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Foto Professional
Erste vollelektronische KB-Spiegelreflex
Canon AE-1
Die Kamera für jedermann
Sie sieht aus wie eine ganz gewöhnliche, einäugige Kleinbild-Spiegelreflex - jedenfalls auf den ersten Blick. Sie funktioniert wie eine ganz gewöhnliche Spiegelreflex - wenigstens scheinbar. Und was dahintersteckt, das sieht man ihr nicht an - weder auf den ersten, noch auf den zweiten Blick. Doch spätestens an den Resultaten wird man es erkennen.
Denn diese Canon AE-1 ist mehr als nur eine neue Kleinbild-Spiegelreflex mit Winder, mit motorischem Filmtransport. Sie ist die erste vollelektronisch funktionierende Kleinbild-Spiegelreflex der Welt. Ein leichter Fingerdruck auf den Auslöser genügt, um eine Vielzahl komplizierter Funktionen in Gang zu setzen, Passend zur eingestellten Verschlußzeit wird die richtige Blende ermittelt. Alle wichtigen Aufnahmeinformationen erscheinen im Sucher. Parallel dazu läuft die automatische Blendenwahl. Verstärkt der Finger den Druck geringfügig, gibt der elektromagnetische Auslöser das Signal und der Verschluß läuft unter elektronischer Zeitenbemessung ab.
Mit dem Power Winder A gekoppelt, transportiert die Kamera anschließend automatisch. Bleibt der Finger auf dem Auslöser liegen, schießt sie motorisch weiter - zwei Bilder pro Sekunde. Mit dem Computerblitz Canon Speedlite 155 A gekoppelt, schaltet die Kamera - gleichgültig, auf welche Verschlußzeit sei eingestellt ist - auf die Elektronenblitz-Synchronisationszeit von 1/60 sek. und - je nach Programmierung am Blitzgerät - auf Blende 2,8 oder 5,6. Ist das Blitzgerät eingeschaltet, braucht der Finger nur auf den Kameraauslöser zu drücken, den Rest besorgt die Automatik.
Mit anderen Worten: Sie als Benutzer wählen die Zeit, stellen scharf. Sie lösen aus. Und den Rest besorgt die Canon AE-1. Sie fotografieren wie mit Knipser-Automatik, und dabei gebietet Ihr Fingerdruck über alle Möglichkeiten der modernen Kleinbild-Spiegelreflex-Fotografie. Das erscheint zunächst zu phantastisch, als daß man es glauben möchte. Doch wenn Sie mir einen Gefallen tun, will ich versuchen, es zu erklären: Vergessen Sie bitte alles, was Sie sich - dem Fotosprachgebrauch nach - unter Computer, Vollelektronik und Belichtungsautomatik vorzustellen gelernt haben. Obwohl die vielen, komplizierten Funktionen, die in einer Kamera ablaufen, elektronische Problernlösungen geradezu fordern, hat man in dieser Hinsicht bislang herzlich wenig getan. Nahezu alle Kamerahersteller hielten an der Mechanik fest, bauten allenfalls eine in ihren Funktionen eng begrenzte, elektronische Zeit- oder Blendensteuerung ein.
Einzige Ausnahme - die Rolleiflex SLX, die erste vollelektronische 6x6-Spiegelreflex der Welt. Doch verglichen mit dem, was Canon jetzt getan hat, erscheint die Elektronik der SLX bereits konventionell. Denn mit der AE-1 hat Canon mehrere Entwicklungsabschnitte übersprungen und sich die Errungenschaften der allerneuesten, allermodernsten Elektronik zunutze gemacht. Herkömmliche, mechanische Steuerungselemente sind durch elektronische Bauteile ersetzt, deren Schaltkreise um ein Vielfaches höher integriert sind, als wir das aus der LSI-Technik (Large Scale Integration) her kennen. Sie sind nach der I2LTechnik (Integrated Injektion Logic) aufgebaut, bei der ein Chip von 3 x 3 mm Größe die Schaltfunktionen von mehr als 1000 Transistoren bewältigt.
Die Kamera wird in all ihren Funktionen von der CPU (Central Processing Unit) gesteuert, die im wesentlichen aus einem Mikrocomputer und dem Meßkreis aus hochintegrierten Schaltungen, zwei bipolaren ICs und einem LSI besteht, wobei einer der beiden ICs die hochempfindliche Silizium-Meßzelle sowie einen logarithmischen MOS-B1-Verstärker enthält. Hier werden sämtliche Eingangssignale gespeichert, sämtliche Funktionsbefehle gegeben, hier wird alles gesteuert, was mittelbar oder unmittelbar mit der Belichtung zusammenhängt. Das garantiert für alle elektronischen Abläufe real time = Echtzeit: Die Funktionen stimmen mit den tatsächlichen Gegebenheiten zum Aufnahmezeitpunkt überein.
