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Artikel

2009

photokina 72

Vollautomatischer Elektronik-Verschluß

Asahi Pentax ES

Bei der Asahi Pentax ES mit AP-Selektiv-Elektronik bestimmt grundsätzlich der Fotograf, ob mit kleiner oder großer Blende bzw. langer oder kurzer Belichtungszeit aufgenommen werden soll. Der Computer in der Asahi Pentax ES sucht den entsprechenden Wert und gleicht ihn laufend den geringsten Lichtveränderungen an. Verschlußzeiten werden elektronisch gesteuert - und zwar stufenlos von 8 bis 1/1000 s. Zum Kontrastausgleich und für ein bewußtes Über- oder Unterbelichten wird der Korrekturstufen-Schalter betätigt. Die technischen Erweiterungen dieses Modelles ES erfüllen die längst gehegten Erwartungen: Sie ist eine echte Steigerung der bisherigen Modelle, ohne diese jedoch abzuwerten.

Seit ich Auto fahre (und mit dem Schwarzfahren habe ich 1929 angefangen!), sagen die einen, nur der Vorderradantrieb sei das Wahre. Die anderen hielten allein den Hinterradantrieb für diskutabel. Ich war einmal auf der - einmal auf der anderen Seite, je nachdem, wer die besseren Argumente erfunden hatte. Schließlich war ich vom Hinterradantrieb überzeugt, als mich mein erster Citroen DS 1958 eines Besseren belehrte. Und so geht's halt weiter.
Ich mußte dieses Beispiel bringen um verständlich zu machen, daß ich eigentlich bei automatischen Kameras dafür bin, daß man mit einer festen Verschlußzeit arbeitet, und sich danach die Blende automatisch reguliert. Denn meine Motive schreiben mir oft eine bestimmte Mindestzeit vor, während ich ohnedies auf den wichtigsten Punkt scharfgestellt habe, und mir daher eine Blende mehr oder weniger nichts anhaben kann. Und dann kam der Citro ... Verzeihung, die Pentax ES, die ich vom System her schon verurteilt hatte, ohne sie zu kennen. Ich habe viel mit ihr gearbeitet und bin jetzt keineswegs davon überzeugt, daß i h r System mit der Zeitregelungs-Automatik das richtige ist. Aber ... so geht es wirklich auch. Und nicht nur gut, sondern sogar ausgezeichnet. In 99,30/o aller Fälle. (Wer es nicht merken sollte: dies bedeutet ein größeres Lob, als wäre ich von Anfang an dafür gewesen!)
Die Kamera selbst, die ich mit dem 1,4 Takumar hatte, ist klein, relativ leicht und überaus handlich. Das Sucherbild hell (man sollte sich bei Spiegelreflex stets das 1,4 leisten, nicht weil man das oft braucht, aber weil bei offener Blende das Sucherbild deutlich heller ist, als bei 1,8!), der Auslöser prachtvoll weich, der Verschluß einer der leisesten Schlitzverschlüsse, die ich kenne.
Zum Batterie-Testen braucht man nicht erst was zu verstellen (was man hinterher zurückzustellen vergißt!), einfach Knopf drücken und den Zeiger ...
Verzeihung, also das ist wiedermal ein Zeigerleinchen. Und die Belichtungszeiten, eingraviert auf der Mattscheibe, wurden offensichtlich von einem Mikromeister seines Fachs graviert: man braucht am rechten Bildrand nicht einmal meinen berühmten „schwarzen Mann", um Skala und Zeiger nicht mehr zu erkennen, bei der ES genügt bereits ein geblümter Vorhang oder eine Fichte. Daß diese Kamerakonstrukteure nicht irgendwann einmal auf den Gedanken kommen, selber sowas ablesen zu wollen - ihnen würden die Augen tränen. Aber darin sind sich ja alle gleich. (Einzig mir bisher bekannte Ausnahme: Contarex. Aber ich bin belehrbar!)
Die von der Automatik gemessene Belichtungszeit läßt sich nicht festhalten, aber man kann die Zeiten 60, 125, 250, 500 und 1000 von Hand einschalten und damit die Automatik außer Funktion setzen, was ich nicht nur als völlig ausreichend, sondern auch recht praktisch empfand. Ebenso praktisch ist eine Belichtungskorrekturmöglichkeit: die halbe Zeit, die doppelte und die vierfache können fest vorgewählt werden.

