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Alexander Borell Kommentar
Kompakt und komplett mit Canon
Keine Kamera hat in der letzten Zeit soviel Aufsehen und Interesse erregt wie die Canon AE-1. Und das gleichermaßen bei den Verbrauchern, wie auch bei der übrigen Industrie, wo so etwas nur dann der Fall ist, wenn jemand den Markt beunruhigt. Die AE-1 hat die Fotoindustrie beunruhigt, weil hier enorm viel Kamera für relativ wenig Geld geboten wird. Sie ist der zweite Frühling in einer winterstarren Kameralandschaft, nach der OM-2 von Olympus.
Es wurde schon so viel über diese Kamera veröffentlicht (auch in COLOR FOTO 10/76 und im photokina-Sonderheft), daß sich weitere Abhandlungen zur Technik dieser Kamera erübrigen. Wohl aber zeichnet sich etwas anderes immer deutlicher ab, etwas, was man mit dem neudeutschen Wort Trend bezeichnet: der Trend zur Vereinfachung, zur Kompaktheit bei möglichst gleicher Qualität der Ergebnisse.
Schon seit etwa drei Jahren war ein Trend zu beobachten, der dahin ging, sich zwar sehr leistungsfähige Kameragehäuse anzuschaffen, dafür aber bei den Objektiven in eine Art von Brennweiten-Schwelgerei zu verfallen. Während es sich früher noch ein führender Reporter einer der damals größten deutschen Illustrierten leisten konnte, Weltreportagen aus der Hosentasche zu machen (links ein 35er Weitwinkel, rechts ein 90er für Porträts und als Tele durch Herausvergrößern!), ist heute die Brennweitensucht ausgebrochen und hat zur Zeit ein Stadium erreicht, was nahezu einer Krise gleicht. Kraß ausgedrückt: Man kauft sich eine Nikon F2 oder eine Canon F-1, und buddelt dann solange in den obskursten Katalogen, bis man ein Zoom-Objektiv (enthält ja in einem Objektiv 2000 Brennweiten!) von 35-250 mm gefunden hat, das außerdem nur DM 234,- kostet. (Fragen Sie mich nicht, wo es das gibt, aber es ist billig.) Manchmal gewinne ich den Eindruck, wir wären ein Volk von Rollstuhlfahrern geworden. Um Gotteswillen keinen Schritt vor oder zurück, auch erst recht keinen Umweg zur Standpunktsuche, wie anno dunnemals, es muß alles vom gleichen Standpunkt aus möglich sein. Man ist sogar bereit, für diese Bequemlichkeit Opfer an Qualität zu bringen, denn man weiß inzwischen, daß es heute fast schwerer ist, schlechte Objektive zu machen, als gute. (Siehe die verschiedenen Tests der Stiftung Warentest.) Und so grotesk dies alles auch klingen mag, es hat - seine Berechtigung!
Denn schließlich hat es sich herausgestellt, daß man nicht (!) verrückt wird, wenn man aus einem fahrenden Zug die Landschaft betrachtet; die Kinderproduktion ist durch die Einführung des elektrischen Lichts nicht (!) zurückgegangen; ein Fernseher bringt keine Wellensittiche um und es sitzen heute keine acht Wissenschaftler mehr fünf Jahre in ihren Gehäusen, um ein Fotoobjektiv zu berechnen. Man weiß heute wie man Linsen schleifen muß, man weiß, was man gegen allzuviel Spiegelung zu tun hat, man kennt die Glassorten, die es ermöglichen, leichter und trotzdem besser zu bauen, als früher. Die Tatsache, daß nahezu jeder heute am Fortschritt teilhaben kann, ist nicht das Verdienst von Karl Marx, sondern von Henry Ford, der das Fließband erfand und es damit ermöglichte, daß sich ganze Landstriche sonntags in Blechkonserven den Platz auf den Autobahnen streitig machen. Aber auch in der Fotoindustrie gibt's inzwischen Fließbänder, der Rechenschieber wurde von den Computern abgelöst und die Technik von der Elektronik. Die Aufnahmen 2, 3, 4 und 5 habe ich aus der Hand in etwa 60 Sekunden gemacht, mit nur zwei Objektiven und Brennweiten von 28 bis 200 Millimetern Noch vor wenigen Jahren hätte man dazu vier Objektive gebraucht, in den Brennweiten 28, 50, 80 und 200 Millimeter.