Die ständig fortschreitende Miniaturisierung in der Elektronik also hat ermöglicht, was die Canon AE-1 kann: Sämtliche Funktionen werden automatisch von einem Mikrocomputer gesteuert, der als Operationsverstärker der CPU funktioniert, alle Meßwerte digital speichert. Die CPU gibt - von der Speicherinformation ausgehend - die Funktionsbefehle für die Sucheranzeige und den Analog-Komparator der Blendensteuerung. Das rücklaufende Signal bestimmt die Aufnahmeblende, und schon ist die Kamera schußbereit.
Nach Druck auf den Auslöser setzt die CPU den ersten Verschlußvorhang in Bewegung, kontrolliert sodann den Ablauf der eingestellten Verschlußzeit und startet nach deren Ablauf das zweite Verschlußrollo. Kaum hat dieses sein Ziel erreicht, gibt sie an den Winder den Befehl zum Filmtransport. Bleibt der Finger auf dem Auslöser liegen, wiederholt sie all diese Vorgänge, bis der gesamte Film belichtet ist und sie auf entsprechende Rückmeldung den Abschaltbefehl erteilen muß.
Erscheint der Einsatz von Blitzlicht wünschenswert, so steht mit dem Canon Speedlite 155 A ein aus vier Mignon-Zellen gespeistes Computergerät zur Verfügung, das mit der Kamera nach Aufstecken am Zubehörschuh zu einer Funktionseinheit wird: Ober zwei oder drei Kontakte im Geräteschuh wird die Automatik des Blitzgerätes mit der Kameraautomatik gekoppelt.
Übertragen wir all das, was so kompliziert klingt, in die tägliche Praxis, so wird es schnell zu Wissen, das Sie vergessen dürfen. Um eine Canon AE-1 zu bedienen, brauchen Sie nichts davon. Nehmen Sie die Kamera in die Hand, laden Sie sie mit dem Film Ihrer Wahl. Transportieren Sie zweimal bis zum ersten Bild, und stellen Sie durch Hochziehen des gerändelten Zeitenrades, das koaxial mit dem Transporthebel angeordnet ist, die Empfindlichkeit Ihres Filmmaterials ein. Die Skala dazu reicht von ASA 25 bis 3200, also von 15 bis 36 DIN. Jetzt wählen Sie am Zeitenrad die von Ihnen gewünschte Belichtungszeit vor, überzeugen sich, daß das Canon FD Objektiv auf A = Automatik steht, und dann, fotografieren Sie. Sie stellen scharf und lösen aus. Und solange Sie die Kamera nicht durch ein Blinken einer Leuchtdiode im Sucherbild warnt, fotografieren Sie technisch richtig.
Das kann jeder - auch derjenige, der nie zuvor eine Kamera in der Hand gehabt hat. Das möchte jeder - auch derjenige, der als Profi jeden Tag fotografieren muß. Und darum ist die AE-1 auch eine Kamera für jedermann. Sie funktioniert mit der Präzision einer Profikamera; sie hat das Objektiv einer Profikamera - die Wahl unter sämtlichen Canon FD Objektiven steht ihr offen, Sie arbeitet mit einer Automatik, die unter allen Aufnahmebedingungen alle belichtungstechnischen Voraussetzungen erfüllt, die aber vom Benutzer nicht mehr verlangt, als die Bedienung einer Knipser-Automatik erfordern würde.
Beim heutigen Stand der Elektronik und des modernen Kamerabaus war eine solche Kamera längst fällig. Ihr Erscheinen hat das alte Märchen zerstört, daß eine "amateurgerechte" Automatik schandbar einfach und auf einen engen Bereich beschränkt sein müsse. Auf Knopfdruck tut diese Kamera alles, was der Folografieriende sich wünscht gleichgültig, ob er Profi ist oder Amateur.
Sie tut es mit der Präzision, mit der Reproduzierbarkeit, wie sie nur einem Mikrocomputer, nicht aber z. B. einem elektronisch einfachen Zeitmeßglied abzufordern ist. Ein wesentlicher Benutzervorteil liegt in der Tatsache, daß das Ersetzen mechanischer durch elektronische Funktionsglieder - die AE-1 hat im Vergleich zu konventionellen Konstruktionen ca. 20 Prozent weniger mechanische Funktions- und Übertragungsglieder - eine bedeutend geringere Störanfälligkeit erwarten läßt. Überraschend allerdings ist, daß Canon bei so viel elektronischem Aufwand nicht auch einen weiteren, entscheidenden Schritt getan und den Traum vieler Fotografen verwirklicht hat - die Umschaltung von Blenden- auf Zeitenpriorität, den Dual-Automaten.