X-Synchronisation per Buchse und im Mittenkontakt, M-Synchronisation extra. Die Filmmerkscheibe ist brauchbar und ein Kontrollsignal neben dem Auslöser, ob schußbereit gespannt oder abgeschossen, mag für manche wichtig sein, sie schadet auf keinen Fall.
Die Einstellung auf Schärfe ist zuverlässig, auch für Brillenträger: durchgehende Mattscheibe mit Mikroprismenspot. Kürzeste Einstellentfernung: 0,45 Meter -sehr angenehm und oft zu brauchen.
Ein seitlicher, gut fingergerechter Schalter ermöglicht Schärfentiefenkontrolle oder, bei Feststellung, Messung mit Arbeitsblende.
Das E-Werk wird durch leichtes Andrücken des Auslösers in Betrieb gesetzt. Man muß also nirgendwo extra aus- oder einschalten.
Über das Arbeiten mit dieser Zeit-Automatik ist Folgendes zu sagen
Ein Neuling wird sich vielleicht wundern, wenn er 27-DIN-Film geladen und die Blende auf 2,8 gestellt hat, daß sich kein Zeiger bewegt. Er ist aber nicht kaputt, sondern die 1/1000 reicht einfach nicht mehr. Also: Blende bei Sonne etwa auf 11 oder 16 schließen. Umgekehrt saust natürlich der Zeiger, wenn man mit 15 DIN und Blende 16 eine schwarze Katze in einem dunklen Zimmer fotografieren will, blitzartig in den Keller. Die längste, im Sucher ablesbare Zeit ist 1 s. Der Verschluß macht aber bis zu 8 s automatisch. Längere Zeiten werden über die „B-Stellung" geschossen.
Über die Qualität der Takumare mit ihrer hervorragenden Vergütung muß nicht mehr gesprochen werden, es ist bekannt, daß sie zur Spitze der Weltproduktion gehören.
Nun möchte ich Ihnen aber nicht vorenthalten, was mich ganz besonders für diese Kamera einnimmt und mich eigentlich sogar veranlaßt hat, sie hundertprozentig anzuerkennen, trotz ihrer Zeit-Automatik. Es kam nämlich folgende Überlegung
Jede Blendenautomatik findet im Objektiv statt. Man muß also immer Objektive haben, die zu der Kamera passen. Passen sie nicht, ist es auch mit der Automatik vorbei.
Nun gibt es einige Millionen von (z. T. recht preiswerten!) Objektiven mit dem berühmten Gewinde M 42. Man kann sie auch als preiswerte Gelegenheit kaufen. Und bei der Pentax ES liegt die Automatik ja nicht in den Objektiven, sondern im Kamerakörper. Folglich ... ja, erraten: Sie können mit jedem M 42-Objektiv in den Genuß der vollen Automatik kommen! Das ist es, was mich so völlig umgestimmt hat, denn hier sehe ich nun wirklich eine Verwendungsmöglichkeit für diese Kamera, die evtl. vorhandene kleine Nachteile gegenüber einer Blendenautomatik absolut wettmacht.
Sie hat mit einem Culminar ebenso präzise funktioniert, wie mit einem modernen Spiegelobjektiv, mit einem 800er Veteranen genauso, wie mit Ost-Objektiven. Und so bin ich jetzt überzeugt, daß diese ES eine Lücke füllt, den Wunschtraum vieler Amateure verwirklichen hilft: eine gute, abschaltbare Vollautomatik, und trotzdem völlig freie Wahl unter allen M 42-Objektiven der Welt.
Hin und wieder, und sicherlich auch jetzt, erhalte ich böse Briefe von aufgebrachten Amateuren, die finden, es sei nur Gewäsch, was ich schreibe. Wo bliebe die korrekte Messung der Verschlußzeiten, wo die Kurven der Objektive, wo eine Beschreibung des Verschluß-Systems: kurz, wo bleiben die technischen Angaben.
Nun, ich sehe meine Aufgabe nicht darin, mich gegen Honorar über technische Details zu verbreiten, die jeder Interessent kostenlos von der Herstellerfirma bekommen kann, oder die sogar ausführlich im Prospekt stehen. Ich fotografiere mit einer Kamera und schreibe, was mir dabei aufgefallen ist, was ich daran schätze oder für falsch halte. Denn was haben schließlich genaue Körpermaße damit zu tun, ob man eine Frau mag oder nicht? Man muß sie kennen - die Taillenweite oder die BH-Nummer spielen dann doch wohl keine Rolle mehr. Und in diesem Sinne muß ich gestehen, ich habe mich in die ES verliebt. Ganz bestimmt nicht blindlings, denn ich habe lange genug mit ihr zusammen gelebt. Tag und Nacht. Und ich kann sie mit gutem Gewissen jedem empfehlen, vorausgesetzt natürlich, seine Seeligkeit hängt nicht ausgerechnet von einem auswechselbaren Suchersystem ab. Alles Gute für diese Kamera, Mr. Ishihara!

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