Es gibt Leute, denen man nicht erklären kann, daß der Mensch keine Kuh ist, daß sich sein Magen von dem eines Rindviehs wesentlich unterscheidet: sie leben von rohem Gemüse Ebenso gibt es auch Menschen, die heute noch einen Fotografen nur dann ernst nehmen, wenn er einen Koffer voll Objektive mit sich herumschleppt. Das mag gelegentlich ebenso drollig sein, wie eine Reise nach Italien mit der Postkutsche, wie es Goethe noch tun mußte. Der Markt aber und die Zukunft gehören nun einmal den Zoom-Objektiven.
Allerdings stehen wir hier mit Sicherheit noch nicht auf dem Scheitelpunkt aller Möglichkeiten. Man akzeptiert heute, und das höre ich täglich in vielen Gesprächen, bei einem Zoom-Objektiv eine gewisse Einbuße an Qualität, gegenüber einer festen Brennweite. Und es gibt vermutlich auch bis jetzt noch kein einziges Zoom-Objektiv, das in allen seinen Brennweitenbereichen so gut ist, wie Spitzenobjektive der entsprechenden festen Brennweiten. Aber es gibt bereits Zoom-Objektive, wie zum Beispiel diese beiden von Canon von 28-50 mm und von 80-200 mm, deren Qualität nur noch den allerhöchsten Spitzen etwas nachsieht. Diese Objektive leisten an Schärfe, Kontrast und Verzeichnungsfreiheit so Ausgezeichnetes, daß man in der Praxis keine Konzessionen mehr zu machen braucht. Der bei Zoom-Objektiven heute noch übliche Satz: "Bei voller Öffnung etwas weich aber ab Blende 8 sehr gut" diese Entschuldigung für unsere Bequemlichkeit fällt bei
diesen beiden neuen Canon-Zoom-Objektiven weg.
Was Sie links auf dem Foto sehen, ist meines Wissens im Augenblick das höchste Maß an technischem und optischem Komfort auf zugleich kompaktestem Raum, den es für den enormen Bereich von der Nahaufnahme über 28 mm Weitwinkel bis zum 200er Tele gibt. Und neben dem Komfort auch die höchste mir bekannte Qualität in optischer und technischer Hinsicht.
Mit der AE-1 und diesen beiden Objektiven können Sie alles fotografieren, was sich Ihnen auf einer Weltreise anbietet: vom Skorpion bis zum Jumbo-Jet, vom Mount McKinley bis zur Orchideen-Blüte, vom Rennen in Indianapolis bis zur Pfahlmuschel und vom Porträt eines Maikäfers bis zum tanzenden Derwisch. Und noch dazu alles mit der Automatik der AE-1.
Qualität kostet allerdings auf der ganzen Weit immer noch Geld, und die beiden neuen Zoom-Objektive sind nicht billig. Genaue Preise waren noch nicht zu erfahren, aber so etwa DM 1.300,- oder etwas mehr werden Sie pro Objektiv anlegen müssen. Ein wenig sparen Sie dann durch die preiswerte AE-1, verglichen mit anderen, ebenso leistungsfähigen Modellen wieder ein. Die Dreieinigkeit aber aus kompaktem Komfort, hoher Leistung und geringer Schlepperei wird manchen dazu verführen, tiefer in die Tasche zu greifen, als er es ursprünglich vielleicht vorgehabt hat. Und ob Sie nun Vegetarier sind oder Mercedesfahrer, Alpinist oder Nichtraucher, doppelter amerikanischer Buchhalter oder Wildwasserfahrer - Sie werden im Augenblick keine Fotokombination von einem solchen Umfang an Möglichkeiten auf dem Markte finden.
Nur am Rande möchte ich in diesem Zusammenhang noch den Canon-Winder erwähnen, der bekanntlich zu der AE-1 gehört. Selbst damit bleibt man kompakt, bei allerdings noch mehr modernem Komfort und noch größerer Sicherheit für optimale Aufnahmen.
Faulheit der Fotografen? Rollstuhlfotografie?
Fast jeder technische Fortschritt wurde zum bequemeren Leben geschaffen. Das reicht vom Reißverschluß bis zum WC. Und wenn die Entwicklung so weitergeht, werden wir, mit Hilfe neuer Gläser oder der Elektronik,. in absehbarer Zeit nur noch 'ein Objektiv brauchen, das dann etwa vom 5 mm Fischauge bis dreihundert Millimeter reicht und nicht mehr größer ist als ein heutiges 1,2/85er Objektiv.
Aber vorerst können wir froh sein, diese zwei Canon-Objektive ,erwerben zu können: sie erschließen uns bequem eine ganze Welt. Es wäre angebracht, wenn man sich bei Canon/Europhoto nun eine "wirklich" praktische Tasche für diesen kompletten "Euro-Set" einfallen ließe.
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