Was noch hinzuzufügen bliebe, kommt einer Aufzählung technischer Daten gleich. Die Canon AE-1 erlaubt es, Canon FD und FL Objektive anzusetzen, arbeitet jedoch nur mit den FD Objektiven in Automatikbetrieb. Das Sucherbild zeigt horizontal 96 und vertikal 93,5 Prozent dessen, was auf den Film gelangt. Die Einstellscheibe ist mit einem Schnittbildindikator, umgeben von einem Mikroprismenring, ausgerüstet. Rechts neben dem Sucherbild befindet sich eine Blendenskala mit Zeiger, Index für Arbeitsblendenmessung und eine rote Leuchtdiode, die vor Unterbelichtung und Überschreitung des Meßbereichs warnt. Eine zweite rote Leuchtdiode läßt ein M blinken, wenn die Automatik abgeschaltet ist.
Der Rückschwingspiegel ist groß genug dimensionierte daß auch bei Verwendung eines 400-mm-Tele-Objektivs keine Sucherbild-Abschattung auftritt.
Sämtliche Verschlußzeiten, deren Bereich von 2 bis 1/1000 sek. + B reicht, werden elektronisch gesteuert. Die Synchrozeit ist 1/60 sek. Der Tuchschlitzverschluß wird elektromagnetisch ausgelöst, die Zeiten von der CPU bemessen.
Das Meßsystem arbeitet mit einer verzögerungslos ansprechenden Silizium-Zelle hinter dem Dachkantprisma. Der Kupplungsbereich des Meßsystems umfaßt bei Einsatz des FD Objektivs 1: 1,4/ 50 mm und Einstellung auf 21 DIN LW 1 bis 18, die Empfindlichkeitseingabe 15 bis 36 DIN mit 1-DIN-Rasten. Die Gegenlichttaste gestattet Korrektur um + 1,5 Blendenstufen ohne Abschalten der Automatik. Die von der Kamera automatisch gewählte Blende wird auf Antippen des Auslösers oder Druck auf die Belichtungs-Kontroll-Taste auf der Sucherskala angezeigt. Der Abblendknopf dient lediglich der Arbeitsblendenmessung mit FL Objektiven und bleibt bei Einsatz eines FD Objektivs gesperrt.
Auch der Selbstauslöser wird elektronisch von der CPU gesteuert. Sein Einstellhebel hat drei Stellungen: S = Vorlaufwerk, während dessen Laufzeit eine rote Leuchtdiode blinkt; A = Automatikbetrieb und Normalstellung zugleich; L = Lock, also Sperre des Auslösers.
Die Kamerarückwand kann abgenommen und gegen eine Datenrückwand ausgetauscht werden. Um zu funktionieren, muß die Kamera aus einer Silberoxyd- oder Alkali-Mangan-Batterie von 6 Volt gespeist werden. Wichtigstes Zubehör ist zweifellos der Power Winder A, der zwei Bilder in der Sekunde schafft, seine Schaltimpulse über die Kamera bekommt und sowohl für Einzelaufnahmen wie auch Dauerlauf eingerichtet ist. Er wird aus vier Mignon-Zellen 1,5 Volt gespeist, die bei Normaltemperatur 30 KB-Filme a 36 Aufnahmen transportieren. Am Filmende schaltet der Winder automatisch ab. Eine Leuchtdiode zeigt Batterieausfall an.
Obwohl Sie mit der Canon AE-1 natürlich auch jedes andere Blitzgerät einsetzen können, ist das Canon Speedlite 155 A wegen seiner Automatikkoppelung besonders interessant. Es funktioniert mit Thyristor-Schaltung und automatischer Lichtmengen-Dosierung bei einer Leitzahl von 17 für 21 DIN. Der Leuchtwinkel beträgt vertikal 42xGRADx, horizontal 59xGRADx und deckt damit den Bildwinkel eines 35-mm-Objektivs ab. Die Blitzfolge ist ca. 7 sek. bei Verwendung von Mignon-Zellen, ca. 5 sek. bei Einsatz eines NC-Akkus. Die programmierbaren Arbeitsblenden sind 2,8 für den Bereich von 0,5 bis 6 m und 5,6 für den Bereich von 0,5 bis 3 m, beides bei Einsatz eines 21 DIN Filmes.
Die Kamera ist weitestgehend in das Canon Spiegelreflex-System integriert, so daß sich vieles aus dem Zubehörprogramm der Canon F-1 und der EF verwenden läßt.
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