß Einbeinstative nicht jedermanns Geschmack sind, und verschoß einen ganzen Film (72 Aufnahmen) freihändig. Etwa 10 waren verwackelt, alle anderen einwandfrei!
Dann kam der für mich entscheidende Versuch: Ektachrome High Speed, auf 27 DIN belichtet und spezialentwickelt.
Resultat: ausgezeichnete Dias! Nicht ganz so in der Projektion wie mit dem Summilux auf 24 X36, aber wirklich gute Dias!
Eine Schulterstütze aus einem dünnen, wackligen Röhrchen wird auch geliefert, aber das hindert mehr, als es nützt. Wer sich ein wirklich bewährtes Schulterstativ gönnt, hat nicht nur den Genuß, bei der Betrachtung ein ruhigeres Fernglas zu haben, sondern darüber hinaus noch scharfe Bilder mit der 1/125 s und sogar der 1/60 s!
Wer kauft sich sowas?

Vielleicht Jäger. Denn ein Glas brauchen die sowieso. Und ein 300er Tele aus der Hand? Auch keine wahre Freude und doppelte Schlepperei, oder man hat es nicht dabei, wenn man es gerade braucht. Hier hat man praktisch durch das Halbformat fast die 300er! Allerdings singt der automatische Filmtransport, das Wild kann ihn wahrnehmen. Aber ich habe gute Schüsse: Äsen, aufwerfen, verhoffen und abgehen, - alles in zwei Sekunden! Bei etwa 100 Meter Distanz und gutem Wind passiert gar nichts, das Wild steht.
Ich denke dabei aber noch an ganz andere Möglichkeiten: z. B. den Sport!
Da gibt es doch genug Leute, die sich ein Fußballspiel was kosten lassen. Sie fliegen dazu sogar wer weiß wohin. Und die sollten alle kein Interesse daran haben, Höhepunkte mit dem Glas zu verfolgen, wo immer im Stadion sie auch sitzen mögen, fünf oder zehn Mal auf den Knopf zu drücken, um womöglich das Foto ihres Favoriten beim Schuß aufs Tor zu haben? Oder ein Foul in einer Serie von 12 Aufnahmen?
Außerdem kommt, wenn mich nicht alles täuscht, die Olympiade immer näher. Auch dort gehen wohl kaum Leute hin, die für Sport nichts übrig haben. Vielleicht haben sie auch noch das Geld für eine NICNON übrig, weil sie damit einmalige Fotos schießen können, in einem Bereich, den eben ein 7 X 50-Glas noch bringt.
Vielleicht wird man am Eingang der Stadien etwas gegen „Kanonenrohre mit Kamera" haben, wenn der Besitzer keine Foto-Lizenz hat. Aber wer schaut schon hin, ob jemand ein Fernglas um den Hals hängen hat?
In Deutschland steht hinter diesem japanischen Erzeugnis BELL & HOWELL. Das ist keine Firma, die sonst Suppengrün und Gemischtwaren vertreibt. Ich meine daher, man übernimmt kein großes Risiko, wenn man sich eine NICNON kauft. Und was kostet denn ein wirklich gutes Markenglas 7X50 ohne Kamera?
Nach meiner Ansicht habe ich mit diesen Zeilen zwei Seiten einen Dienst erwiesen: einmal den interessierten Fotofreunden, vor allem den Sportlern unter ihnen, und derer werden es nicht wenige sein, die bisher mit ihren kleinen Kameras nichts ausrichten konnten, und sich an eine Extraausrüstung mit Tele nicht heranwagten.
Und zweitens dem Fotohandel, der sich mit dieser „Sport- und Olympia-Kamera" zusätzlich ein paar Kunden in den Laden holen kann.
Vorausgesetzt natürlich, daß eben dieser Fotohandel Otto Lilienthal vergißt und glaubt, daß manchmal später geht, was früher einmal nicht gegangen ist. (Bitte hierzu keine Briefe, ich ersticke in unerledigter Post! Wenn nötig Anruf Durchmesser 80 41-29 34! Auch Fotohändler werden von mir höflich beraten!)

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